Review

Harpert, Robert und zwei weitere Begleiter müssen auf einer tropischen Insel notlanden. Der dortige Flughafen scheint aber verlassen, von Lebenszeichen keinerlei Spur und die erste vermoderte Leiche lässt nichts gutes vermuten. Auf der Suche nach Hilfe ist Harpert bald schon auf sich allein gestellt und gelangt in ein Kannibalendorf, indem er, aufgrund seines Flugzeuges als Vogelmensch gefangen genommen wird. Ohne Nahrung und unter dem Spott der Kannibalen kämpft er ums nackte Überleben, bis er mit Hilfe einer weiblichen Kannibalin (Me Me Lai) flüchten kann. Doch der Dschungel birgt noch andere Gefahren.

Man mag ja von italenischen Kannibalenschockern halten was man möchte, aber Deodatos Sequel zu Lenzis Mondo Cannibale, beweist sich zumindest in storytechnischer Sicht als wesentlich gelungenes Dschungelabenteuer und kann auch als solches absolut unterhalten. Und dabei geht Deodato schon von Anfang an sehr geschickt vor, indem er einen vermeintlich Zivilisierten völlig auf sich alleine stellt und als Quasi Fremdkörper den primitiven Kannibalen als unbekanntes Objekt vor die Nase wirft. Dabei gehen die Kannibalen nur allzu authentisch und grausam um, denn Harpers Alleinstellung in dieser grausamen, schlichtweg unzivilisierten Welt fernab jeglicher, seiner Norm, fährt im böse auf, was aufgrund seiner bösen Lage absolut nachvollziehbar ist. Harpers geistige Entwicklung und der Niedergang seines Charakters ist dabei präzise glaubwürdig nachgestellt, sodass seine Psyche und sein Körper bald zu schwächeln beginnt.

Das offeriert zwar nicht die typischen Kannibalenschmoddereien, aber zumindest wirft Deodato damit einem die typische Auslegung dieses Stoffes vor den Kopf, was meist wie ein Faustschlag ins Gesicht wirkt. Dabei zelebriert er dieses Aufeinandertreffen scheinbar entgegensetzlicher Kulturen wie ein jenes, dass sich bloss in ihrem Fortschritt erschliesst, aber in einer solchen Umgebung auch der zivilisierteste Mensch zur Primitivität fähig ist. Anfänglich geht Mondo Cannibale 2 nur zaghaft mit seiner schundigen Ausrichtung um, beschränkt sich doch das Gezeigte auf wilde Tänze, schabernack treibende Kannibalenkinder und Unverständnis seitens der primitiven Kannibalen, die sich an Harpers Körper ergötzen und wundern. Die Widersprüchlichkeit der Auslegung erreicht Mondo Cannibale dann aber wieder in seinen recht unnötigen, wie auch schockierenden echten Tierschlachtungen, die zwar immens den Schundfaktor hochtreiben, aber auch, fernab jeglicher Authenzität bitter bei dem Zuschauer aufstossen. Die versteckte sozialkritische Botschaft in Kannibalenfilmen hin oder her, durch derartige Exploitation in Form von selbstzweckhaftem Tiersnuff, beraubt sich der Film jeglichen Drang auf Glaubhaftigkeit, gesellt er sich damit, in seiner primitiven Effekthascherei auf die gleiche Stufe wie einstige Primitive. Aber was solls, sowas ist eben Exploitation und seis Schade um die vermeintlich armen Tiere, gestorben wären sie eh irgendwann einmal. Das mag jetzt gleichgültig klingen, aber sind wir in der Form, in jeder Hinsicht eigentlich nicht auch so? Zumindest all jene, die sich Nichtvegetatier schimpfen, genau denen sollte es egal sein. Also, wen interessierts?

Aber all das mag sicher nicht der grösste Schock in diesem frühen Kannibalenwerk sein, dass vergleichsweise zu Deodatos späterem Cannibal Holocaust noch recht brav vorgeht. Die gestellten Goreszenen sind recht spärlich, vorzuweisen sind da jegliche Grausamkeiten nur in Form von abgenagten Armen (von Ameisen), eine Leiche in einer Kannibalenfalle und zur späteren Laufzeit, als Harpers Entwicklung schon fast zur Resignation führt, der aufgeschnittene Wanst der vermeintlichen Verräterin, die Harper half. Me Me Lai (Mondo Cannibale 1) als schöne Kannibalenbraut hat da gewiss wieder ihre Vorzüge, was andersweitige Exploitation angeht, aber ihre neuen künstlichen Brüste, wirken in diesem Kannibelhorror und ihrer Rolle als dessen nur allzu unfreiwillig komisch. Silikon hin oder her, hübsch anzusehen ist sie wenigstens, auch wenn sie keinerlei grosse Rolle zu spielen scheint, umso schöner ist dann der Effekt zu ihrem eigenen Festmahl. Das Aufreissen ihres Bauches ist dabei schon recht explizit und realistisch dargestellt, da durfte wohl wieder ein armes Schwein als Fake herhalten. Also alles schon Szenen, die zumindest ein wenig ans Gemüt gehen, und ohnehin wirkt die Szenerie mitsamt ihren Indiokannibalen recht bedrohlich, auch weil eben die passende Musik, die Gesamtatmosphäre noch umso einiges bedrohlicher wirken lässt. Das Alles hat dabei schon recht schundigspannenden Charakter, ist aufgrund seiner Kulisse und dem Leben darin durchweg sehenswert und spannungsfördernd, aber allzu intensiv wie Cannibal Holocaust wirds leider nie.  Recht fragwürdige Szenen sind dann dabei aber wiederrum die Vergewaltigung von Harper an der Kannibalenfrau und jene Szene zu Beginn, als Harper von ihr stimuliert wird. Was solls.

Das kann man als menschenverachtend und frauenfeindlich interpretieren wenn man möchte, ohnehin erweist sich die Darstellung der Kannibalen nur als allzu faschistiod und ideologisch befremdlich. Aber das ist dann eben jener Faktor, der bei Kannibalenfilme immer zu jeglichem Ekel und Abstoss führt, letztendlich ist es aber genau das, womit letztendlich der Film auch schockieren möchte. Also wer schon bei Cannibal Holocaust kurz vor der Verzweiflung und dem Entsetzen nicht mehr fliehen konnte, der ist auch für dies hier nicht unbedingt geeignet, und warum stört man sich an sowas überhaupt noch, wenn man ohnehin die schundige Ausrichtung solcher Filme kennt. (Damit verweise ich auf gewisse vorangegangende Reviewautoren, die den Film so unfassbar grausam finden). Es ist eben ein Kannibalenfilm. Eine Klasse für sich.

Fazit:
Deodatos Sequel zu Lenzis Frühkannibalenfilm, der eher wie ein Dschungelliebesabenteuer wirkte, ist indes der Vorläufer für Schmuddeltaten wie Cannibal Holocaust oder Lenzis niveaulose Verbrechen a la Cannibal Ferox. Dabei ist die komplette Inszenierung des Stoffes zwar durchweg packend, bedrohlich, spannend und angsteinflössend, aber eben auch genauso fragwürdig in seiner Ausrichtung und dem Zeigen effekthaschericher Tiertötungen. Trotzalledem ein Kannibalenabenteuer, das Atmosphäre  gross schreibt und genau deswegen auch gefeiert werden sollte.

80%

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