Weg vom Autorenn- und Tunerfilm, stattdessen ein Heist Movie mit Karren: „Fast Five“ hatte der Franchise einen neuen Anstrich gegeben und wurde auch überraschend gut aufgenommen. Kein Wunder, dass „Fast & Furious 6“ da an gleicher Stelle weitermacht.
Dominic ‘Dom‘ Toretto (Vin Diesel) und seine neue Flamme Elena (Elsa Pataky), seine Schwester Mia (Jordana Brewster) und ihr Mann Brian (Paul Walker) sowie das Team aus Gisele (Gal Gadot), Han (Sun Kang), Roman (Tyrese Gibson) und Tej (Ludacris) sind alle nach den Geschehnissen des fünften Teils untergetaucht, allein oder in den jeweiligen Partnerkonstellationen, schwerreich, aber als in ihrer Heimat gesuchte Verbrecher. Luke Hobbs (Dwayne ‘ The Rock‘ Johnson) hat mit Riley (Gina Carano) eine neue Partnerin bei der internationalen Verbrechensbekämpfung. Nur Teo und Santos fehlen, ihr Wegbleiben wird mit einem Satz erwähnt, doch vermisst werden sie nicht: Die Hauptattraktion, das waren schon vorher die anderen.
Was diese Crew wieder an den Start bringt, hatte bereits der Cliffhanger am Ende von „Fast Five“ gezeigt: Doms große Liebe Letty (Michelle Rodriguez) ist doch nicht tot, sondern erfreut sich bester Gesundheit – als Teil des Teams von Owen Shaw (Luke Evans). Der dreht mit seiner Crew aus Fahrern, Scharfschützen und Nahkämpfern ganz große Dinger, die ihm eine wertvolle Waffentechnologie beschaffen soll, die er wiederum verkaufen will. Die ganz einfach wie dämlich „Technobombe“ genannte Erfindung bleibt ein mehrteiliger MacGuffin, um den man sich prima käbbeln kann, mehr Bedeutung ist da nicht.
Hobbs wendet sich an Dom, der an den Rest und gemeinsam will man die Bande dingfest machen. Neben dem Heimholen von Letty in die Familie winkt die Begnadigung als Belohnung, doch man muss anstrengen, da Shaw und seine Crew mit allen Wassern gewaschen sind…
Nachdem Teil 4 und 5 große Box-Office-Erfolge waren, ist die „Fast & Furious“-Serie zu einem attraktiven Projekt geworden, was man auch an der Besetzung sieht. Natürlich sind die alten Hasen alle wieder dabei, Vin Diesel als cooles Großmaul und Paul Walker als energischer Jungvater spielen sich die Bälle zu, Ludacris und Tyrese Gibson albern rum, während Sun Kang und Gal Gadot als Verbrecherpaar die wohl emotionalsten Momente des Films haben. Denn Jordana Brewster und Elsa Pataky werden schnell aufs Abstellgleis verfrachtet und nur noch für ein paar Szenen hervorgeholt, während Michelle Rodriguez fast nur als toughe Actionbraut auf Autopilot agieren darf und erst am Ende etwas auftaut. Gina Carano ist vor allem zur Demonstration ihrer aus „Haywire“ und ihrer MMA-Karriere bekannten Kampfkünste da, während Dwayne ‘The Rock‘ Johnson den harten, ach was, unkaputtbaren Hund ohne viel Mimik gibt, aber das mit einigem Charisma. Etwas blass die Schurkenriege: Luke Evans hat Ausstrahlung, aber komplett bedrohlich wirkt er nie, „The Raid“-Fighter Joe Taslim ist auch nur fürs Kloppen da und der Rest der Crew bekommt zwar ein Profil für jedes Teammitglied zugesprochen, kann aber dies nicht groß entwickeln.
Allerdings scheint sich das Team ein wenig auf dem Lob für den Vorgänger ausgeruht zu haben, scheint diesen einfach nur neu zu erzählen und toppen zu wollen, jedoch mit weniger Elan und Sorgfalt, was man dem Film leider schreiberisch anmerkt. Die Plottwists sind oft hanebüchen und aus der Luft gegriffen, mit den Verrätern und vorausgeplanten Schritten der jeweiligen Gegenpartei regelrecht unlogisch, aber Hauptsache überraschend, ganz egal ob nachvollziehbar oder nicht. Im Gegensatz zum Vorgänger macht sich die Überlänge teilweise unangenehm bemerkbar, gerade in den Szenen zwischen den Teammitgliedern, die das Thema der (Ersatz)Familie weiterentwickeln sollen, findet sich einiges an Füllmaterial, das vielleicht irgendwann mal nett gemeint war, aber doch nur schlecht geschrieben wie unnötig daherkommt.
