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Der Film beginnt mit Ivan Rassimovs Ankunft in Thailand; im Stile einer Urlaubsreportage wird die Exotik dieses Anfang der 70er Jahre noch beinahe unbekannten teils der Welt präsentiert; gleichzeitig erklärt ein einleitender Text, daß IL PEASE DEL SESSO SELVAGGIO die "wahre" Geschichte eines im Urwald verschollenen Reporters erzähle, der vor kurzem bei einem Stamm wilder Eingeborener gefunden wurde.
Die Geschichte an sich kennt man bereits aus A MAN CALLED HORSE, und der Authetizität vorgebende Erzählstil orientiert sich an der berüchtigten MONDO-Reihe, daher auch der alternative Titel MONDO CANNIBALE. Und in der Tat, es wird dem Zuschauer in der Folge einiges an anstößigen Szenen präsentiert...

Zunächst tötet Ivan Rassimov in Notwehr einen üblen Bösewicht, woraufhin er ins Hinterland flieht. Dort fährt er mit einem treuen Begleiter einen Fluß stromaufwärts, wo Ihn schließlich ein Stamm Wilder gefangennimmt; der treue Gefolgsmann stirbt dabei natürlich. Während Rassimovs Reise verschwindet übrigens Schritt für Schritt die Technik aus dem Film, hat man Anfangs noch eine Dampflokomotive, so bleibt dem Londoner Reporter schließlich nur noch sein Taucheranzug, wegen dem er von den Eingeborenen als Fisch betrachtet wird.
In der Folge muß der Gute nun alle möglichen Torturen erleiden, um schließlich den Wilden zu demonstrieren, daß sich der Weiße Mann nicht so leicht unterkriegen läßt. Es gelingt ihm, ein vollwertiges Mitglied des Stammes zu werden und gar die hübsche, meist leicht bekleidete Me Me Lai (damals eine bekannte Moderatorin) zu heiraten, die jedoch erblindet und schließlich bei der Geburt ihres gemeinsamen Kindes stirbt. Dieser tragischen Liebesgeschichte wird viel Zeit eingeräumt, und Lenzi bringt die Angelegenheit trotz einiger Sexszenen über die Bühne, ohne daß es peinlich wird.
Insgesamt gesehen ist IL PAESE DEL SESSO SELVAGGIO also eher ein solider Abenteuerfilm, in dem die für spätere Kannibalenfilme typischen Greueltaten sehr zurückhaltend präsentiert werden; im Prinzip beschränkt sich der gezeigte Kannibalismus auf eine einzige Szene, wodurch der Film in heutiger Zeit wohl niemanden schockieren wird. Und auch die obligatorischen Tierquälereien sind zwar unnötig und nicht vegetariertauglich, aber andererseits werden sie hier längst nicht so selbstzeckhaft präsentiert wie in Lenzis folgenden Kannibalenstreifen. Dazu möchte ich auch noch anmerken, daß Stier- oder Hahnenkämpfe in anderen Ländern durchaus zur Tradition gehören, und eine Tierschlachtung jedem leckeren Steak vorausgeht. Diese Entfremdung des zivilisierten Menschen zu seiner Nahrung und vor allem den unappetitlichen Vorgängen die dem Essen vorausgehen, dürften wohl ein Hauptgrund für den Erfolg und auch die Ablehnung gegenüber den Kannibalenfilmen sein, in denen letztlich ja das Gesetz des Dschungels (fressen und gefressen werden) thematisiert wird.
Hinzu kommt in PAESE auch noch das Gesetz des "Survival of the Fittest", also von der Überlegenheit der Weißen Rasse über die Barbaren, und fertig ist ein Film, über den sich wohl jeder linksintellektuelle Körnerfresser mächtig ärgern wird, über dessen Grundaussage man aber durchaus mal nachdenken kann.

Formal ist das ganze sauber pseudodokumentarisch inszeniert, mit ordentlichen schauspielerischen Leistungen, und durchschnittlicher Musik. Dies sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß PAESE in erster Linie ein Nachzieher zum sozialdarwinistischen MAN CALLED HORSE sein sollte, den man Publikumswirksam mit Sex und Gewalt aufgepeppt hat, wodurch quasi aus versehen das Genre des Kannibalenfilmes erfunden wurde.

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