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In das Gedächtnis des normalen deutschen Filmfans haben sich koreanische (Gangster)filme nicht in großer Menge eingebrannt. Nur wenige wie OLDBOY schaffen es größere Aufmerksamkeit zu erlangen. Dabei stimmen oft sowohl die Geschichten als auch die blutige, aber auch hochwertige Inszenierung mit gezieltem Reiz der visuellen Komponente und düsterer Atmosphäre. Auch NEW WORLD - ZWISCHEN DEN FRONTEN beginnt mit einer blutigen Folter und die Einheit von Bild und Ton, die ruhigen Kamerafahrten und spätere Zeitlupen geben gleich eine spezielle und hochwertige Duftmarke ab. Charakterliche Tiefe, Nichtberechenbarkeit, Gefährlichkeit beschreiben zynischerweise keine wirklich neue Welt, sondern eine Welt des tiefen Misstrauens.

Farbfilter in Richtung Blau und atemberaubende Sets die durcharrangiert bis ins letzte Staubkörnchen wirken, agieren zusammen mit einem fast epischen Arrangement der Bildkomposition. Inhaltlich geht es in NEW WORLD um die Nachfolge in einem Syndikat und mehrere Nachfolger kämpfen um seinen Platz ohne Skrupel. Die Polizei ist bestens durch einen Maulwurf über die Entwicklungen informiert, aber je mehr er über die Wahrheit weiß, umso gefährlicher wird sein Auftrag…Polizeichef Kang wird von Choi Min-sik sehr intensiv verkörpert, man kennt ihn noch aus dem erschütternden OLDBOY, aber auch den späteren LADY VENGEANCE und dem kongenialen I SAW THE DEVIL.

OLDBOY hat damals auch einige Freunde von den Stärken asiatischer Filme überzeugt. Anfang Dezember diesen Jahres kommt übrigens ein OLDBOY Remake von Spike Lee in die deutschen Kinos. NEW WORLD Regisseur Park Hoon-jeong war übrigens auch für das Drehbuch von I SAW THE DEVIL verantwortlich. Choreografie spielt eine große Rolle in NEW WORLD und immer wieder sind es ganz Gruppen von Männern, die in den Szenen Aufstellungen manchmal symmetrischer Art wie im Theater vornehmen und somit durch ihre sehr gleichartige Kleidung bewusst und extrem uniform wirken. Choreographiert sind vor allem auch die Gewaltspitzen von denen es zwar nicht viele gibt, die aber in Form einer Schlägerei oder Messerstecherei schon ihre grafische Visitenkarte hinterlassen. Allein wie eine entsprechende Szene im Aufzug durch seine Kameraeinstellungen gestaltet ist bestechend.

Choi Min-sik spielt wie erwartet auf hohem Niveau. Schauspielerisch herausheben möchte ich Hwang Jeong-min, der sich als Jeong Cheong deutlich aus der Masse erbebt und klare nach außen gerichtete Charakterzüge zum Zuschauer zu transportieren vermag. Dennoch war ein Problem auch anfangs sehr schnell absehbar in Form des Nichtvorhandenseins eines traditionellen Sympathieträgers, und somit weiß der Zuschauer nicht, mit wem er sich gegebenenfalls identifizieren soll. Jeong Cheong mag durch sein amüsantes extrovertiertes Auftreten dafür noch am ehesten geeignet sein. Für nicht Asiafilm-erfahrene Seher kommt in NEW WORLD die vielgeschmähte und überbewertete Form des Overactings etwas wieder zum Tragen.

Diese ist in subtiler Form vorhanden, kommt aber immer dann zum Vorschein, wenn in den heiteren Szenen das Verhalten einiger Darsteller einfach "over-the-top" ist und z.B. einfach mal Mitfahrende im Auto mit dem Fuß an den Kopf getreten werden während sie übel beschimpft werden. Was der Laie hiermit auch verknüpft und gewöhnungsbedürftig ist, sind die Höflichkeitsformen des braven Verbeugens an vielen Stellen. Generell empfinde ich die etwas klamaukartigen Stellen in NEW WORLD als zu häufig und sie lenken kurzzeitig etwas von dem eigentlich sehr ernsten und fast düsteren Ton ab. Doch das sind subjektive Kleinigkeiten und NEW WORLD ist bestes koreanisches Gangsterkino und soll eine große Empfehlung bekommen.

7/10 Punkten

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