In the dead of night love bites
„Trouble Every Day“ fiel in eine Zeit noch vor den neuen, härteren französischen Horrorfilmen wie „High Tension“ oder „Inside“, greift diesen aber zumindest in Teilbereichen vor. Die Regisseurin Claire Denis („Der Fremdenlegionär“) schrieb zusammen mit Jean-Pol Fargeau und inszenierte in französisch-deutsch-japanischer Koproduktion eine etwas sperrige Melange aus Horrorfilm und Liebes-/Erotikdrama, die seinerzeit manch Kritiker(in) ratlos zurückließ und ein unbedarftes Publikum zu schockieren verstand.
Shane (Vincent Gallo, „GoodFellas“) ist ein frisch verheirateter US-Wissenschaftler, der mit seiner Frau June (Tricia Vessey, „Tiger Kid II“) in die Flitterwochen nach Paris reist, wo sie ein Hotelzimmer beziehen. Vorrangig zog ihn jedoch ein anderer Grund in die „Stadt der Liebe“, den er seiner Frau verschweigt: Er befindet sich auf der Suche nach Léo Sémeneau (Alex Descas, „Boarding Gate – Ein schmutziges Spiel“) und dessen Frau Coré (Béatrice Dalle, „Betty Blue – 37,2 Grad am Morgen“). Mit ihm betrieb er einst Experimente, in deren Rahmen Coré und Shane sich mit etwas infizierten, was aus ihnen blutrünstige Monster macht, sobald sich die Fleischeslust meldet: Im Blutrausch beißen sie ihre Sexualpartner(innen) tot…
Léo, der, eingeführt als schwarzer Motorradfahrer, nicht unbedingt dem Klischeebild eines Medizinwissenschaftlers entspricht, muss weitestgehend hilflos hinter seiner Frau Coré „her wischen“, wenn er die verstümmelten Opfer ihres Blutdurstes verschwinden lässt. Dass er sie zu Hause einsperrt, hilft auch nur so lange, bis sich zwei arglose Einbrecher Zutritt verschaffen und sich einer von ihr verführen lässt – das bedeutet Überstunden beim Wändeschrubben. Shane wiederum muss sich der Herausforderung stellen, trotz seines fehlgeleiteten Triebs seine geliebte Frau nicht zu gefährden, ihr gegenüber geheim zu halten, was mit ihm nicht stimmt – und wirft ein Auge auf das sexy Zimmermädchen (Florence Loiret Caille, „Love Bandits“) aus dem Hotel. Die Protagonistinnen und Protagonisten in „Trouble Every Day“ geben sich wortkarg, der ganze Film ist äußerst dialogarm. Erklärungen beschränken sich aufs Nötigste; die hier skizzierte Hintergrundgeschichte entblättert sich dem Publikum nur langsam und bleibt diffus, die einzelnen Informationshäppchen muss es sich selbst zusammenreimen.
Aufs Tempo drücken Inszenierung und Schnitt auch nicht gerade, was der ungemütlichen, unheilschwangeren Stimmung des Films Raum zur Entfaltung gibt. Bisweilen übertreibt man es, wenn die Entschleunigung von einer Natur und Interieur in aller Seelenruhe konservierenden Kamera forciert wird, die auch gern mal eher belanglose Alltagssituationen (oder Gehirnsezierungen) genüsslich auskostet. Dieselbe Kamera zeigt sich gegenüber den Figuren äußerst distanzlos, Gesichter und Körperteile werden in Großaufnahmen und darüber hinaus abgetastet, bis jegliche Orientierung verlorengeht. Auch Coré neigt zur Übertreibung, wenn sie nach dem sprichwörtlichen Vernaschen eines jungen Einbrechers eine ganze Innenwand mit dessen Blut dekoriert. Heftiger noch sind die zwei dramaturgisch wohlplatzierten Vergewaltigungsszenen, die sich dank der Art der Inszenierung fast wie mittendrin statt nur dabei anfühlen. Das macht keinen Spaß und soll es auch nicht.
Dem Film geht das Comichafte anderer Horrorfilme komplett ab; dennoch spielt er eindeutig in einem Paralleluniversum, in dem ein Zimmermädchen so viel Zeit hat, dass es sich während seiner Schicht genüsslich eine Zigarette anstecken und es sich auf dem Bett eines der Gäste bequem machen kann. Diese und andere Entrücktheiten nehmen „Trouble Every Day“ etwas von seinem seinen Realismus und damit seine Wucht. Dazu zählt auch, dass sich eine aparte junge Frau wie June ausgerechnet einen Vincent Gallo als Ehemann aussucht, der hier genauso gruselig aussieht, wie es der rassistische Unsympath in der Realität offenbar auch ist. Als Allegorie auf gegenseitige Entfremdung funktioniert der Film dennoch passabel, ebenso als krude Verbildlichung tödlicher Triebhaftigkeit, die Leidenschaft, Lust und Zweisamkeit ins Gegenteil verkehrt.
Die dem innewohnende Tragik ist fester Bestandteil dieses Films, der in seinen emotionalen Momenten mitunter glänzt, mit erotischen Szenen auf eine falsche Fährte lockt, mit seiner unmittelbaren Gewalt verstört und mit einem ‘nen Mega-Cumshot ins Waschbecken wichsenden Gallo unfreiwillig belustigt. Auf sein Tempo muss man sich einlassen können, was wohl am besten im abgedunkelten, ablenkungsfreien Kinosaal gelingt. Das offene Ende lädt zum Reflektieren ein und der eigenwillige Soundtrack der britischen Gruppe Tindersticks klingt in den Ohren nach. Für ein erstes Rendezvous aber ist „Trouble Every Day“ eher nix.