War das Finale von „Fast Five“, in dem die Helden Sach- und unter Umständen (nicht explizit gezeigte) Kollateralschäden unter Zivilisten in Kauf nahmen, schon zwiespältig aufgenommen worden, da bietet „Fast & Furious 6“ gleich das Äquivalent dazu: In einer Actionszene auf Spaniens Straßen kommt gegen Ende ein Panzer zum Einsatz und walzt über diverse entgegenkommende Fahrzeuge einfach hinüber, deren Insassen man hin und wieder flüchten sieht, die es oft aber gar nicht können. Sicher, es sitzen Bösewichte am Steuer, aber wenn die kurz vor der obligatorischen Läuterung stehende Letty ihrem Boss nicht mehr als ein „Ist das wirklich nötig?“ an den Kopf wirft, dann wirkt das doch reichlich zynisch. Da können Dom und Brian zwar betonen, sie müssten die Leute schützen, bei der Begeisterung des Films für das Spektakel und die angerichtete Zerstörung wirken solche Argumente doch nur fadenscheinig.
Und auch sonst kann man moralisch sicher an dem Film herummotzen: Das Frauenbild ist oft rückständig bis sexistisch, Verbrechen wird gut geheißen und beim Barbecue der Hauptfiguren steht kein einziges vegetarisches Hauptgericht auf dem Tisch. Doch bei alledem muss man „Fast & Furious 6“ eines lassen: Er ist unglaublich ehrlich in seiner Dummheit und Prolligkeit. Dauernd platzierte Oneliner schwankender Qualität, übersteigerte Machposen (vor allem durch Hobbs) sowie ironische Brechungen (bei einem Anruf Hobbs‘ steht bei beispielsweise „Samoan Thor“ in Tejs Handydisplay) peppen den Film auf, der gewollt gaga daherkommt und schon bald keinen Zweifel mehr lässt, dass er eher in einen knallig-prolligen Parallelwelt spielt.
Dementsprechend wird die physische Glaubwürdigkeit noch stärker mit Füßen getreten als in jedem Vorgängerfilm, etwa wenn Hobbs aus einem fahrenden Auto auf ein anderes Auto hüpft, das auf einer mehrere Meter tiefer liegenden Straße fährt, dabei genauso wenig verletzt wird wie beim Abschütteln durch den Fahrer und dann noch im Fallen seine Knarre zieht. Bisweilen ist das Ganze zwar zu bunt getrieben, etwa beim Sprung vom Panzer oder dem Finale, das auf der wohl längsten Startbahn der Welt stattfindet, doch dafür haben sich die Macher Gedanken gemacht, was man dem Publikum noch bieten kann: Ein Rennen alter Schule gibt es für die Fans der Ursprungsfilme, bei den Autoszenen kommen als Schanzen fungierende Rennwagen, Panzer und Transportflugzeuge zum Einsatz, hier und da wird ein wenig geballert und für Freunde des Kampfsportkinos gibt es auch ein paar wohl gewählte Martial-Arts-Einlagen: Jah (Joe Taslim) gegen mehrere Gegner, Letty vs. Riley sowie Dom und Hobbs gegen Klaus (Kim Kold), ein überzüchtetes Muskelpaket, neben dem selbst die beiden schmächtig wirken. Der CGI-Einsatz ist merklich, aber es gibt noch genug handgemachte Crashs, Stunts und Fäusteleien und so erweist „Fast & Furious 6“ vor allem actionseitig als spaßiger Dienst am Kunden.
Insofern ist der neueste Teil der Reihe ein zweischneidiges Schwert: Das mit reichlich Füllmaterial und saudummen Plottwists aufwartende Drehbuch ist keine Freude, vor allem wenn es manche Figur gegen Ende recht lieblos herausschreibt, dafür darf man sich über die vertraute Crew und über den Film verteilte, gigantomanisch-exzessive Actionszenen ohne viel Logik, aber mit reichlich Schauwerten freuen. Das unterhält durchaus, doch wenn das Auftauchen von Ian Shaw (Jason Statham) den siebten Teil ankündigt, dann kann man nur hoffen, dass der die Qualitäten von „Fast Five“ wieder mehr berücksichtigt.