Eigentlich hat Gerd Dudenhöffer eine Figur wie Jacques Tati, und selbst seine tolpatschigen Bewegungsabläufe erinnern hier und da an den legendären französischen Komiker. Jedenfalls wäre Dudenhöffer als Darsteller für ein Tati-Biopic meine erste Wahl.
Ist Tatis Filmfigur Hulot jedoch ein liebenswürdiger, extrem höflicher und permanent mit dem realen Leben überforderter Charakter, so teilt Dudenhöffers Heinz Becker mit jenem nur das letztere, besonders beim Kampf mit der Tücke des Objekts. Bringt sich Hulot immer wieder in Peinlichkeiten, weil er Probleme vermeiden will oder versucht, die von ihm auch so empfundenen Peinlichkeiten wiedergutzumachen, so ist Heinz Becker letztlich nichts peinlich, und häufig bemerkt er nicht einmal nachträglich die Fettnäpfchen, in die er getreten ist. Falls doch, genügt statt einer Entschuldigung ein „Och...“ oder „Ahjafff....“ – nur bloß keine Zugeständnisse machen. Weist man den bierabhängigen Choleriker auf einen seiner üblichen Denkfehler hin, überspielt er diesen sofort mit einem herzhaften „Jooo, äh nee, jo is klar...“, nur um anschließend mit einem mangels ausreichendem Vokabular gestenreichen und grandios scheiternden Erklärungsversuch die Angelegenheit noch eine Nummer peinlicher zu gestalten.
In punkto Spießertum und Stammtischweisheiten kann Fußball-Fan Heinz („Weeß du, wie Laudere gespielt hat?“) es locker mit „Ekel Alfred“ aus „Ein Herz und eine Seele“ aufnehmen, allerdings fehlen ihm Alfreds Fähigkeiten zur Artikulation, und es scheint auch, daß Alfred Tetzlaff Heinz Becker ein paar Körner Grips voraus hat. Die Figurenkonstellation des Beckerschen Universums entspricht bis auf die Tochter – Beckers haben einen Sohn - jener des Tetzlaffschen, allerdings ist die Rolle der Ehefrau bei Dudenhöffer deutlich anders angelegt. Als Kontrapunkt zum klein geratenen Mucker Alfred paßt die keifige, sich immer wieder zur Wehr setzende Else natürlich bestens, während Heinzens Hilde mit ihrer dümmlichen Unterwürfigkeit über Haushaltsfragen selten hinaus denken kann und ihrem großgewachsenen, autoritären Gatten („Herrgottdunnerkeilnochemol!!!“) meist treudoof folgt. Die Rollen der (Schwieger-)Söhne sind als intelligentere Gegenparts zu ihren Vätern wiederum durchaus ähnlich.
Während sich „Ein Herz und eine Seele“ jedoch klar politisch-zeitgeistig verstand und daher eher Kabarett mit Comedy-Zügen ist, enthält sich Dudenhöffer bis auf ein paar Einsprengsel allzu deutlicher tagespolitischer Kommentare – zu denen Heinz Becker aus notorischem Desinteresse ohnehin kaum fähig wäre - und begnügt sich mit dem Komödiantischen (will man Heinz Becker häufiger als politischen Kommentator hören, muß man auf Dudenhöffers Solo-Programme zurückgreifen).
So sind die Hauptzutaten der „Familie Heinz Becker“-Staffeln neben dem Saarländer Dialekt Sitcom-Elemente, Slapstick-Einlagen und jede Menge Wortwitz, wobei letzteres die eigentliche Stärke ausmacht. Zu den besten Serienfolgen zählen folglich diejenigen, die in Sachen Location und Slapstick eher minmalistisch daherkommen und hauptsächlich auf den Dialogen aufbauen, während besonders bei den letzten drei Staffeln der Wortwitz mangels guter Ideen gegen Ende hin zunehmend durch holperigen Slapstick und allzu ausgefallene Schauplätze ersetzt wird, wobei manche späte Folgen auch noch erschreckende dramaturgische Durchhänger aufweisen.
Meine Lieblingsfolgen sind „Einschließlich Heinz“, „Die Autopanne“, „Telefonzelle“ und, als die Folge, in der Slapstick und 1a-Dialoge aufs Idealste zusammenkommen, „Alle Jahre wieder“. Zu Recht hat die ARD diese Folge als Weihnachtspendant zu „Dinner for one“ etabliert. In der Gesamtschau hatte „Familie Heinz Becker“ ihre besten Zeiten 1993 bis 1998 in den Staffeln 2 – 5.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich denjenigen unter den Heinz-Becker-Fans widersprechen, die im Abgang von Alice Hoffmann und Einstieg von Sabine Urig als Hilde Becker den Sündenfall der Serie sehen. Wenn es eine nicht so recht passende Hilde-Becker-Darstellerin gegeben hat, dann war das allenfalls Marianne Riedel in der weithin unbekannten Staffel 1. Sabine Urig hat den von Alice Hoffmann großartig vorgelegten Ball hingegen perfekt aufgenommen und weitergespielt. Eher stellt der Stefan-Becker-Ersatz von Gregor Weber durch Andreas Gergen einen Bruch dar, aber das kann man angesichts der am Ende nachlassenden Qualität des Stoffs nicht fair einschätzen.
Ein Wermutstropen bei der DVD-Veröffentlichung ist die lieblose Ausführung. Bonus-Material ist nicht existent, und jeweils 3 Folgen mit zusammen etwa 90 Minuten auf eine DVD zu pressen, geradezu lachhaft. Das dient offensichtlich einzig und allein dem Zweck, pro Sechs-Folgen-Staffel ein Doppel-DVD-Set erstellen zu können, um das Wenige mehr erscheinen zu lassen.
Lohnt sich die Anschaffung trotzdem? Um es mit Heinz Becker zu sagen: „Awwer hunnerd Prozend!“