Dass das asiatische Gangsterkino seinem Hollywood-Pendant längst den Rang abgelaufen hat, ist spätestens mit Martin Scorseses „Departed" deutlich geworden. Den einstigen Genre-Großmeister ausgerechnet für ein Remake in seiner Königsdisziplin mit dem Oscar auszuzeichnen, kann man sehr wohl als schwachbrüstige Kapitulation deuten. Diese selbst eingestandene Niederlage ist zudem eine totale, ist doch das Original „Infernal Affairs" auch noch der bessere Film.
Der südkoreanische Regisseur Park Hoon-jeong ist dagegen nach eigenem Bekunden ein großer Bewunderer der klassischen amerikanischen Gangsterepen und muss dabei zwangsläufig tief in die Historienkiste greifen um seinen Favoriten (Coppolas „Der Pate") zu benennen. Als Drehbuchautor des zynisch-brutalen Thrillers „I saw the devil" hat er bereits die zutiefst beunruhigende Grauzone zwischen Gut und Böse auf abgründig-düstere Art ausgelotet. Dieses Anliegen durchzieht auch seine zweite Regiearbeit „New World" wie ein (blutig) roter Faden.
Ausgangspunkt für dieses desillusionierende Gangsterdrama ist die finanzkräftige und einflussreiche Firma „Goldmoon", die lediglich als Deckmantel für die Machenschaften eines großen Verbrechersyndikats dient. Nach dem plötzlichen Unfalltod des Firmenchefs entbrennt ein gnadenloser Konkurrenzkampf unter seinen verfeindeten Epigonen. Der aalglatte, nach außen stets beherrschte Joong-goo (Park Seong-woong) gilt als leicht favorisiert gegenüber dem impulsiven und unberechenbaren Jeong Cheong (Hwang Jeong-min), zumal letzterer auch noch chinesischer Abstammung ist.
Was die ohnehin angespannte Situation entscheidend verschärft und letztlich in einen kaum kontrollierbaren Strudel aus Misstrauen, Verrat und Gewalt treibt, ist das Eingreifen der Polizei in die Nachfolgeregelung. Der leitende Detective Kang (Choi Min-sik) hat einen raffinierten Plan ausgearbeitet, um eine den Behörden genehme Marionette zu inthronisieren. Eine entscheidende Rolle dabei spielt der vor Jahren eingeschleuste Maulwurf Ja-seong (Lee Jeong-jae), der als rechte Hand und engster Vertrauter Jeong Cheongs eine Schlüsselposition inne hat. Der eigentlich auf Ablösung hoffende Ja-seong wird so zum Spielball der verschiedenen Interessengruppen und weiß bald nicht mehr auf welcher Seite er eigentlich steht ...
Die eigentliche Handlung orientiert sich also nicht nur an der Corleone-Saga, sondern weist auch einige Parallelen zum modernen asiatischen Referenzwerk „Infernal Affairs" auf. Mag man Regisseur und Autor hier noch mangelnde Originalität vorwerfen, der fertige Film indes wirkt wie aus einem Guss.
Von Beginn an gehen Bildsprache (blaue Frabfilter und kühl-stylische Sets) und Musik (mal melancholisch, mal treibend) eine durch und durch stimmige Symbiose ein, die gekonnt eine dichte, unheilverkündende und beunruhigende Atmosphäre schafft. Die Kameraführung wirkt ruhig und beherrscht, quasi ein neutraler Beobachter des zunehmend abgründigen und unübersichtlichen Geschehens. Ohne die in Hollywood dazu gern benötigten lauten Töne oder bewusst drapierten Schockmomente gelingt es Park Hoon-jeong die Spannungsschraube so geschickt wie effektiv anzuziehen und auf ein fiebrig-knisterndes Finale zuzusteuern. Das ist großes Kino ganz ohne Brimborium und Getöse.
Das Hauptdarstellertrio fügt sich hier nahtlos ein. Die drei völlig unterschiedlichen Charaktere spiegeln sich vor allem in den Gesichtern der Schauspieler, die allein mit ihrer Mimik so extreme Emotionen wie Trauer, Wut, Hilflosigkeit und Resignation transportieren. Alle machen zudem eine Entwicklung durch, die man ihnen entweder nicht zugetraut, oder so nicht erwartet hätte. Obwohl keiner von ihnen - auch nicht der Polizist Kang - zur Identifikation taugt, oder gar sympathisch ist, folgt man ihrem selbstzerstörerischen und machiavellistischen Treiben fasziniert bis zum Ende. Die Gewalttätigkeit des Ganzen offenbart sich dann auch in erster Linie durch die Taten und Entscheidungen der handelnden Figuren. Dazu ist weder pausenlose Action, noch explizite optische Drastik nötig. Park Hoon-Jeong zeigt meist nur das Ergebnis physischer Brutalität und vor allem die Auswirkungen auf die „lediglich" emotional Betroffenen und erzielt damit dank seiner starken Darsteller eine umso eindringlichere Wirkung.
„New World - Zwischen den Fronten" ist damit ein Paradebeispiel für die momentane (Vormacht-)Position des modernen asiatischen Gangsterkinos. Audio-visuell stimmig, narrativ-dramaturgisch gekonnt und darstellerisch versiert, drängt sich der Vergleich zu einem guten Tropfen Wein auf, der wohl temperiert, vollmundig im Geschmack und perfekt im Abgang aus allen Poren Qualität verströmt. In Kalifornien werden ja inzwischen auch sehr gute Weine hergestellt, wobei man keine Scheu zeigte sich jenseits des großen Teichs inspirieren zu lassen. Wird Zeit, dass sich der bekannteste Industriezweig des Sonnen-Staates im Bezug auf den Gangsterfilm auch mal wieder an überseeischem Know-How orientiert.