Review

Es ist eigentlich ein sehr dreistes Verhalten, das Deodato an den Tag legte als er seinem etwas weniger begnadeten Kollegen Umberto Lenzi vorwarf, dieser hätte mit seinem "Cannibal Ferox" (1981) Deodatos "Cannibal Holocaust" (1980) plagiiert... denn Deodato selbst knüpfte bereits 1977 an den Erfolg von Lenzis "Il Paese del sesso selvaggio" an und inszenierte selbst einen Kannibalenklassiker - wie Lenzis Subgenre-Erstling mit Ivan Rassimov und Schönheit Me Me Lai (die zwar wegen ihrer drei Kannibalenfilme bekannt ist, aber durchaus auch für Val Guest, Lars von Trier und Blake Edwards vor der Kamera stand) besetzt, im Titel "Ultimo Mondo Cannibale" bereits - Nomen est Omen - auf den dt. Titel von Lenzis Klassiker verweisend. Das mag man Deodato als Unverschämtheit anlasten, dem Film schadet es allerdings kein bisschen...

Der Film beginnt [Achtung: Spoiler] - in bester Mondo Cane Tradition (und auf dieses Mondo bezog sich der Original-Titel vermutlich wirklich) - mit dem Hinweis auf die Echtheit der Ereignisse, die angeblich einen tatsächlich stattgefundenen Vorfall nacherzählen... Politisch korrekt ist das dann letztlich wohl kaum, allerdings sollte man dieses Verfahren weniger als Versuch werten, dem Film dadurch Dokumentar-Charakter zu verschaffen (auch wenn Deodato genau dies in seinem Meisterwerk "Cannibal Holocaust" kurz darauf tun wird), sondern es eher in der Tradition althergebrachter literarischer Erzählstile sehen; damit sind rassistische Elemente nicht getilgt, aber zumindest die dahintersteckende Motivation lässt sich dadurch entschuldigen.

Nach diesem Prolog sieht man den Forscher Robert Harper samt Kollegen Rolf, Pilot und weiblicher Begleitung nach Mindanao fliegen, wo sie nach Öl bohrende Mitglieder eines Camps aufsuchen wollen. Natürlich kommt es zur Notlandung und natürlich sind auch alle Mitglieder des Camps verschwunden und das Camp selber in einem traurigen Zustand... aufgefundene Speerspitzen lassen die Männer zu dem Schluss kommen, das besonders primitive Primitive hier gewütet haben. Zwar weiß man von den Gefahren der Umgebung, beschließt am Abend - als das Flufzeug wieder hergestellt ist - trotzdem, die Nacht über noch abzuwarten. In dieser Nacht jedoch verschwindet die Frau der Vierergruppe (sie ist eigentlich nur das, was Hitchcock ein MacGuffin genannt hätte) und die verbleibenden Männer machen sich am nächsten Tag auf die Suche... Deodato dezimiert die kleine Gruppe sehr schnell (der Pilot tappst in eine tödliche Falle und Rolf spült es die Stromschnelle eines reißenden Flusses runter) um sich dann ausschließlich auf Roberts Schicksal konzentrieren zu können. Dieser fällt den berüchtigten Kannibalen in die Hände und kann nun (Lenzis Einfluss ist hier durchaus spürbar) deren Rituale begutachten und - mehr noch - aktiv an ihnen teilnehmen: Ihm selbst zupft man alle Kleider vom Leibe, zupfelt ein bisschen an seinem Penis rum, zieht ihn (fortschrittlich für primitive Primitive) per Flaschenzug bis an die Höhlendecke hinauf (neben der Ankunft im Flugzeug noch eine Möglichkeit den blöden deutschen Titel zu erklären), was Robert mit enthusiastischem "Ich fliege! Ich fliege!" quittiert (vielleicht hätte er auf seinem Dschungeltrip einige Pilzarten lieber unangerührt gelassen.) und lässt ihn zuschauen, wie man einen Stammesangehörigen grausam bestraft, indem man seinen Arm von Ameisen bis auf die Knochen wegfressen lässt. Robert kann jedoch nach und nach Kontakt zu einer Kannibalin aufnehmen - nicht ohne die üblichen interkulturellen Kommunikationsschwierigkeiten, denn statt der geforderten Nahrung erhält er einen (an sich netten, aber hier völlig deplazierten) Handjob ("Nein, nein.... das hab ich nicht gemeint..." lautet der verzweifelte Kommentar.) Verklemmt geht es bei Deodato sowieso nicht zu... Robert ist die gute Hälfte des Films über nackt zu sehen und wird auch mal von den Kannibalen angepinkelt. Die üblichen Tiersnuff-Szenen fehlen natürlich auch nicht und so liefert uns Deodato neben harmloseren Szenen in denen Schlangen ihre Beute erlegen zusätzlich noch etwas härteren Stoff und filmt die Schlachtung eines Krokodils ab.

Bald jedoch ergreift Robert die Möglichkeit zur Flucht; unterwegs bewahrt er Me Me Lai noch vor einer Vergewaltigung (nur um sich später mal selbst an ihr vergehen zu können), erlernt die Tricks des Überlebens in freier Wildbahn und trifft auf Rolf, der die Stromschnellen-Geschichte mit angeschlagenem Knie (mittlerweile böse entzündet) überlebt hat. Man versucht nun gemeinsam das Flugzeug wiederzufinden und dabei den Kannibalen möglichst nicht über den Weg zu laufen. Dies geschieht dann allerdings doch und Me Me Lai (die in der Zivilisation offenbar auch fehl am Platze gewesen wäre) wird getötet, mit heißen Steinen gefüllt und anschließend verspeist. Robert und Rolf dagegen tatsächlich das Ziel ihrer Suche (unterwegs erlegt Robert auch einen Kannibalen und verspeist seine Innereien - auch in diesen Verfallserscheinungen zivilisierter Gesittetheit erinnert der Film an Lenzis Version) doch Rolf erliegt seinen Verletzungen. Robert überlebt und lebt dem Abspann nach in einer kleinen Farm in Mexiko mit seiner Gattin.

Insgesamt bietet der Film einen schönen Beitrag zum exploitativen Kinos Italiens... Nacktheit und sexuelle Betätigung, Tiersnuff und die Kannibaleneinlagen (hier eher nebensächliche Randerscheinungen, erst "Mangiati Vivi" von Lenzi wird insofern als erster Film dieser Art den selbstgestellten Ansprüchen gerecht) verpackt Deodato in einer gewöhnlichen Abenteuergeschichte. Dabei war für einige Zuschauer neben den nirgends gerne gesehenen Tiersnuffszenen und der Klischeedarstellung der primitiven Wilden ebenfalls Deodatos Umgang mit weiblichen Charakteren ein Gräuel... In der Tat lässt sich bei Deodatos Film - wie bei einigen seiner anderen - hier und da ein machohafter Zug entdecken, ein von Aron Boone (= Heiko Bender?) festgestellter "Frauenhass" scheint mir jedoch eine eher abwegige Auslegung des Dargestellten zu sein, die Exploitation-typische Bestandteile als Deodato-typisch verkennt.

Schwache 6/10

Details
Ähnliche Filme