Fellini portraitiert in seiner dritten Regiearbeit fünf junge Männer, deren Jugend vorbei ist, die sich jedoch nicht in das Korsett der Anpassung drängen lassen wollen, für die ein geregeltes Durchschnittsleben (noch) nicht in Frage kommt. Moraldo, Alberto, Fausto, Riccardo und Leopoldo sind in ihren Persönlichkeiten grundverschieden doch sie verbindet ihr Lebensstil: Der Müßiggang. Keiner der fünf Freunde geht einer geregelten Arbeit nach, ihr Geld bekommen sie von ihren schwer arbeitenden Eltern und sonstigen Verwandten, auch Unterkunft und Essen erhalten sie noch zuhause.
Die einfach und realistisch erzählte Geschichte ist stark beeinflusst von Fellinis eigenen Erfahrungen und wirkt dementsprechend authentisch. Innerlich zerrüttet von einer tiefen Verzweiflung und einer Unfähigkeit, das Leben so zu nehmen wie es ist, flüchten sich die jungen Männer in totale Ignoranz. Wohin dieser Weg für jeden einzelnen führt, lässt Fellini offen, doch zeigt gleichzeitig auf, dass es verschiedene Möglichkeiten gibt und nicht jede Hoffnung gestorben ist. Seine Protagonisten idealisiert Fellini niemals doch es ist klar spürbar, dass den Außenseitern die Sympathie des Films gehört. Der Regisseur selbst war seit seinen Kindertagen angetan von den Künstlern, die dem Müßiggang frönen konnten und dennoch ihren Lebensunterhalt bestritten. Bei der bürgerlichen, konservativen Bevölkerung waren sie als Taugenichtse und Faulenzer verschrien und konnten so durch ihren Lebensstil gegen eben jene Gesellschaftsschicht rebellieren. Von dieser Natur sind auch die fünf Müßiggänger Fellinis angelegt, auch wenn ihre Lebensgestaltung nicht unbedingt mit Schöpfungsdrang einhergeht. Autobiographische Parallelen lassen sich in Bezug auf Fellini und seinen ersten wirklich guten Film etliche knüpfen, dennoch ist seine Geschichte keine antinarrative Momentaufnahme.
Fausto muss schließlich Moraldos Schwester Sandra ehelichen denn ihre ungewollte Schwangerschaft kann nicht ohne Konsequenzen für das Paar bleiben. In der folgenden Zeit geht Sandra an Faustos Gefühlskälte beinahe zugrunde, ungeniert steigt er weiter anderen Frauen nach und seine Arbeit verfolgt er auch nur unmotiviert. Selbst als das Kind da ist, ändert sich sein Verhalten zunächst nicht und er als es beinahe zu spät ist und seine Ehe zu zerbrechen droht, besinnt sich Fausto. Seine Geschichte endet harmonisch und mit der nötigen Assimilierung an die Gesellschaftsnormen, seine Zeit des Müßiggangs ist vorbei und er muss nun als Ehemann und Vater Verantwortung tragen. Obwohl Faustos Leben in geordnete Bahnen geleitet wird und die Familiengeschichte mit einem Happy End geschlossen wird, lässt Fellini das Schicksal der anderen Protagonisten wesentlich trübsinniger ausfallen. Stagnierend hängen sie in ihrem Heimatort fest und scheinen jegliche Hoffnung begraben zu haben. Irgendwann werden auch sie sich in ein sesshaftes Leben fügen oder aber an ihrer Unentschlossenheit verbittern. Nur Moraldo wagt zuletzt den Schritt in eine neue, ungewisse Zukunft, die für den Zuschauer im Dunkeln bleibt. Schließlich wird in der zurückhaltenden und am wenigsten eindeutigen Charakterisierung Moraldos deutlich, dass er als ideale Identifikationsfigur funktioniert und wohl auch Fellini am meisten interessierte.
Welch emotionale Leere die Figuren in „I Vitelloni“ umgibt wird in vielen Sequenzen deutlich, besonders aber an den zahlreichen Strandspaziergängen der Clique. Am einsamen Strand lassen sie ihre Seele baumeln, hier bekommt ihre Freundschaft eine tiefere Dimension. Letztendlich wissen die fünf um ihre Chancenlosigkeit, noch können sie aber ihre innere Reifung vor sich her schieben. Nur Fausto wird zwangsweise in einen Reifeprozess verwickelt dem er sich nicht entziehen kann. Inszeniert ist dieses komplexe psychologische Geflecht mit überraschender Leichtigkeit, kaum eine überflüssige Einstellung beeinträchtigt die triste Ästhetik, keine zähen Dialoge stören den außerordentlich unterhaltsamen Erzählfluss. Äußerlich verzichtet der Film auf Experimente, überzeugt aber mit dynamischen Kameraeinstellungen und authentischer Atmosphäre. Erwähnenswert ist auch die melancholische Musik vom genialen Komponisten Nino Rota, der ebenfalls noch oft an Fellini-Filmen beteiligt sein sollte und später mit dem Titelthema zu „Der Pate“ seine wohl berühmteste Arbeit schuf.
Das Drehbuch entstand in enger Zusammenarbeit als Trio: Tullio Pinelli und Ennio Flaiano schrieben einzelne Szenen und ergänzten ihre Texte gegenseitig, Fellini brachte die Segmente in eine ansprechende Dramaturgie und ist für die Endfassung des Skriptes zuständig. Mit Pinelli und Flaiano verbindet ihn schon damals eine tiefe Freundschaft und eine fruchtbare künstlerische Partnerschaft, die in beiden Fällen noch viele Jahre anhalten sollte. Beide waren beteiligt an den mitunter besten Werken Fellinis wie zum Beispiel „Achteinhalb“, „Julia und die Geister“, „Ginger und Fred“ und vielen mehr. „I Vitelloni“ beeinflusste mit seiner expressiven Bildsprache und der Ästhetisierung der Alltäglichkeit Generationen weiterer Regisseure wie Truffaut, Fassbinder, Scorsese, Abel Ferrara, Richard Linklater, Larry Clark und viele mehr. Doch schon die zeitgenössische Kritik fiel überwiegend positiv aus, auch der kommerzielle Erfolg war beachtlich.
Fazit: „I Vitelloni“ ist ein hervorragender Film, mit dem Fellini sich langsam aber zielstrebig wegbewegte vom Neorealismus. Diese ungeheuer wichtige filmische Strömung hatte ihren Zenit jedoch bereits überschritten, sodass Fellini folgerichtig einen eigenen Weg einschlug um sich von seinen Vorgängern wie Rossellini und De Sica zu entfernen. Ganz nebenbei trifft der Film bereits genau den Ton, der später das Lebensgefühl der „Generation X“ ausmachen sollte und auch noch in etlichen modernen (Jugend)filmen zum tragen kommt.
8,5 / 10