Als Kleinunternehmer Claude (Michael Maertens) in eine Polizeikontrolle gerät, lässt sich Polizist Tom (Ronald Zehrfeld) mit Fußpflegeprodukten bestechen, die er seiner Freundin (Sandra Hüller) schenkt, einer ehrgeizigen, aber erfolglosen Dokumentarfilmerin. Zeitgleich besucht ein Geschichts-Leistungskurs ein KZ und ein reiches Paar kehrt im Mietwagen aus Paris zurück…
„Das ist dieser Neorealismus von dem ich Dir erzählt habe“, sagt die Filmemacherin am Telefon zu ihrer Redakteurin, rechtfertig damit, warum sie einen Harz4-Empfänger beim morgendlichen Dosen-Spagetti-Essen filmt und charakterisiert zudem Frauke Finsterwalders dritten Spielfilm, dessen Drehbuch sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Schweizer Autor Christian Kracht („Faserland“) geschrieben hat. Nicht im globalen, doch im nationalen Verständnis wird die Welt realistisch dargestellt, in Einzelheiten aber künstlich erhöht, wenn Corinna Harfouch („Was Bleibt“ 2012) und Bernhard Schütz („Die Stunde der Offiziere“ 2003, TV) in einem Riesen-Amischlitten durch die strahlend schöne Landschaft gleiten, die braven Gymnasiasten beim KZ-Ausflug Schuluniform tragen und ein verklemmter Fetischist als Fußpfleger einer alten Dame denkbar ungeeignet ist. Denn hinter allem Schönen brodelt es unter der Oberfläche: natürlich würde das Bonzenpaar nie mit einem „Naziauto“ („na, Volkswagen, Audi oder Porsche und so“) durch Frankreich und Deutschland reisen, wenn schon der Flieger ausfällt, doch Papa prügelt auf einen 15-jährigen vermeintlichen Spanner ein und Söhnchen missbraucht derweil den KZ-Ofen auf geschmacklose Weise. Die echte Zuneigung einer alten Dame wird mit „Füßen“ getreten, ein aufrechter Lehrkörper für einen Vergewaltiger gehalten, die tiefgründige Streberin mutiert zur oberflächlichen Tussi und der wackere Polizist findet Zuneigung nur im Eisbärenkostüm bei Stofftierpartys. Kein schönes Deutschlandbild, das Frauke Finsterwalder hier zeichnet, ausgerechnet in der Amikutsche wird noch mal abgerechnet und erläutert, warum schwarz, rot, gold bewusst hässlich aussieht. Unterstützt wird die Regisseurin von einem herausragenden Schauspieler-Ensemble in allen tragenden Rollen. „Finsterworld“ ist gut inszeniert, mal schön, mal hässlich und bietet einige überraschende Wendungen, die nicht jedem gefallen werden. Wie im echten Leben. (8/10)