Deutscher TV-Krimi 2013 RELOADED!
Ferdinand von Schirach wurde spätestens durch das gleichnamige Buch VERBRECHEN: STORIES bekannt, welches nicht nur unter Juristen gerne gelesene Lektüre ist. Die TV-Serie kann natürlich nur versuchen entsprechende Fälle in ein adäquates filmisches Gewand zu packen. Was fehlt, ist natürlich das Salz in Suppe der Von Schirach'schen Kommentierungen vom Buch der moralischen, juristischen oder sonstigen Randbedingungen.
Und man stellt erneut fest, dass ein Buch eben ein Buch mit all seinen Facetten ist, und ein Film nur eine Auswahl von Bildern, die weit unter unseren eigenen Phantasiemöglichkeiten liegen. Deshalb soll fairerweise die Serie hier unabhängig vom Buch und im Vergleich mit anderen TV-Serien und auch nicht mit aufwendig produzierten internationalen Kino-Thrillern bewertet werden.
Aber das Niveau der 6 Folgen ist in diesem Vergleich mit Abweichungen recht hoch, alle leben von der Offenheit in Bezug auf explizite Darstellungen aller Art und es wird oft eben nicht weggeblendet und auch die Kameraführung und die Bildausschnitte sind hochwertig. Josef Bierbichler als Anwalt überzeugt durch seine trockene Art nach einiger Anlaufzeit vollends. Die Teile variieren von harter Thriller-Kost, über Dramen mit juristischem Hintergrund bis hin zu komödiantischen Beiträgen.
Mit der Serie haben wir nun spätestens den deutschen TV-Krimi Muff der letzten Jahrzehnte hinter uns gelassen. Trotz der unterschiedlicher dramaturgischer Reife und darstellerischem Niveau der einzelnen Teile können wir uns nun langsam trauen, auf Augenhöhe mit den französischen und nordischen Nachbarn aufzutreten. Hier eine kurze Übersicht über die 6 Teile im Einzelnen:
Teil 1: FÄHNER
Die Geschichte des Arztes und seiner Ehefrau, die sich im Laufe der Ehe als psychopathisch entwickelt, lebt von den leisen Tönen der Rückblenden und den dann umso gewaltigeren eruptiven Szenen. Man kennt das Ende der Entwicklung da dies am Anfang steht, dennoch ist die Spannung des "wie" und "warum" groß und der Beitrag lebt von den hervorragenden und intensiven schauspielerischen Leistungen. Das Schlussplädoyer des Anwalts ist für mich der Höhepunkt dieses Teils. Mit mich ist dies der stärkste Teil der Serie.
Teil 2: TANATAS TEESCHALE
Die Geschichte der 3 Kleinkriminellen die unwissentlich wertvolle japanische Kunst entwenden ist vielleicht der schwächste der Serie. Gefühlt besteht dieser Teil aus mehr als 50% "Eh, Alter…-Dialogen", Streitereien und Sprüchen zwischen den Ganoven und sonstigem Geschrei. Man freut sich immer über die kurzen Szenen mit dem Japaner und die damit verbundene Ruhe. So wirkt dieser Teil etwas der Story geschuldet und überhastet.
Teil 3: GRÜN
Hier geht es warum es das Hobby eines Mannes ist Schafe bestialisch zu ermorden. Insbesondere wird der Verdacht deutlich, dass er dies auch mit Menschen macht. Fragen nach psychotischen Ursprüngen werden erfolgreich gestellt und Bierbichler hat wieder relativ viel screentime. Der junge Mann versteht es exzellent die Zerrissenheit der Person und seine mentalen Abgründe darzustellen.
Teil 4: DER IGEL
Im vierten Teil wird ein Libanese der schon auffällig geworden ist auf zweifelsfreier Basis vor Gericht gebracht, betraft und hinter Gittern gebracht. Alles scheint glatt und logisch abzulaufen bis einer seiner Brüder eine unerwartete Aussage macht. Alle Darsteller agieren glaubwürdig und auf hohem Niveau. Die Wendung ist geschickt dramaturgisch aufgebaut und man fiebert dem Ausgang dieses Teils zu.
Teil 5: SUMMERTIME
Der Mord an einer Frau im Hotel fällt sofort auf einen Mann der sich mit ihr treffen wollte. Mit einer Überwachungskamera könnte alles aufgeklärt werden wenn…ja wenn die Sommerzeitumstellung nicht dazwischen gekommen wäre. Somit beginnt ein spannendes Spiel von Indizien und Motiven an dem Bierbichler wieder schön beteiligt ist.
Teil 6: NOTWEHR
Hier gibt es einen anonymen Überfall zweier Männer auf einen weiteren der sich aber zum Glück mit Waffen wehren kann und die Männer töten kann. Alles sieht nach Notwehr aus, aber genauere Untersuchungen zeigen Auffälligkeiten und mögliche Geheimnisse bei dem Überfallenen. Auch hier wird eine Story langsam und Stück für Stück aufgebaut und dann die Teile mittels erfahrenen Darstellern neu zusammengesetzt.
7/10 Punkten