Eine weitere Genre-Parodie vom Gespann Wright (Regie, Drehbuch) und Pegg (Drehbuch, Hauptrolle); eine, die wieder zum Beginn ihrer Blood-&-Icecream-Trilogie zurückkehrt und ein Subgenre des phantastischen Films auf sein gesellschaftssatirisches Potential abklopft - nach dem Zombie- nun der Invasionsfilm. Jack Finneys, John Wyndhams und Ira Levins Sci-Fi-Pulp-Romanklassiker "The Body Snatchers" (1954), "The Midwich Cuckoos" (1957) und "The Stepford Wives" (1972) samt ihren zahlreichen, mehr oder weniger direkten Verfilmungen - wobei "Invasion of the Body Snatchers" (1978) am deutlichsten zitiert wird - stehen Pate für eine insgesamt recht clevere Satire im Sci-Fi-Gewand.
In den frühen 90ern haben [Achtung: Spoiler!] fünf befreundete Teenager eine gemeinsame Sauftour durch diverse Pubs in Newton Haven unternommen - das Ziel: 12 Pubs in einer Nacht, das World's End ganz zuletzt. Geklappt hat das nicht; und Gary (Simon Pegg), der einstige Anführer der Gruppe, der schon damals ganz genau wusste, dass das Leben fortan nur noch weniger großartig werden konnte, möchte 20 Jahre später das Vorhaben aus der Jugendzeit vollenden - als etwas abgehalfterter, rebellischer 40jähriger zwischen Midlife-Crisis, Alkohol- und Vergnügungssucht. Die aus den Augen verlorenen und nun frisch zusammengetrommelten Freunde aus der Jugendzeit - Peter, Oliver, Steven & Andy, scheinbar allesamt privat & beruflich erfolgreich - zeigen sich zunächst wenig begeistert von einer erneuten Sauftour in der einstigen Heimatstadt, zumal man von dem etwas unsensiblen und recht verantwortungslosen Gary enttäuscht ist: Andy trägt Gary - wie sich zeigen wird - nach, dass er ihn vor Jahren im Rahmen eines Verkehrsunfalls im Stich gelassen hat, während Steven ihm einen Quickie mit seiner einstigen Jugendliebe Sam vorwirft. Doch letztlich sagen alle zu - teilweise aus Mitleid.
"The World's End" beginnt zunächst als Tragikomödie: Gary ist trotz seines Alters ein Teenager geblieben, der an den üblichen Erwartungen, die an das Leben gestellt werden, verzweifelt... und der in seinem vergnügungssüchtigen Aufbegehren gegen den geregelten Alltag der Pflichten an den unzähligen Widerständen nur zerbrechen kann - ein wenig wie in Penny Marshalls Tom Hanks-Klassiker "Big" (1988) ist der Kind gebliebene Erwachsene eine tragische Gestalt, da sie keine Erwartungshaltung erfüllt. Aber es sind nicht nur diese von außen an einen herangetragenen Erwartungen, sondern auch die eigenen Zielsetzungen, die im Falle eines Scheiterns zum Fluch geraten können: als der gemeinsame Ausflug längst lebensbedrohlich geworden ist, verfolgt Gary noch immer hartnäckig sein großes Ziel, in jedem Pub Alkohol zu trinken - ein Ziel, das ihm soviel bedeutet, wie seinen Freunden deren heile Welt von Familie oder Beruf. Um diese heile Welt, weniger um Beruf und Familie, beneidet Gary seine Freunde, während zumindest bei Steven & Andy das Privatleben keinesfalls sorgenfrei ist: Andys Ehe ist am Zerbrechen, Steven trauert insgeheim noch seiner Jugendliebe nach.
