kurz angerissen*
Unwirkliches hinter dem schleiernen Vorhang des Nebels – davor ein malerisches, aber dennoch mit fotorealistischem Strich gezeichnetes Viertel der Hafenstadt Le Havre, in der ein Melodram in kürzester Zeit aufblüht und wieder eingeht, dabei aber in erster Linie individuelle Schicksale tangiert. Jean Gabin taucht unvermittelt in dieser Geschichte auf, plötzlich erfasst vom Scheinwerfer auf der nächtlichen Straße. Vermeintliche Zufälle verstricken ihn in eine Liebesgeschichte, die Carné jedoch stets zuverlässig zur Poesie ausarbeitet, welche sich immer wieder über den Ausgleich der Verhältnisse definiert. Handlungen ziehen unweigerlich Konsequenzen nach sich – den gegen dieses geltende Naturgesetz anstrampelnden Drang zur Entfaltung des individuellen Glücksstrebens fängt „Hafen im Nebel“ mit traumwandlerischer Sicherheit ein.
So sieht der Zuschauer augenblicklich den Tod, wenn er erstmals Michèle Morgan unvermittelt in der Hinterstube einer Hafenkneipe begegnet. Sie steht da in einen durchsichtigen Regenmantel geschmiegt, melancholisch aufs Meer schauend, und der tragische Ausgang ist für (fast) alle Beteiligten besiegelt.
Ein darüber hinaus vortrefflich fotogtafiertes Werk, das unzählige Details in seinen Kompositionen verbirgt, ebenso wie in seinen eher sparsamen Dialogen, die sich vordergründig meist um Banalitäten wie Tischmanieren oder Musikgeschmäcker drehen, darin aber Tiefergehendes zum Wesen der Sprechenden verraten. Und manchmal, in Kernzeilen, da wird der Poetische Realismus regelrecht ausbuchstabiert – oder ist die Selbstbeschreibung des lebensmüden Künstlers nicht etwa seine treffgenaue Definition?
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