„Magnolia“ ist komplex gestricktes, aber sehr temporeiches Erzählkino über das Leben von neun unterschiedlichen Menschen.
Frank T.J. Mackey (Tom Cruise) ist Lebenshilfeguru, der Männer mit seinem Programm „Seduce & Destroy“ zu Frauenhelden machen will. Er ist genauso im Fernsehen zu sehen wie Quizkind Stanley Berry (Neil Flynn), der in der Show „What do Kids know?“ mit seinem gigantischen Wissen punkten kann. Ehemaliges Quizkind aus den 60ern ist der inzwischen erwachsene Donnie Smith (William H. Macy), der aber nur noch ein Verlierer ist: Von Selbstzweifeln zerfressen und mit großen Schulden. Moderator der Show „What do Kids know?“ ist der herzkranke Jimmy Gator (Philip Baker Hall), der sich mit seiner Tochter Claudia (Melora Walters) verkracht hat. Diese bekommt Besuch von dem Polizisten Jim Kurring (John C. Reilly), der auf der Suche nach der großen Liebe ist.
Der Produzent der Show ist Earl Partridge (Jason Robards), der momentan im Sterben liegt. Seine junge Frau Linda (Julianne Moore) verzweifelt in dieser Situation und gerät in Panik, während der engagierte Pfleger Phil Parma (Philip Seymour Hoffman) Earl einen letzten Gefallen tun will: Dessen Sohn zu ihm bringen, mit dem er sich zerstritten hat und der nun unter dem Pseudonym Frank T.J. Mackey Karriere macht, womit sich der Kreis schließt…
Die Erzählstruktur von „Magnolia“ ist komplex, denn sie springt immer zwischen den einzelnen Schicksalen hin und her, wobei immer wieder kleinere Cliffhanger bleiben, damit man auf den Fortgang der jeweiligen Geschichte wartet. Hinzu kommt noch eine Exkursion über Zufälle am Anfang und Ende des Films, die zur eigentlichen Geschichte zwar nichts beiträgt, aber ein formal sehr gelungenes Experiment zum Thema erzählen ist, das einen auch schon auf die verschachtelte Struktur des Films vorbereitet.
Dabei sind die Plots von unterschiedlicher Qualität. Eher schwach sind die Geschichten um Donnie und Linda: William H. Macy hat man vielleicht schon zu oft als Verlierer gesehen und zudem läuft seine Geschichte sehr vorhersehbar ab. Zudem ist er im Netz der Verbindungen der Charaktere etwas zu sehr außen vor, da ihn lediglich die Quizkind-Vergangenheit einbettet. Auch Lindas ständiges Geheule und Nervenzusammenbrüche haben ab und zu den Fehler einem kräftig auf den Keks zu gehen. Glücklicherweise sind diese beiden Geschichten die kleinsten innerhalb der Story und fallen deshalb nicht so sehr ins Gewicht.
Die Geschichte um Earl und Phil dient meist eher als Kommentar, denn hier laufen fast alle Erzählungsstränge direkt oder indirekt zusammen und das was Earl als Lebensweisheit von sich gibt, kann man auf fast alle Figuren beziehen. Der Plot um die auf die schiefe Bahn geratene Claudia und den herzensguten, aber etwas einsamen Jim ist sicherlich der romantischste Teil von „Magnolia“. Er ist zwar problembeladen, trägt aber den festen Glauben an die Liebe gegen alle Widrigkeiten in sich. Jedoch umgeht „Magnolia“ hier den Kitsch, da das Ende dieser Geschichte nur ein Hoffnungsschimmer und kein kitschiges Happy End.
Der Handlungsstrang um die „What do Kids know?“ ist sicherlich der aufsehenerregendste, da die Quizshow im Vergleich zu den eher schlichten Einblicken ins Privatleben spektakulärer ist. Der alkoholkranke Jimmy Gator ist eine gut erdachte Figur, tritt aber im Zuschauerinteresse hinter Quizkind Stanley zurück, da dieser vor allem die Probleme einer derartigen Laufbahn verkörpert und die seelischen Strapazen, denen ein solches Kind ausgeliefert ist.
Eine recht interessante Wendung nimmt die Geschichte Franks. Anfangs bringt dieser Handlungsstrang etwas Humor in den Film, denn es ist wirklich launisch zu beobachten wie Frank über die Bühne turnt und frauenfeindlichen Blödsinn als ultimative Wahrheit verkauft. Erst im Verlauf des Plots erkennt man die verletzte und einfühlsame Seele hinter dem ganzen Gehabe, der man viel Mitgefühl entgegenbringt.
Die Darsteller sind wirklich allesamt klasse, auch diejenigen mit den weniger interessanten Plots, wobei man hier keinen Qualitätsunterschied zwischen Stars und unbekannten Gesichtern oder zwischen Haupt- und Nebenrollen merkt. Vor allem Tom Cruise spielt unerwartet tiefgründig und gibt einen Vorgeschmack auf seine spätere Glanzleistung in „Last Samurai“.
Zwar sind nicht alle Plots gleich interessant, worunter das positive Gesamtbild stellenweise leidet, aber ernstes Gefühlskino mit sehr interessanter Erzählstruktur ist „Magnolia“ definitiv.