Nachdem John Carpenter mit seiner bis dahin teuersten Produktion Big Trouble in Little China an den Kinokassen baden ging, zog er sich zunächst desillusioniert aus dem Filmgeschäft zurück. Doch er kehrte mit neuem Elan zurück und verbuchte mit den darauffolgenden Fürsten der Dunkelheit (1987) und Sie leben! (1988) passable Box-Office-Hits. Mit Die Mächte des Wahnsinns lieferte der Meister 1994 seinen bis heute letzten richtig guten Film ab.
Die Darsteller überzeugen durch die Bank. Während der Deutsche Jürgen Prochnow als Cane eher wenig zu tun hat, aber durch seine makabre Präsenz zu überzeugen weiß, spielen Julie Carmen als Linda Styles und vor allem Sam Neill als John Trent absolut großartig. Vor allem die Wandlung Trents vom zu Beginn zynischen, arroganten und tief in der Realiät verwurzelten Versicherungsdetektiv zu einer wahnsinnigen und gleichgültigen Karikatur seiner selbst, ist mehr als beeindruckend geraten. Ich könnte mir keinen passenderen Schauspieler für die Rolle vorstellen. Julie Carmen ist als zunächst bodenständige Emanze, die sich bald zum besessenen sexy Vamp wandelt, ebenfalls überzeugend. Darüber hinaus konnte Carpenter mit David Warner (Das Omen, Turtles II) als Dr. Wrenn, Charlton Heston (Planet der Affen, Der Omega Mann), Wilhelm von Homburg (der Fürst aus Ghostbusters II und Stammdarsteller Peter Jason den Cast gelungen komplettieren.
Ich bin mir nicht sicher, ob Carpenter den Soundtrack selbst komponiert hat, aber es klingt danach. Dennoch steht er in diesem Werk nicht so im Vordergrund wie gewohnt, obwohl er sehr gut ist.
Die Effekte dominieren das Gesamtbild ebensowenig (tragen jedoch zum wichtigsten Bestandteil des Films bei: der Atmosphäre), sind aber für Carpenters Verhältnisse doch zahlreich vertreten und äußerst gut geworden. Verantwortlich für die Kreaturen, die schon beinah schon an einen Clive-Barker-Film erinnern, zeichnet die KNB-FX-Group. Besonders die mutierten Dorfbewohner und die schleimigen Monsterwesen im dunklen Tunnel bleiben dem Zuschauer in Erinnerung.
All diese Dinge halfen dem Film an den Kinokassen wenig. Für 14 Millionen Dollar produziert, gelang es dem Film lediglich 9 Millionen wiedereinzuspielen, was ihn – einmal mehr – zu einem finanziellen Flop für Carpenter machte. Grund dafür waren sicherlich die schlechten Kritiken, die ich beim besten Willen nicht nachvollziehen kann. Dennoch wurde das Werk für den Saturn Award in zwei Kategorien nominiert. Der Regisseur gewann überdies den Kritikerpreis des Festival Internacional de Cinema do Porto und wurde in einer weiteren Kategorie nominiert.
Interessant sind zudem ein paar kleinere Fakten, die sich in der imdb nachlesen lassen. Z. B. zollt der Film H. P. Lovecraft in mehreren Szenen Tribut. So ist der Name des Hotels sowie der Hotelbesitzerin "Pickett", eine Hommage an die Kurgeschichte "Pickman's Model". Ebenso spielen Sutter Canes Erklärungen der "alten Mächte" auf den Cthulu-Mythos und "Die großen Alten" in Lovecrafts Schaffen an.
Die Figur des Sutter Cane ist ganz klar eine Hommage an Carpenters alten Freund Stephen King, für den er einige Jahre zuvor bereits dessen Buch Christine für die Leinwand adaptierte. Sogar die Neuengland-Wurzeln des Autors wurden durch die Beschreibungen des Ortes Hobb's End gepflanzt, quasi als Ersatz für Castle Rock.
Darüber hinaus ist der vorliegende Film der dritte Teil einer inoffiziellen Apokalypse-Trilogie des Regisseurs, neben The Thing und Fürsten der Dunkelheit.
Der Film erschien in Deutschland zuerst von BMG mit einer Freigabe von 18 Jahren auf DVD. Mittlerweile hat er eine FSK-16-Freigabe bekommen und ist ungeschnitten von Universum/UFA erhältlich. Als Extras gibt es ein paar kurze Interviews, Eindrücke hinter den Kulissen und ein ebenso mageres Making Of. Die Bild- und Tonqualität ist in Ordnung, aber laut ofdb ist nicht einmal der O-Ton verfügbar – ein K.o.-Kriterium in der heutigen Zeit.
Für mich spielt der Film in der oberen Liga der Carpenter-Filme. Zwar reicht er nicht ganz an alte Klassiker wie Halloween, Die Klapperschlange oder Big Trouble in Litte China heran, ist aber dennoch ein Film, der sich immer wieder goutieren lässt, ohne Ermüdungserscheinungen hervorzurufen. Zudem finde ich die Idee einfach genial, für jeden Genre-Fan eine Empfehlung wert.
Obwohl man die Geschichte in vielerlei Hinsicht interpretieren kann – Kritik an der Manipulation durch die Medien, ausufernde, sinnlose Gewalt, Förderung der Massenhysterie etc. – bleibt er in erster Linie jedoch das, was Carpenter immer am wichtigsten war: ein unterhaltsamer Film. Ein Film für Genre-Fans, von einem Genre-Fan.