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Es klingelt an der Tür. Saxofonist Fred Madison hört über die Gegensprechanlage folgende Nachricht: „David Laurant ist tot“. Wenig später bekommen er und seine Frau Renee Videokassetten vor die Haustür gelegt. Auf der Kassette ist nichts weiter zu sehen als eine sekundenkurze Aufnahme von ihrem Haus. Kurz darauf liegt Video Nummer Zwei vor der Tür, die diesmal das Paar beim Schlafen zeigt. Jemand muß in ihr Haus eingedrungen sein. Und dann ist da noch dieser mysteriöse Fremde, der Fred an der Party verklickert, er würde sich in dem selben Moment, in dem er gerade mit Fred spricht, sich auch in dessen Haus befinden, und beweist dies haarsträubender Weise auch noch mit einem Telefongespräch in Freds Wohnung. Nachdem das dritte Video plötzlich Fred inmitten seiner zerstückelten Frau zeigt, wird der anscheinend Unschuldige auch sofort zum Tode verurteilt. Doch in der Todeszelle mutiert er zum naiven Kfz-Mechaniker Pete, der durch seine diffusen Verbindungen zu Gangsterboß Mr. Eddie die Blondine Alice kennenlernt, die Renee verblüffend ähnlich sieht. Als er mit ihr ein Verhältnis anfängt, trägt er sich selbst auf der Abschußliste des Mr. Eddie ein. Doch dann taucht der Fremde wieder auf...

Und was sagt uns das alles? Um was geht es bei Lost Highway? Mit Sicherheit um zwei verschiedene Realitätsebenen, oder um eine Zweigeteiltheit von dem, was unser Protagonist Fred als Realität betrachtet. Schließlich sagt er selbst an einer Stelle des Films, daß er sich auf seine ganz eigene Art und Weise an Dinge erinnert. Ist Fred vielleicht ein irrer, dessen verwirrte Gedanken wir sahen? Fred selbst schottet sich da auch durch seinen Proberaum, der schalldicht ist, von der Realität ab, und widmet sich der Musik. Oder ist der Protagonist Pete? Aber warum hat Fred eigentlich seine Frau umgebracht? Gab es dazu einen Grund?

Dann sollte man noch bedenken, daß zum Beispiel Fred und Pete, Renee und Alice zwar die selben Personen sind, aber völlig unterschiedliche Persönlichkeiten, Charaktere sind. Beide haben unterschiedliche Erinnerungen, unterschiedliche Vergangenheiten – aber eine gemeinsame Zukunft.

Doch letztlich sind sämtliche Spekulationen über eine mögliche Abhandlung über Schizophrenie oder multiplen Persönlichkeiten, genauso wie über oben genannten Themen, müßig, denn das Ende, in dem sich der Kreis zum Beginn des Filmes schließt, wird der Film endgültig irre und absolut krank.

Mit diesem schockierenden Meisterwerk drehte Lynch einen der intensivsten Filme. Und es ist ganz gut so, daß Lynch seine Botschaft in derart kryptischen Geschichten und Zeitenabfolgen bettete, denn so gewinnt sein Horror. Auch ein Zaubertrick fasziniert erst dann, wenn man nicht weiß, was dahintersteckt, und so steckt die Magie von Lost Highway in dem Ungewissen. Vermutlich wird nie ein Filmkritiker, ein Analytiker oder ein normaler Zuschauer entschlüsseln können, um was Lynch es bei seinem Film ging. Was bleibt, sind hypnotische Bilder, ein wummernder Soundtrack und eine sog-artige Story.

Abschließend ist zu sagen, daß Lost Highway ganz typisch Lynch ist. Karge, aber wahnsinnig gut bebilderte Kamerafahrten erzählen eine Story auf ihre eigene Weise, die einer ebenfalls völlig eigenen Logik folgt. Und um was es geht weiß vermutlich der Regisseur allein. Oberflächlich geht es bei der Geschichte um Gewalt, Sex und Tod. Und so gliedert sich Lost Highway auch hervorragend in die Reihe von Filmen ein, die Lynch seine Todestrilogie, bestehend aus "Blue Velvet", "Wild at Heart – Die Geschichte von Sailor und Lula" und eben diesem Werk, nennt.

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