"Star Trek" (oder in Deutschland ursprünglich "Raumschiff Enterprise") verfügt über einen wesentlichen "Standortvorteil" in der unendlichen Weite des Kino-Spektakels - die Charaktere seiner Protagonisten sind nicht nur seit Jahrzehnten vertraut, sondern so fein untereinander abgestimmt, dass sie als Team eine komplexe und authentische Gestalt annehmen, die größer und eigenständiger ist als die sich an Klischees orientierenden einzelnen Personen. Dank dieser Konstellation, gelingt es "Star Trek" traumwandlerisch mit allen Gefühlsebenen zu spielen, ohne die Grenzen zum Kitsch oder Pathos unnötig weit zu überschreiten. Deutlich wird das erneut bei der abschließenden Rede Kirks (Chris Pine) vor einem großen Auditorium. Optisch erinnert die Versammlung von Uniformierten an die im us-amerikanischen Film üblichen patriotischen Selbstbeweihräucherungen nach vollzogener Heldentat, aber Kirk leitet nur weiter zu seinem berühmten Logbucheintrag, mit der jede Folge der Ur-Fernsehserie begann, bevor die Titelmelodie erklingt - der krönende Abschluss eines neuen Abenteuers der Enterprise-Besatzung, dass die Erwartungen bestens erfüllen kann.
Schon in der Anfangssequenz gelingt es "Star Trek Into Darkness" seine Betrachter in den Bann zu ziehen, indem gleich das gesamte Konfliktpotential zwischen dem aus dem Bauch heraus agierenden Kirk und dem stets logisch und unemotional urteilenden Spock ausgelotet wird, begleitet von den wesentlichen, die Auseinandersetzung noch verfeinernden Nebendarsteller Uhura (Zoe Saldana), Doktor "Pille" McCoy (Karl Urban), Sulu (John Cho), Chekov (Anton Yelchin) und Chefingenieur Scotty (Simon Pegg). Bei der Rettung von Ureinwohnern eines fremden Planeten, die noch sehr primitive Lebensgewohnheiten haben und von einem aktiven Vulkan bedroht werden, gerät der 1.Offizier Mr. Spock (Zachary Quinto) in Lebensgefahr. Ihm kann nur noch geholfen werden, wenn die Enterprise aus dem Meer, wo sie sich versteckt hält, aufsteigt und ihn an Bord beamt. Doch das ist ihr untersagt, da sie von den Ureinwohnern nicht gesehen werden darf, um nicht in deren Entwicklung einzugreifen. Dem entsprechend scheint der Vulkanier seinen Tod regungslos hinzunehmen, doch Kirk setzt sich über die Regeln der Raumfahrtbehörde hinweg und rettet ihn, was ihm von Spock trotz des Dankes für seine Rettung kein Lob einbringt.
Im Gegenteil bekommt Kirk mit seinen Vorgesetzten Ärger, da Spock die Vorkommnisse wahrheitsgemäß protokolliert hatte. Selbst Admiral Pike (Bruce Greenwood), der ihm wohlwollend gegenübersteht, kann nicht verhindern, dass Kirk das Kommando der Enterprise verliert und degradiert wird. Doch dieser Zustand hält nicht lange vor, denn ein seltsamer Mann rettet das Kind eines Mitarbeiters der Weltraumbehörde vor dem Tod, woraufhin sich dieser als Gegenleistung in die Luft sprengt und damit eine wichtige Spezialabteilung zerstört, dabei eine große Anzahl Menschen mit in den Tod reißend. Regisseur J.J.Abrams inszeniert diese Szene mit kühler Präzision wie auch den folgenden Angriff auf das Hauptquartier der Weltraumbehörde, bei dem Pike getötet wird.
Mit dieser in wenigen Minuten entwickelten Ausgangssituation sind alle wesentlichen Elemente des "Star Trek" Universums gesetzt - ein wütender Kirk, der mit der Enterprise Vergeltung üben will, ein Mr. Spock, der seiner ungesetzlichen Vorgehensweise widerspricht, eine enttäuschte Uhura, die ihrem Freund Spock die kalte Schulter zeigt, weil er kurz vor seinem möglichen Tod nicht an sie gedacht hatte, Doc McCoy als wie immer warnende Institution und Scotty, der spontan seinen Dienst quittiert, weil er den von Admiral Marcus (Peter Weller) befehligten Angriff auf den Attentäter John Harrison (Benedict Cumberbatch), selbst früher Mitarbeiter der Weltraumbehörde, mit dafür speziell entwickelten Waffen nicht unterstützen will. Harrison hat sich auf Kronos versteckt, dem Heimatplaneten der Klingonen, die jedes Eindringen der Sternenflotte in ihr Territorium als Provokation werten würden. Zudem kommt mit Dr.Carol Wallace (Alice Eve) ein neues Crew-Mitglied an Bord, deren Funktion keinen Sinn ergibt, da Spock ihre Aufgaben schon erfüllt. Schon bald kommt er Ungereimtheiten auf die Spur.
So überraschend sich das Zusammenspiel der Protagonisten entwickelt, so unwägbar bleibt das weitere Geschehen. Anders als der erste Teil des Star-Trek-Prequels, ist die Handlung ernsthafter - selbst Scotty leistet sich nur wenige ironische Momente - und berührt trotz ihres Unterhaltungscharakters kontroverse Themen, die keine klare Zuordnung in "Gut" und "Böse" zulassen. Obwohl kaum ein Wort fällt in der Szene, die zu dem Bombenanschlag führt, wird die Ambivalenz in den Gesichtern der Beteiligten sichtbar: Leben und Tod, Rettung und Bedrohung sind sich in diesem Augenblick so nah wie die Gegenspieler Admiral Marcus und der geheimnisvolle John Harrison, die beide Extreme gleichzeitig in sich tragen.
Obwohl kein Zweifel daran bestehen kann, das die wichtigsten Figuren überleben werden, gelingen dem Film einige äußerst spannende Cliff-Hanger und waghalsige Action-Momente, weshalb jederzeit die Balance zwischen klassischem Block-Buster-Kino, einer intelligenten und differenzierten SciFi-Story und der Reminiszenz an die vertrauten Charaktere gelingt - auch für "Nicht-Trekkies" ein großes Vergnügen. (9/10).