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Jeder kennt sie - die Angst vor der Dunkelheit. Das argwöhnische Beobachten jedes Schattens, das furchtsame Lauschen auf jedes Geräusch, das schleichende, mit jeder Sinneswahrnehmung langsam bis zur panischen Überzeugung anwachsende Gefühl, dass dort etwas in der Dunkelheit auf uns lauert. Was, wenn es keine Einbildung eines hilflosen, weil in der Dunkelheit seines wichtigsten Sinnes, des Sehens, beraubten Wesens wäre, sondern die Wirklichkeit? Was, wenn wirklich irgendwer, oder irgendwas, in der Dunkelheit darauf lauern würde, uns zu holen? Wir nicht wüssten, wer oder was dieses Etwas ist, woher es kommt, wie es hierher kommt und warum es hinter uns her ist - es aber tatsächlich da ist und uns holen will?

Es bedarf wohl nicht allzu viel Fantasie und Gespür für das Unheimliche, um sich ausmalen zu können, welches Potenzial für einen wirklich spannenden, verängstigenden und verstörenden Horrorfilm in der oben ausgeschmückten Idee liegt. Eine markerschütternde Kostprobe davon bieten Brendan Hood (Buch) und Robert Harmon und Rick Bota (Regie) in der Eröffnungssequenz ihres Werkes “They - Sie kommen”, die in düsteren Bildern und mit völlig unspektakulären, geradezu konventionellen, aber höchst effektiven Mitteln die Angst einflößende Geschichte des knapp sechsjährigen Billy erzählt, der die grauenhafte Erfahrung machen muss, dass sich da etwas im Dunkel seines Kinderzimmers verborgen hält, das gekommen ist, um ihn zu holen.

Leider verlieren Hood, Harmon und Bota nach der brillanten, nervenzerfetzenden Eröffnungssequenz, und somit mit Beginn der eigentlichen Handlung, aber das Vertrauen in ihre eigene Idee, und versauen den Film in der Folge ebenso konsequent wie restlos.

Zwar halten sie an der raffinierten, den Zuschauer quälenden Idee fest, völlig im Dunklen zu lassen, wer oder was die die Protagonisten jagenden Wesen sind, woher sie kommen, wie sie von wo sie kommen in die Wirklichkeit der Filmhandlung gelangen und was mit den von ihnen geholten Menschen geschieht, aber darüber hinaus haben sie nur wenig mit psychologischen Stilmitteln im Sinn, sondern bauen die Dramaturgie des Films lieber nahezu vollen Umfanges auf lächerliche Effekte und jämmerliche Actionsequenzen auf.

Die den Protagonisten, einer Gruppe von Mittzwanzigern um Psychologiestudentin Julia (Laura Regan), in der Dunkelheit auflauernden Wesen erinnern mehr oder weniger stark an das von dem schweizerischen Künstler Hans Rüdi Giger entworfene “Alien”, wie in Ridley Scotts erstem Teil der Saga sieht man sie jeweils nur kurz, und stets nur im Dunkel oder Halbdunkel, und wie in James Camerons Sequel treten sie bevorzugt in größerer Zahl auf, weniger gerne des Nachts, in Schlafzimmern, unter Betten und in Schränken, lieber manipulieren sie die Beleuchtung in Schwimmbädern, die Sprinkleranlagen und Lastenaufzüge in Loftwohnungen, und liefern sich wüste Verfolgungsjagden mit ihren Opfern. Rechte Spannung oder eine bedrohliche Atmosphäre kommt weder dabei auf, noch während des dämlichen Showdowns, der daraus besteht, dass Heldin Julia, durch Einnahme eines Beruhigungsmittels in ihren motorischen Fähigkeiten eingeschränkt, durch eine U-Bahn-Anlage tappst, in welcher sie von den Wesen, die - natürlich! - auch Fallgitter manipulieren können, eingesperrt wurde.

Interessant sind nach der herausragenden Eingangssequenz eigentlich nur noch zwei weitere Momente, in denen Julias verzweifelter physischer Kampf gegen die Wesen so plötzlich in eine ihr Sicherheit bietende Situation umschlägt, dass der Zuschauer für einen Augenblick den Verdacht hegen könnte, der Angriff habe sich nur in Julias Kopf abgespielt - aber weder für eine psychologische Deutung der Ereignisse, noch für eine Auflösung der Grenzen zwischen Alptraum und Realität, wie etwa in den “Nightmare on Elmstreet”-Filmen oder John Carpenters “In the Mouth of Madness” (dt.: “Die Mächte des Wahnsinns”) gibt es greifbare Anzeichen, dem Autor und den Regisseuren geht es in erster Linie nur um Action und Effekte, nicht um die Psyche der Figuren.

Was umso ärgerlicher ist angesichts des überzeugenden, authentischen und eindringlichen Spiels der unbekannten jungen Darstellerinnen und Darsteller. Es ist ein Katzenjammer, dass Laura Regans (Julia) verzweifeltes Ringen um ihren Verstand als angehende Psychologin, gegen wachsende Hysterie und Paranoia, Ethan Embrys (Sam) fatalistische Lethargie angesichts des Unvermeidlichen, Dagmara Dominczyks (Terry) Flucht in nervöse Ignoranz und Verleugnung der Geschehnisse um sie herum, und Jon Abrahams’ (Billy) völlige Zerfressenheit von und Lähmung vor panischer Angst, die ihm nur den Selbstmord als Ausweg erscheinen lässt, letztlich nicht mehr als schmückendes Beiwerk in einem faden, oberflächlichen Action- und Effektspektakel sind. Einzig Marc Blucas’ steife und hölzerne Vorstellung als Julias Freund Paul passt gut in diesen in der Gesamtschau seelenlosen Film, ansonsten hätte sich aus der Idee und mit dieser überraschend starken Besetzung ein fesselndes und beklemmendes Juwel des Horrorkinos machen lassen.

So ist “They - Sie kommen” aber nur ein insgesamt langweiliger Verschnitt aus Action- und unausgegorenen Mystery-Elementen. Dass sein Ende in der Tendenz voraussehbar ist, wäre auf Grund der Thematik zwar auch bei einer auf Figurenpsychologie und echten Suspense ausgerichteten Umsetzung wohl unvermeidbar, doch würde dann die Schlusseinstellung ein nervlich und seelisch ausgelaugtes Publikum noch einmal wirklich erschüttern, und nicht nur wie ein ironischer Gruß an die Fans der TV-Serien “Outer Limits” und “Twilight Zone” daherkommen.

Auf das Minimum von einem Punkt kann ich nur für die gelungene Eröffnungssequenz und die grandiosen Darstellerleistungen jeweils einen Punkt aufschlagen, und komme zu einem Gesamtergebnis von 3/10, womit der Film keinesfalls zu schlecht wegkommt.

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