Review

Wer eine der kritischsten, argwöhnischsten und - im positiven Sinn - ganz sicher auch nerdigsten Fangemeinden der Filmgeschichten geschlagene vier Jahre auf neues audiovisuelles Futter warten lässt, der muss schon über eine gehörige Portion Selbstbewusstsein verfügen.
Nun, daran mangelt es „Mystery-Tausendsassa" J.J. Abrams ganz bestimmt nicht. Warum auch. Nach seinem fulminanten Einstand als neues TV-Wunderkind hat er so ganz nebenbei sich bereits gefährlich lange auf dem Abstellgleis befindende Filmserien wie Mission:Impossible (2006) und Star Trek (2009) wiederbelebt. Vor allem letzteres darf bei der oben bereis erwähnten überkritischen Anhängerschaft als Husarenstück gewertet werden. Aber nicht nur die „Trekkies" bejubelten den nicht mehr erwarteten Reboot. Die sich in die unendlichen Weiten der Belanglosigkeit und des Desinteresses abgedriftete Enterprise wieder auf Mainstream-kompatiblen (Erfolgs-)Kurs gebracht zu haben, dürfte dem bereits als Spielberg-Inkarnation endgültig die Türen zum Hollywood-Olymp geöffnet haben.
Ironischerweise hat ihm diese Reputation wohl auch eine weitere Herkulesaufgabe beschert, die seinem Engagement als Star Trek-Retter  diametral entgegenläuft. Denn wenn echte Trekkies außer den Klingonen etwas als wahre Feinde betrachten, dann sind es die Star Wars-Jünger. Es wird interessant sein zu beobachten, wie sich Abrams als Doppelinkarnation von Gene Roddenberry und George Lucas schlägt.

Aber vorher hieß es erst einmal die mühsam wieder flott gemachte Enterprise auf Warp-Geschwindigkeit zu bringen. Und mit diesem Vorhaben schien es Abrams mehr als ernst gewesen zu sein. So ist sein zweites Star Trek-Abenteuer (Star Trek - Into Darkness) zuvorderst ein Hochgeschwindigkeitstrip, der dem Zuschauer über die volle Laufzeit von 130 Minuten kaum Zeit zum Atmen lässt und die bereits im Vorgänger angedeutete Hinwendung zu mehr Action noch mal deutlich ausbaut. Da gibt es Vulkanausbrüche, Terroranschläge, Weltraumschlachten, Verfolgungsjagden per Pedes und per Raumschiff sowie die guten alten Faustkämpfe Mann gegen Mann.
Das ist durchweg prächtig anzusehen - zumal Tricktechnik und Set Design erneut superb ausgefallen sind -, bietet aber eben auch den Protagonisten nur wenig Verschnaufpausen. Und das ist schade, da die im Vorgänger so launig eingeführte Neuauflage der Ur-Crew um Weltraum-Cowboy Captain Kirk und seinen  Mentalitätsantipoden Mr. Spock zu wenig Gelegenheit hat, ihre zwischenmenschlichen Reibereien und gegenseitigen Frotzeleien auszuleben. Zumal die Chemie vor allem innerhalb des Hauptdarsteller-Dreigestirns Kirk, Spock und Dr. McCoy prächtig ist und exakt Ton wie Geist der Originalbesetzung trifft. Chris Pine (Kirk) und Zachary Quinto (Spock) fühlen sich ganz offensichtlich (noch) wohler in ihren Rollen und auch Karl Urban hat De Forest Kellys zänkisch-bissige Dauer-Nörgelei inzwischen perfektioniert.
Während Abrams zumindest diesen Dreien noch die ein oder andere unterhaltsame Redeschlacht gönnt, bleibt für die übrige Crew (Uhura, Chekov, Sulu und Scottie) dann aufgrund des hohen Actiongehalts lediglich die Staffage-Funktion. Fairerweise muss man zugeben, dass dieses Manko auch viele Folgen der TV-Serie betraf und es durchaus Hoffnung geben darf, dass die ein oder andere Figur im nächsten Film wieder etwas mehr zu tun bekommt.

Ordentlich beschäftigt ist dagegen der Bösewicht des Films, meist ein gutes Zeichen für Dramatik und Spannung. Mit seiner eigenwilligen Neuinterpretation des englischen Kulturguts Sherlock Holmes hat Benedict Cumberbatch TV-Publikum wie Kritikerschar nicht nur in der Heimat begeistert, nun zeigt er als abtrünniger Sternenflotten-Offizier John Harrison auch seine diabolische Seite. Es hilft sicherlich, dass Harrison nicht als 08/15-Hollywood Bad Guy konzipiert ist, sondern eine interessante Hintergrundgeschichte verpasst bekommt. Dennoch muss man Bedrohlichkeit bzw. Gefährlichkeit auch erst einmal glaubhaft darstellen und in dieser Hinsicht ist Cumberbatch zweifellos ein Könner.
Ähnlich wie in „Sherlock" mimt er eine durchaus ambivalente Figur, zumindest spielt er lange Zeit gekonnt mit seinen physisch wie intellektuell unterlegenen Gegnern. Die Glaubwürdigkeit eines solchen „Larger-than-life"-Charakters ist umso essentieller, da wieder einmal nichts weniger als der Fortbestand der Sternenflotte und letztlich der Menschheit auf dem Spiel steht. Letztlich - und das machte auch eine Großteil des Charms der Original-TV-Serie aus - gelingt es nur mit vereinten Kräften den ebenso gewitzten wie skrupellosen Gegner zur Strecke zu bringen.

Natürlich gibt es noch andere (auch verstecktere) Reminiszenzen an das betagte Vorbild, schließlich weiß Abrams ganz genau was das Fanherz begehrt und darüber hinaus hatte sich ja die ausgewogene Mischung aus Tradition und Moderne schon beim ersten Versuch bestens bewährt. Diesmal gibt es deutliche Bezüge zum bei vielen Treckies beliebtesten Kinofilm (Star Trek II - Der Zorn des Kahn). Am augenfälligsten wird dies in einer Neuauflage der berühmten Sterbeszene Spocks, wenn auch mit umgekehrter Rollenverteilung. Während jene Szene im Original einer der emotionalsten Momente der gesamten Franchise ist, wirkt sie im neuen Film seltsam deplatziert und lässt einen als Zuschauer völlig unberührt. Das mag zum Teil daran liegen, dass Abrams bisher kaum im Verdacht stand, echte Gefühle bewegend inszenieren zu können. Eindeutig ist hier aber auch die  Grundidee schon wenig sinnig, da man hier zwei Männer am Anfang einer sicherlich langen Filmserie hat und damit der Tode eines Protagonisten völlig abwegig erscheint, während seinerzeit ein dauerhafter Abgang von Spock durchaus möglich schien. Die holprige Wiederbelebung in Star Trek III beweist dieses ursprüngliche Vorhaben der Produzenten.

Glücklicherweise ist dies der einzige dramaturgische Fehlschuss Abrams, der zudem recht schnell in Vergessenheit gerät, da gegen Ende der Actionanteil und die Schauwerte nochmals gehörig hochgeschraubt wurden. Und hier ist der LOST-Mitbegründer dann wieder voll in seinem Element und nährt durchaus die Vorfreude auf einen ähnlich gelagerten dritten Teil. Etwas mehr Focus auf den durchweg sympathischen Figuren würde allerdings einer sicherlich erneut überaus unterhaltsamen SciFi-Achterbahnfahrt keinesfalls schaden. Und das würden ganz bestimmt auch die Star Wars-Fans unterschreiben, schließlich sitzt man ja bald im selben Boot bzw. Raumschiff.

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