Angesichts des fünften Sequels von "The Fast and the Furious", der 2001 das Licht der Welt erblickte, lässt sich darüber sinnieren, wieso ein Film, dessen Story sich hauptsächlich um schnelle Autos, schöne und knapp bekleidete Mädchen und trainierte Männer mit coolen Sprüchen dreht, so viele Fortsetzungen erlebt? Genau deshalb, läge die Antwort scheinbar auf der Hand, aber es gab schon viele Filme, die sich angesagten Modeströmungen widmeten und deren Halbwertzeit kaum über die DVD-Vermarktung hinaus ging. Die meist schnell hinterher geworfenen Fortsetzungen sollten nur die versiegende Geldquelle noch ein wenig schröpfen. "The Fast and the Furiuos" erging es nicht anders. "2 Fast 2 Furious", der 2003 folgte, war nur noch ein müder Abklatsch - zudem ohne die von Vin Diesel gespielte Identifikationsfigur Dominic Toretto - und der erstmals vom taiwanesischen Regisseur Justin Lin gedrehte dritte Teil "The Fast and the Furious: Tokyo Drift" (2006) hatte mit dem Original kaum noch mehr als den Namen gemein - das Spiel mit den getunten Autos schien mausetot.
Um so mehr überrascht es, dass es die für den damaligen Tiefpunkt verantwortlichen Justin Lin und Drehbuchautor Chris Morgan waren, die der Story um Automechaniker und Lenkradakrobaten wieder Leben einhauchten. Neben der Rückkehr der beiden Ur-Raser Dominic Toretto (Vin Diesel) und Brian O'Connor (Paul Walker) war es die Abkehr vom provinzionellen Autobastler-Image, welches den Puls wieder erhöhte. Konnte der Originalfilm noch als Studie us-amerikanischer Lebensverhältnisse in einem zwar klischeehaften, aber ansatzweise authentischen Umfeld überzeugen, verloren sich die Fortsetzungen in eher biederen Geschichten, die das semi-kriminelle Milieu nur noch folkloristisch als Hintergrund für rasante Rennen und absurde Stunts nutzten. "The Fast and the Furious" teilte das Schicksal vieler Action-Filme, die ein schnell geschnittenes, bombastisch aufgeblähtes Geschehen auf die Leinwand bringen, dem jeglicher Charakter fehlt, weshalb die ständigen Autorennen und Verfolgungsjagden auf Dauer nur noch ermüdeten.
Auch in "Fast & Furious 6" begleiten waghalsige Rennen, laut aufheulende Motoren und Benzingespräche wieder das Geschehen, weshalb ein gewisses Faible für diese obligatorischen Zutaten vorteilhaft für den Genuss des Films ist, aber darüber hinaus hat sich die Welt von Dominic Toretto und Brian O'Connor seit dem noch zaghaften Versuch mit dem treffenden Titel "Fast & Furious - neues Modell. Originalteile" (2009) erheblich vergrößert. Der sechste Teil schließt unmittelbar an "Fast & Furious Five" an, in dem die Crew um Toretto in Rio De Janeiro ein Millionen-Vermögen erbeutete. Dort ging es nicht mehr um den Gewinn eines Straßenrennens gegen eine lokale Größe oder das neueste Tuning-Ersatzteil, sondern um Kapitalverbrecher und internationale Interessen, weshalb mit Special-Agent Luke Hobbs eine Art Super-Profi als Gegenspieler auftauchte, von Dwayne "The Rock" Johnson im gewohnt selbstbewusst tatkräftigen Modus verkörpert.
Er ist es auch, der in "Fast & Furious 6" die Handlung vorgibt, denn er braucht das Team um Toretto und O'Connor, um einer professionellen Verbrecherbande, die mit speziell gefertigten Fahrzeugen vorgeht, das Handwerk zu legen. Diese hatte in Moskau einen schwer bewachten Konvoy in nur wenigen Sekunden um eine wichtige militärische Komponente erleichtert. Mit normalen Polizei-Teams ist diesen nicht beizukommen, weshalb Hobbs, zusätzlich mit der toughen Riley (Gina Carano) verstärkt, Toretto zu überreden versucht, ihm dabei zu helfen. Dieser reagiert nur mit wenig Begeisterung auf dessen Wunsch, denn seine Schwester Mia (Jordana Brewster) hatte gerade einen kleinen Jungen geboren, weshalb auch für seinen Partner O'Connor als Vater ein neuer Lebensabschnitt begann. Zudem leben sie dank des erworbenen Vermögens in luxuriösen Verhältnissen in einem südamerikanischen Land, das sie nicht an die USA ausliefert, wo sie als Kriminelle gesucht werden.
Dass das Team aus "Fast & Furious Five" trotzdem wieder vollständig zusammenkommt, macht den Reiz des Films aus. Justin Lin und Chris Morgan gelingt es, die traditionellen, noch aus der us-amerikanischen Provinz stammenden Werte der Auto-Freaks mit typischem Block-Buster-Kino zu verbinden. Vin Diesel verkörpert darin als zentraler Protagonist einen so altmodischen wie unabhängigen Charakter, der zwar kräftig austeilen kann und die Gesetze nicht immer genau nimmt, der aber genau weiß, die moralischen Grenzen einzuhalten. Dieser künstlich zugespitzte, aber von Vin Diesel überzeugend gespielter Charakter verleiht dem wilden Treiben die notwendige Seele. Das Team, dessen Kopf Toretto ist, wird so zu einer Art Familie, deren Schicksal im Kampf gegen einen rücksichtslosen, rein pragmatisch vorgehenden Gegner von Bedeutung bleibt. Es ist entsprechend das Familienmitglied Letty (Michelle Rodriguez), das schon im Originalfilm mit von der Partie war, das Toretto zum Umdenken bringt. Er glaubte, dass seine frühere Freundin tot wäre, aber als Hobbs ihm ein aktuelles Foto von ihr zeigt, dass sie als Mitglied der Verbrecherbande ausweist, steht seine Entscheidung und die seiner Partner fest.
Nicht jeder wird sich mit der Kombination aus schnellen Autos, ganzen Kerlen und schönen Frauen anfreunden können, aber unabhängig davon ist "Fast & Furious 6" bestes Unterhaltungskino Marke Hollywood. Schnell, spannend, witzig und immer mit einem Schuss Pathetik rasen die Protagonisten über die Straße und wenn am Ende die Felge des W140 zu sehen ist - besser bekannt unter dem Zusatznamen "Panzer", den die überdimensionierte S-Klasse der 90er Jahre verliehen bekam - an dessen Steuer Jason Statham sitzt, dann ist der siebte Teil von "The Fast and the Furious" nicht mehr weit (8/10).