Review

kurz angerissen*

Filme über Assassinen haben eine lange Tradition und eine scheinbar universell gültige Legitimation, da sie eng mit filmischem Heroismus verbunden sind. Man erwartet, eine Professionalität zu erleben, die gerade auf diesem Feld in absoluten Perfektionismus mündet. Selbstbeherrschung und in letzter Instanz Selbstaufgabe: Der Killer fasziniert den Kinogänger schon immer, weil er unerreichbare Ideale verkörpert und mit fragwürdiger Moral zusammenbringt. Eine ungemein verlockende Mischung.

„Blue Ruin“ bricht mit diesen Idealen, denn im Mittelpunkt steht ein gebrochener Mann, der sich auf eigene Faust in eine gefährliche Mission begibt – nicht weil er es kann, sondern weil er es muss. Macon Blair spielt einen Amateur, der sich in etwas versucht, das er dem Verhalten nach lediglich aus Filmen kennt.

Keineswegs wird also ein Mann gezeigt, der weiß, was er tut. Gewissermaßen ist er ein auf links gedrehtes Klischee: Immer wieder gerät er in Situationen, die man aus Filmen über Auftragskiller und andere Einzelgänger kennt. Doch in „Blue Ruin“ enden die Situationen selten so, wie man es gewohnt ist. Das Skript ist sehr motiviert darin, das die vielen kleinen Niederlagen und Zufallserfolge des Rachesuchenden anatomisch zu analysieren. Details, die in anderen Drehbüchern nie wieder Erwähnung finden, werden oft erst viele Szenen später wieder verfolgt. So wird in einer Sequenz ein Wasserhahn der Ablenkung wegen aufgedreht… und viele Minuten später tatsächlich wieder zugedreht, nachdem sich die Handlung zwischenzeitlich an einen ganz anderen Ort verlagert hat. Gegen Ende wird in Nahaufnahme ein Pfeil gezeigt, der in einer der ersten Auseinandersetzungen an den Rand eines Bürgersteigs geschossen wurde.

Derlei Kontinuitäten werden sorgsam über den gesamten Film verteilt und unterstreichen den Realismus, dem die Hauptfigur mit Film-Manierismen zu entgegnen versucht. Doch mitunter gewinnt wieder die Filmlogik: Die Flucht aus einem Krankenhaus gelingt banal einfach und der Besuch bei einem alten Bekannten mit krimineller Erfahrung (Devin Ratray, der fiese große Bruder aus „Kevin allein zu Haus“) weist nicht die sonst so fein säuberlich ausgearbeiteten Unterschiedlichkeiten zu Filmskripten auf, sondern könnte aus jedem beliebigen Revenge Actioner der 80er Jahre stammen.

Dessen ungeachtet ist „Blue Ruin“ ein faszinierend andersartiger Rachefilm, der die gezeigten Taten nicht nur moralisch hinterfragt, sondern außerdem das Gelingen ihrer Umsetzung in Frage stellt.

*weitere Informationen: siehe Profil

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