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Ende des 18. Jahrhundert: Earnshaw, der Herr über die Stürmischen Höhen, bringt einen verwahrlosten Waisen auf sein Anwesen, den er Heathcliff tauft. Vom Sohn des Hauses, Hindley, verachtet und verabscheut, verbindet Heathcliff schon bald eine Freundschaft mit der Tochter Earnshaws, Cathy. Als Earnshaw stirbt, übernimmt Hindley das Zepter und drängt Heathcliff in eine unterwürfige und demütigende Rolle, die diesem nach seinem gesellschaftlichen Verständnis gebührt. Nachdem sich Cathy sukzessive von ihm entfremdet und sich in ihren wohlhabenden Nachbarn Edgar Linton verliebt, wandert Heathcliff nach Amerika aus und kehrt nach vielen Jahren als gemachter Mann zurück...

Das fast schon offensichtliche und explizite Ziel von STÜRMISCHE HÖHEN ist es tiefes Mitgefühl und fast schon Mitleid für die Hauptfiguren zu evozieren. Dass ihm das gelingt, erscheint doch wirklich erstaunlich angesichts der negativen Charakterzeichnung, die eo ipso kein großes Identifikationspotenzial generiert.

Heathcliff erscheint nach seiner Rückkehr wie verwandelt. Er ist selbstsüchtig, stolz und eitel und lässt sein Handeln vom wohl primitivsten menschlichen Gefühl leiten: Rache, die Vergeltung "Auge um Auge, Zahn um Zahn" und nimmt dabei auch billigend in Kauf, dem Menschen, der ihn ehrlich liebt, Isabella Linton, den seelischen Todesstoß zu versetzen, indem er sie instrumentalisiert um Cathys Mitleid für sie anzusprechen und Cathy dazu zu bewegen sich statt ihrer zu "opfern". "Opfern" deshalb, weil Heathcliffs jugendliche Romantik und seine Leidenschaft einer zersetzenden Verbitterung gewichen ist und sich sein ethisches Bewusstsein spürbar zurückentwickelt hat.

Cathy ist ein widersprüchlicher Charakter. Denn sie ist ebenso selbstsüchtig wie selbstverleugnerisch und wird spät bzw. nie erwachsen, denn sie erscheint wankelmütig, naiv und weiß die wahren Werte des Lebens nicht zu schätzen. So gibt sie in ihrem jugendlichen Selbstfindungsprozess den Zwängen des oberflächlichen Ständebewusstseins den Vorzug vor ihrer ehrlichen Selbsterkenntnis, dass sie Heathcliff ist. Denn der Wert des Menschen sieht sich ausschließlich über seinen gesellschaftlichen Rang definiert. Eine unmoralische Vorstellung, die den Großteil der Menschen entwürdigt, sofern man Wert und Würde als sinnverwandt bezeichnen möchte, von Cathy aber trotzdem nicht nur akzeptiert, sondern auch verinnerlicht wird.

Die Empathie für die Protagonisten wird also nicht durch ihr Wesen erzeugt, sondern durch das Wesen ihrer Gefühle Liebe und Hass, dessen Konsequenz Rache ist. Emotionale Zustände, die sich komplementär zueinander verhalten, den Verstand und die Vernunft lahmlegen und als Entschuldigung, unter dem Einfluss dieser Leidenschaften, begangener Taten gelten können.

Eine Meisterleistung des damals 32jährigen Olivier, der die Wandlung und den Spagat zwischen den komplexen Gefühlen Heathcliffs schockierend überzeugend transportiert und mit dieser Leistung, ebenso wie die dichte Atmosphäre aus dem guten Gesamtbild herausragt.

Von den irrwitzigen Wendungen und Wandlungen der Charaktere und deren gesellschaftlichen und menschlichen Auf- und Abstieg unbetroffen ist die Haushälterin auf Stürmische Höhen, Ellen, die in der Rahmenhandlung dem Verirrten Lockwood die Geschichte einer tragischen, weil verbotenen Liebe zweier Jugendlicher erzählt, die sich zu einer beiderseitigen Hassliebe entwickelt und im Tode Cathys kulminiert.

Das schonungslose und zutiefst traurige Ende der Romanvorlage Emily Brontës wurde entschärft, um für den Zuschauer auf primitiver Ebene als verkapptes Happy-End zu funktionieren. Ein Happy-End, das wegen des skrupellosen Verhaltens der Hauptfiguren eigentlich nicht nachvollziehbar erscheint.

"Willst Du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht." - Abraham Lincoln

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