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Staffel 2 (8/10)

Staffel 2

Die Wikinger wurden in der ersten Staffel anhand eines isolierten Gruppenausschnitts überwiegend als neugierige, schelmisch grinsende Räuber gezeichnet, die etwaige kulturelle Hemmungen anderer Völker, insbesondere der Christen, gnadenlos ausnutzten und sich so auf einfache Weise Land und schätze aneigneten. Reibungen waren eher innerhalb der eigenen Gruppe zu erwarten.

Rückblickend eine äußerst gelungene Einführung, öffnet sich der erzählerische Bogen mit der zweiten Staffel erwartungsgemäß in die Weite und konfrontiert die wilde Truppe unter der Führerschaft Ragnar Lodbroks auch mal mit ihren eigenen Taten. Vor allem aber mit verschiedenen Interessengruppen, die es schwierig machen, Freund und Feind in einem Dschungel aus Intrigenspielen und Loyalitätsbekundungen zu unterscheiden.

Ein Zeitsprung von vier Jahren bereits in der zweiten von zehn Episoden ist schon als mutig zu bezeichnen, werden narrative Brüche hier doch billigend in Kauf genommen, doch für die Langzeitauswirkungen der Brandschatzerei erweist er sich als notwendig. Die gewöhnungsbedürftigste Entwicklung auf darstellerischer Seite nimmt wohl Ragnars Sohn Björn, der vom stämmigen Alexander Ludwig verkörpert wird und unnatürlich hochgewachsen aussieht, nachdem der kleine Nathan O’Toole aus den jungen Jahren Björns nur halb so groß war – schwer zu glauben, dass Travis Fimmel und Katheryn Winnick seine Filmeltern sein sollen; weder bei ihnen noch ihren leben gebliebenen Weggefährten seit der ersten Staffel machen sich die vier Jahre nämlich in den Gesichtern bemerkbar.

Davon abgesehen begibt sich die Serie durch ihre Öffnung auch historisch zunehmend in die Gefahr, Fakten zu dramatisieren, nach eigenem Belieben auszulegen oder gleich neu zu schreiben, was aber bei einer derart weit zurückliegenden Zeit, deren Überlieferung hauptsächlich auf Oralität basiert, reuelos zur kreativen Freiheit gezählt werden kann. Atmosphärisch haben die Halbwahrheiten keinerlei Einfluss auf die Serie, die nach wie vor mit prachtvollen Berg- und Wiesenlandschaften in kühlen Farben glänzt und Kriegsaktivitäten stilgetreu im fast schon intimen Rahmen ablaufen lässt.

Viele Handlungstwists bezüglich der Feinde Ragnars lassen sich durchaus absehen, andererseits entwickeln sich manche Charaktere dann doch ungemäß der Erwartungen, die man an sie stellt. Beispielhaft sei die Beziehung zwischen der nach wie vor herausragenden Katheryn Winnick als Ragnars ehemalige Frau und Ragnars neuer Frau, gespielt von Alyssa Sutherland, herausgehoben. Auch der seit jeher zwielichtig anmutende Floki (Gustaf Skarsgård) wird vom Drehbuch auf manch harte Bewährungsprobe gestellt. Ein einzelner Antagonist wie Gabriel Byrne in Staffel 1, der sich den Plänen der Hauptfigur behindernd in den Weg stellt, gibt es nicht; vielmehr teilen sich Linus Roache, Donal Logue und Thorbjørn Harr die Herausforderungen, um den König auf der weißen Seite auf ihre Weise in Schach zu halten, was dessen Strategiefindungen um so herausfordernder macht.

„Vikings“ ist also auf der Höhe seines Potenzials angekommen und darf jetzt zu den großen historischen Unterhaltungsserien dieser Zeit gezählt werden, ohne dazu ganz so überladen und ambitioniert sein zu müssen wie das Epos von „Game Of Thrones“.

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