Hiermit fing sie also an, die berüchtigte Kannibalenfilm-Welle. Wie hier schon mehrfach erwähnt, jedoch nur mit Kannibalen am Rande, nicht im Mittelpunkt des Geschehens. Ein britischer Fotograf namens Bradley (Ivan Rassimov) gerät nach einem mehr oder weniger in Notwehr begangenen Totschlag auf der Flucht in die Finger eines Stammes, der allerdings nicht dem Kannibalismus, sondern höchstens ab und zu dem titelspendenden "sesso selvaggio" frönt. Anfangs noch als "Fischmensch" verstanden und so behandelt, wie man es sich unter Stammesmenschen wohl für fischmenschenadäquat erachtet, kann sich Bradley aber durch seine zivilisatorische Überlegenheit (ja, so kommt das eben rüber) eine Position als Favorit des Häuptlings erarbeiten.
Auch beherrscht er gegenüber den wilden Stammesmenschen die wahre Zärtlichkeit und als sich Häuptlingstochter Maraya mit verbundenen Augen für einen Bräutigam entscheiden soll, weiß sie seine Gentleman-Berührungen weitaus mehr zu schätzen als die der ruppigen Stammesgenossen. Mit anderen Worten, ein vollkommen Fremder weiß offenbar viel besser, was eine Tochter des Stammes will, als junge Männer, die in ihrer unmittelbaren Umgebung aufgewachsen sind. Nicht viel überzeugender kommt es herüber, dass Bradley - von Beruf Fotograf, wie schon gesagt - einen kleinen Jungen durch einen Luftröhrenschnitt und Einführen eines Holzrohrs offenbar von Diphtherie heilt.
Maraya will mehr über Bradleys Herkunft wissen und so erzählt er ihr von einem riesigen Dorf mit Hütten bis zum Himmel sowie "Autos", das sind lärmende Blechbüchsen, "aber das verstehst du sowieso nicht". Diese Kombination aus männlicher sowie weißer Überlegenheit nimmt sich recht unerfreulich aus - das denkt offenbar auch der Medizinmann, der verärgert über die Diphtherietherapie ein wenig herumhext und so Maraya zur dahinsiechenden Femme fragile werden lässt. Dieses böse Spiel, sowie eigentlich die ganze Dschungelhandlung, wird begleitet von widerwärtigen Tierkämpfen (Mungo gegen Schlange oder Hahn gegen Hahn) oder -schlachtungen. So wird zur Feier einer Geburt auf ein Handzeichen des Häuptlings schnell einem Zicklein der Hals durchgesäbelt und die Kamera hält aggressiv drauf. Egal ob das authentisch ist und wenngleich unsere feine westliche Gesellschaft massenweise sich die Bäuche mit toten Tieren vollstopft - ist das wirklich eine Begründung, Schlachtungen zum exploitativen Schauwert eines inhaltlich doch recht einfachen und einseitigen Abenteuerfilms zu machen?
Der ungleich bedeutendere spätere "Cannibal Holocaust" hat zwar mit demselben Problem zu kämpfen, ist aber auf der inhaltlichen Ebene deutlich reflexiver und vielschichtiger. Daher ist der erste Kannibalen(?)-Schocker - gedreht von einem Regisseur, der viel Besseres draufhatte - beileibe nicht der sehenswerteste Vertreter dieses berüchtigten Subgenres.