Diese Lebensbedrohung hat ihre Ursache in der zufälligen Entlarvung perfekt getarnter Kunstmenschen während eines Aufenthalts auf der Herrentoilette: nachdem Gary versehentlich einen Teenager im Streit enthauptet hat und daraufhin gemeinsam mit seinen Freunden dessen Kunstmenschen-Identität durchschaut, bewegt man sich fortan möglichst unauffällig und etwas paranoid von Kneipe zu Kneipe - wobei sich die Anzeichen verdichten, dass beinahe die komplette Umgebung aus künstlichen Menschen besteht, welche die - später um Stevens Jugendliebe Sam angereicherte - Fünfergruppe zunehmend skeptischer beäugen und teilweise attackieren. Inmitten dieser bedrohlichen, angespannten Situation greift auch der bislang enthaltsame, Mineralwasser bestellende Andy auf Alkohol zurück. Entsprechend angeheitert setzt man den Weg fort und gerät dabei immer weiter hinter das Geheimnis der Stadt. Am Ende sind Oliver & Peter bereits durch Duplikate ersetzt worden, als Gary, Andy & Steven auf eine körperlose, außerirdische Macht stoßen, welche den Menschen nicht nur die Technik der Telekommunikation geschenkt hat, sondern nun auch eine friedliche, logische Existenz in perfekten, nicht mehr alternden Körpern ermöglichen will - notfalls mit Gewalt: an weltweit 2000 Orten stellen sie perfekte und mit der individuellen Erinnerung ausgestattete Kopien von Menschen her, wenn diese sich nicht bereit erklären, sich an das propagierte Lebensmodell anzupassen. Der Versuch, die angetrunkenen Menschen vom Wert dieses Vorhabens zu überzeugen, scheitert: als Gary auf seine Entscheidungsfreiheit pocht, ziehen sich die Invasoren kurzerhand verärgert zurück und nehmen auch die technischen Errungenschaften wieder mit sich. In der fortan eher chaotischen & archaischen Welt findet schließlich jeder der Freunde sein Glück: Andy kann seine Ehe wieder kitten, Steven lebt mit seiner Jugendliebe zusammen, Oliver & Peter können als (etwas ramponierte) Kunstmenschen ihr altes Leben fortsetzen - während andere überlebende Kunstmenschen ausgestoßen und unterdrückt werden. Und Gary findet sein Lebensziel & - glück darin, mit (Gewalt und) vier überlebenden Duplikaten gegen die Benachteiligung & Unterdrückung durch den Menschen anzukämpfen.
Gewiss ist die Geschichte nicht immer rund ausgefallen: neben einer etwas unausgeglichenen Charakterisierung der fünf oder sechs Hauptfiguren fällt noch die nicht immer glaubwürdige Motivation der Charaktere negativ auf. Positiv ist dagegen anzumerken, dass sich der Film - im Gegensatz zu "Shaun of the Dead" (2004), der damals doch bloß die bereits fest in seinem Subgenre verankerten satirischen Seitenhiebe überdeutlich betonte und als vermeintlich geistreiche, parodistische Bravourstücke darreichte! - dem Körperfresser- & "Stepford Wives"-Motiv auf eine durchaus produktive Weise nähert. Während gar nicht weiter auf die Frage eingegangen wird, inwieweit frühere Identität in den neuen Menschen beibehalten oder ausgelöscht wird, wird das Bild des perfekten (Kunst-)Menschen benutzt, um das Streben nach Perfektion auf eine Art & Weise anzugreifen, die stärker als in anderen Subgenrefilmen mit der Lebensrealität verbunden ist. Die Perfektion war der Science Fiction schon immer unheimlich: In "The Stepford Wives" wird die vermeintlich perfekte Frau als chauvinistisches Ideal der Männerwelt präsentiert, das logische und nicht von Emotionen betroffene Agieren des Emotionen imitierenden Bordcomputers in "2001: A Space Odyssey" (1968) nimmt bedrohliche Züge an, das poesielose & technisch-naturwissenschaftlich ausgerichtete Paris des 20. Jahrhunderts in Jules Vernes "Paris au XXème siècle" (1863/1994) richtet den einfühlsamen Protagonisten zugrunde, wie das für schöne, neue Welten im Bereich der Dystopie üblich ist. Über das Phänomen des Avatars wird im naiven Öko-Märchen "Avatar" (2009) oder stärker in dem - seine Vorlage arg vereinfachenden - "Surrogates" (2009) der Ersatz des natürlichen Körpers zum Moment der Entfremdung. "The World's End" lässt diese bedrohliche Perfektion - die als Perfektion immer nur über das Werturteil des Menschen überhaupt erst präsent ist - ganz bodenständig im Alltag, im Hier und Jetzt wirken: ein etwas kindischer, vielleicht auch einfältiger, wenig zuverlässiger und nicht mal übermäßig sympathischer Charakter bekommt es zu spüren, was es heißt, an auferlegte oder selbsterwählte perfekte Ideale nicht heranzureichen. In seinem Selbstverständnis ist es auch keineswegs der ewig jungbleibende Körper - der ihm von der fremden Macht in Aussicht gestellt wird und dem er dann bloß den Kopf abreißt -, sondern einfach bloß das kindische, unangepasste Verhalten, welches er ungehindert ausleben möchte: ein Verhalten, das sich nicht an Vorstellungen von Karriere, Familiengründung oder Verantwortung orientieren muss und dem damit in dieser Gesellschaft jede Basis fehlt. Ein Verhalten, das er dann allerdings nach dem Beinahe-Weltenende in einer wieder stark zurückgefallenen Zivilisation bestens ausleben kann. Selbst sein ehemals bester Freund Andy kann in dieser neuen alten Weltordnung ohne die vorherigen Probleme seiner Karriere wieder seine ihm so wichtige Frau zurückgewinnen. Die Perfektion gerät zum wenig erstrebenswerten Ideal und im Bild des perfekten Menschen - von Wright als Wesen mit blauem Blut in den Adern und leerem Hohlraum im Kopf gezeichnet - wird das nochmals unterstrichen.
Dabei propagieren Wright und Pegg jedoch kein eigenes, perfektes Gegenmodell: mal erscheint die konventionelle Ehe als idealer Zustand - wie bei Andy, dessen Ehering erst von einem sexy Kunstweibchen verschluckt und wenig später von ihm aus ihrem Leib gerissen wird -, mal das völlig unkonventionelle Verhalten, das den Protagonisten auszeichnet, mal die rückständige Welt der enttechnisierten Zukunft, in der das Idyll eines bäuerlichen Lebens ebenso möglich ist, wie die rebellische Existenz eines Outlaws oder die Unterdrückung und Misshandlung neuer Außenseiter (der ehemals perfekten Kunstmenschen, denen nun wieder die Zuneigung des Films gilt). Nichts wird als neues perfektes Ideal ausgerufen: nicht die Rebellion gegenüber der Anpassung, nicht die impulsive Willkür gegenüber rationaler Vernunft, nicht der Alkohol gegenüber der Nüchternheit, nicht kindlicher Unsinn gegenüber erwachsener, gereifter Sinngebung - bloß die Abwertung dessen, was nicht als perfekt gilt, bleibt aus in "The World's End".[1]
Das Ende von Wrights & Peggs Blood-&-Icecream-Trilogie ist letztlich eine ganze Spur geglückter als ihr ärgerlicher - da grundsätzlich unorigineller - Einstieg, insofern das satirische Potential der Vorbilder nicht bloß übernommen, sondern auch ein bisschen modifiziert wird. Das ist sicherlich die Stärke des Drehbuchs, dessen Schwächen dann leider in den Details zutagetreten. Den Darstellern gelingen dabei hin und wieder ein paar hübsche, humoristische Glanzstücke und das Handwerk ist vollkommen solide.
Schwache 7/10.
1.) Ein anderer Weltuntergangsfilm der letzten Zeit mag in dieser Hinsicht vielleicht in den Sinn kommen... nein, nicht der äußerst spaßige "This Is the End" (2013), mit dem "The World's End" immer wieder verglichen wird - bloß um dann festzustellen, dass beide Filme eigentlich wenig gemeinsam haben -, sondern von Triers "Melancholia" (2011): dieser Film mündete nicht in einen tiefen Einschnitt der Gesellschaftsordnung, nach welchem weniger Technik & Strukturen & Institutionen zugleich auch mit größeren Freiheitsmöglichkeiten einhergehen, sondern gleich im kompletten Weltuntergang, der aber gerade für denjenigen verkraftbar ist, der ohnehin mit sich und der Welt verzweifelt. Inmitten von Sinnkrisen ist die totale Bedrohung des geltenden Sinns nunmal auch äußerst befreiend...