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„Fall vom Olymp?"

Das Weiße Haus in Washington kann einem fast schon leid tun. Binnen weniger Monate muss es sich gleich zwei Mal angreifen, erstürmen und größtenteils zerstören lassen. Spätestens seit Roland Emmerichs Invasions-Kracher „Independence Day" hat Hollywood die Scham verloren, amerikanische Wahrzeichen auf der Leinwand zu pulverisieren. Seitdem wurden sämtliche US-Großstädte genüsslich dem Erdboden gleichgemacht, wobei besonders die mit symbolträchtigen Wahrzeichen gespickten Metropolen New York und Washington Opfer der meist am Rechner entstandenen Zerstörungsorgien wurden.

Der nach Hollywood emigrierte Schwabe Emmerich hat dabei eine nicht unwesentliche Rolle gespielt und sich redlich den inoffiziellen, aber überaus klangvollen Titel „Master of Desaster" verdient. Wer, wenn nicht der anfangs noch als Spielbergle aus Sindelfingen belächelte Erfolgsregisseur wäre also nicht die allerste Wahl für ein wahnwitziges Katastrophenspektakel, bei dem der amerikanische Regierungssitz als Schießbude für sämtliche vorstellbare Kaliber herhalten muss. „White House Down" war als globaler Blockbuster quasi schon eingetütet, als ausgerechnet die Konkurrenz  aus dem eigenen Lager einen Blitzangriff vorlegte, der Emmerichs siegessicheres Schlachtschiff in gefährliche Gewässer bugsierte.

Antoine Fuquas „Olympus Has Fallen" beging nicht nur die Frechheit mit dem exakt gleichen Grundplot aufzuwarten, sondern besaß auch noch die Dreistigkeit früher fertig zu werden. Dass der wenig zimperliche Action-Thriller dann auch noch überraschend erfolgreich war, wird die gebeutelten Produzenten von „White House Down" kaum beruhigt haben, schließlich dürfte der normale Kinobesucher wenig Lust verspüren, sich binnen weniger Wochen ein und dasselbe Szenario zwei Mal anzusehen. Kombiniert mit der Tatsache, dass Emmerichs Film mehr als doppelt so teuer war (150 Millionen $-Budget), zeichnete sich eine mindestens mittelschwere Katastrophe ab, die seinem Spitznamen eine ganz neue Bedeutung verleihen könnte.

Tatsächlich kann man allerdings durchaus beide Filme konsumieren, ohne sich zu langweilen. Zwar ist die Rahmenhandlung frappierend ähnlich - in beiden Fällen soll das weiße Haus im Sturmangriff genommen, der Präsident gefangen genommen und damit weitreichende Forderungen durchgesetzt werden - , dennoch finden sich genug Unterschiede in Motivation und Anlage der Figuren sowie in Ton und Optik der Filme.

So lässt sich Emmerich mehr Zeit für Charakterentwicklung und legt auch deutlich mehr Gewicht auf Interieur und Anlage des titelgebenden Gebäudes. Während Fuqua in erster Linie einen schnörkellosen Actionfilm ohne Verschnaufpausen ablieferte, ist „White House Down" epischer und in Ansätzen auch differenzierter angelegt. So ist Emmerichs liberale politische Einstellung deutlich zu spüren und gibt dem Film trotz aller Ballerei einen politisch korrekten Anstrich der „Olympus has fallen" bewusst weitestgehend abgeht. Beispielsweise ist Jamie Foxxs Präsident Sawjer deutlich an Barack Obama angelehnt und der motivische Hintergrund der Bad Guys eine deutliche Absage an straff-republikanisches Gedankengut. Der durchaus vorhandene Patriotismus wirkt weniger stramm, da Emmerich ein ähnlich aufgesetzt-plakatives Ende wie im Konkurrenzprodukt vermeidet.

Natürlich singt auch „White House Down" wieder das Hohelied des heroischen Außenseiters - hier Channing Tatum als verhinderter Secret Service Agent Cale - , aber dass gehört zu den ebenso etablierten wie beliebten Grundbausteinen des US-amerikanischen Actionkinos. Tatum legt seinen Rolle weniger martialisch und zynisch an als Gerard Butler in „Olympus" und kommt damit dem offensichtlichen Vorbild John McClane etwas näher.
Mit Ausnahme allerdings des Härtegrades der Actionszenen. Die sicherlich durch das hohe Budget bedingte PG-13-Auflage der Produzenten ist durchweg erkennbar und dürfte puristische Genrefans wieder einmal verärgern. Trotzdem macht Emmerich seinem Ruf alle Ehre und lässt es im wahrsten Wortsinn ordentlich krachen. Das gilt nicht nur für die gewohnt spektakulär und bildgewaltig inszenierten Verwüstungen, sondern auch für die zahlreichen Kampfszenen und Schusswechsel. Etwa ab der Mitte des Films bleibt dem Zuschauer kaum noch Zeit zum Luftholen, zumal es Emmerich wiederholt gelingt einem vermeintlichen Höhepunkt noch eins drauf zu setzen. Das ist rasant, abwechslungsreich und bei entsprechender Vorliebe überaus unterhaltsam. Dazu trüben weder Schnittgewitter noch die blödsinnige Handkamera-Unsitte den Sehgenuss und machen „White House Down" zu einem wohlig altmodischen Actionspass.

Das liegt auch an der gelungen Buddy-Konstellation zwischen Präsident und Beschützer. Channing Tatum und Jamie Foxx sind ein gleichermaßen glaubwürdiges wie vergnügliches Gespann, dass dosiert auf Humor setzt, ohne dabei in die Karikaturfalle zu tappen. Beide sind keine klassischen Actionstars, was eine größere Bandbreite und interessantere Palette in der Interaktion zulässt.
Schön auch mal wieder James Woods in einer tragenden Rolle auf der großen Leinwand zu sehen, wenn auch Funktion und Motivation seiner Figur zu schnell erkennbar ist.

Ob diese Vorzüge für einen globalen Kassenhit reichen werden, bleibt abzuwarten. Die früher gestartete Konkurrenz könnte dabei der entscheidende Stolperstein werden. Dabei hat Emmerich den inhaltlich interessanteren und auch runder inszenierten „Die hard"-Ableger abgeliefert. In Punkto Selbstironie, Effektspektakel und Plot-Ideen hat er eindeutig die Nase vorn, allein in Sachen Kompromisslosigkeit zieht er den Kürzeren. Wer aber nicht gleich zupackt, den bestraft gerne mal der zahlende Zuschauer. Vom Olymp des Desaster-Gurus wird Emmerich deswegen aber nicht gleich fallen. Höchstens ein wenig abrutschen. Katastrophen jedenfalls sehen ganz anders aus.

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