„Familie ist toll an Feiertagen. Ansonsten macht es dich berechenbar und damit angreifbar."
Dom Torettos Gegner im inzwischen sage und schreibe sechsten Teil der Testosteron-Benzin-Sause „Fast and Furious" bringt damit nicht nur die Gefahren seines ureigenen Moralkodexes auf den Punkt, sondern auch gleich die der ganzen Filmreihe. Denn längst sind uns die bereits im Vorgänger zum unwiderstehlichen Kumpelteam zusammen geschweisten Protagonisten sämtlicher Sequels vertraut wie Familienmitglieder. Wir kennen nicht nur all ihre Stärken und Schwächen, auch über die Feinheiten ihrer Beziehungen untereinander wissen wir bestens Bescheid. Und ohne Frage freuen wir uns, sie alle 2 Jahre wieder fröhlich vereint über den Asphalt brettern zu sehen, die Gesetze der Physik dabei nach Möglichkeit gewohnt beherzt ignorierend.
Überraschungen sind da natürlich eher selten zu erwarten, zumal der Lebensinhalt unserer Helden - Autos auftunen, (illegale) Straßenrennen fahren, hin und wieder ein kleiner Konflikt mit dem Gesetz und dann ab zum gemeinsamen Barbecue - nicht gerade Abwechslungsreichtum verspricht. So gesehen brachte „Fast Five" (2011) frischen Wind in das chromblitzende Familienidyll, indem er mit einer groß angelegten Heist-(Team)Aktion nicht nur ein neues Betätigungsfeld auftat, sondern mit dem bulligen Special Agent Hobbs (Dwayne Johnson) auch gleich potentiellen Familienzuwachs präsentierte. Zwar bekämpfte man sich zunächst bis zur letzten Gummirille, aber das war ja seinerzeit zwischen Clan-Chef Dom und Undercover-Cop Brian O´Connor (Paul Walker) auch nicht anders. Der Erfolg jedenfalls war durchschlagend, vor allem auch auf dem internationalen Markt.
So gesehen ist es nur konsequent, dass dieses gewinnbringende Aufpimpen der bewährten Franchise-Zutaten mit großkalibrigen Action-Szenen und Caper-Movie-Einspritzung nun auch die Grundausstattung für das sechste Modell liefert.
Nach ihrem 100-Millionen-Dollar-Coup in Rio sind Dom Toretto und seine Mitstreiter über den ganzen Erdball verstreut, steinreich, aber ständig auf der Flucht vor dem Gesetz. Einen Ausweg bietet ausgerechnet ihr letzter Gegner Hobbs. Er ist einer international agierenden Rennfahrerbande auf der Spur, die auf Terroranschläge sowie den Diebstahl militärischer Geheimwaffen spezialisiert ist. Angeführt von dem Ex-Elite-Soldaten Owen Shaw (Luke Evans), scheint die Bande ihren stets einen Schritt voraus. Neben der versprochenen Amnestie, gibt es aber für Dom vor allem einen Grund auf Hobbs Hilfegesuch einzugehen. Doms große Liebe, die tot geglaubte Lettie (Michelle Rodriguez), ist offenbar Shaws rechte Hand ...
„Fast & Furious 6" ist zwar eine direkte Fortsetzung des fünften Teils, eine Weiterentwicklung blieb aber leider aus. Anstatt die Pluspunkte des Vorgängers auszubauen, werden diese lediglich variiert und zudem unnötig reduziert dargeboten. Trotz einiger Schießereien und mehrerer Faustkämpfe, ist der Actionanteil insgesamt geringer und weniger spektakulär ausgefallen. Ähnlich verhält es sich mit den Einbruchs- bzw. Diebstahlsequenzen. Vielmehr hat man den Eindruck, dass sich Regisseur Justin Lin wieder mehr auf die Ursprünge der Reihe konzentrieren wollte. Das führt dann zu solch unnötigen Bremsklötzen wie minutenlangen verbalen Plattheiten über Familie und Ehre, oder einem für die Handlung völlig überflüssigen Straßenrennen in London. Auch die erzählerische Verzettelung in kleineren Episoden für den inzwischen recht umfangreichen Stamm-Cast fällt diesmal deutlich unangenehmer auf. Das geht dann logischwerweise zu Lasten der Hauptcharaktere. Während Genre-Zugpferd Vin Diesel noch einigermaßen deutlich im Focus steht, verkommt Paul Walker streckenweise zur Randfigur.
Dass der Film trotzdem Spaß macht liegt wieder einmal zuvorderst an den handgemachten Autostunts und den tiefer gelegten Onelinern. Sowohl eine nächtliche Massenverfolgungsjagd durch die englische Hauptstadt, wie auch Shaws Überfall auf einen Militärkonvoi in gleißendem Sonnenlicht bieten spektakuläre Blechkarambolagen von allerhöchstem Unterhaltungswert. Verglichen mit dem völlig überzogenem Finale auf einem Flugplatz, das zudem die mit Abstand längste Landebahn der Geschichte präsentiert, wird allerdings auch wieder einmal deutlich, wie turmhoch real inszenierte Action nach wie vor der sterilen CGI-Variante überlegen ist. Man spürt einfach, dass hier - trotz aller Sicherheitsvorkehrungen und Trickserei - echte Gefahr im Spiel war, was eine ganz andere Wirkung auf den Zuschauer entfaltet.
Die Wirkung der flapsigen Sprüche und gegenseitigen Frotzeleien ist vielleicht weniger spektakulär, dafür ähnlich zielführend. Das verbale Geplänkel gehört genauso zur Serienausstattung wie quietschender Gummi, durchgetretene Gaspedale und durch die Luft fliegende Boliden. Beides manifestiert den prolligen Charme der Reihe und sorgt beim (geneigten) Betrachter für ein wohliges (Wiedererkennungs-)Gefühl.
In diesem Sinne ist auch der sechste Film ein waschechter „Fast & Furious"-Ableger. Einer weiteren Familienparty steht also nichts Wesentliches im Weg. Wer allerdings auf Familienfeiern nicht nur die durch Tradition und Ritual gewachsene Wohlfühlatmosphäre liebt, sondern auch mal die ein oder andere überraschende Auflockerung zu schätzen weiß, der sei auf die siebte Sause vertröstet. Ein neues Mitglied steht bereist in den Startlöchern. Und fahren kann es auch, so viel steht schon mal fest.