"Krieg der Sterne" - ein in Stein gemeißelter Gigant der Kinogeschichte.
Einen solchen Film heutzutage zu bewerten, fällt dadurch schwer, dass er mittlerweile sowohl für einen selbst als auch für viele, viele Menschen zu einem Phänomen und festen Bestandteil der eigenen kulturellen Existenz geworden ist. In regelmäßigen Abständen regiert das 1977 geborene Franchise die populäre Kultur weltweit, seien es nun Prequels, Sequels oder Spin-Offs, die in sämtlichen Lebensbereichen für eine Wahrnehmbarkeit auch für Nichtkenner sorgen. "Star Wars" dürfte die mit Abstand größte auf einem Film basierende Marke aller Zeiten sein und hat Maßstäbe im Merchandising und der totalen Vermarktung der eigenen Ikonographie gesetzt. Socken, Shirts, Pappbecher, Spielzeuge, Joghurts, Wurst(!), Poster, Zeitschriften, Lizenzverträge mit den größten Ketten weltweit - Mein Kind kannte "Star Wars" mit Besuch des Kindergartens. Das war vollkommen unvermeidbar!
Dabei dürfte insbesondere das generationsübergreifende Moment eine große Rolle spielen. Auch ich ertappte mich dabei, wie ich eines Tages einen Kapuzensweater in Größe 98 mit dem klassischen Schriftzug ohne zu murren bezahlte. Die eigene Nostalgie spielte dabei eine große Rolle. Es war ja der klassische Schriftzug...
Um eben dieser Nostalgie gerecht zu werden, begann dann eine Odyssee. Wohlwissend, dass der Sprössling in Zukunft auch die Filme zur Socke kennenlernen wollen würde, machte ich mich auf die verzweifelte Suche nach den originalen Kinoversionen, die ich noch auf VHS aus dem Fernsehen aufgenommen hatte und eben genau so kannte. Da schlug das Imperium noch "züruck" und es hieß auch noch "Krieg der Sterne" statt "Star Wars Episode IV - Eine neue Hoffnung Teil 2 Kapitel 1: Kampf gegen das Imperium Teil 1: Die Zerstörung des Todessterns Teil 1-3 (mit neuen Szenen)".
Leider schien der Technikfetisch von George Lucas das probate Ersetzen der mittlerweile im Keller verrotteten Kassetten unmöglich zu machen, gab es doch lediglich nur die überarbeiteten und verschlimmbesserten Versionen auf DVD oder Blu-Ray zu kaufen.
Ich finde aber auch, man sollte der Mona Lisa mal eine zeitgemäßes Hemd und eine modernere Frisur verpassen. So läuft doch keiner mehr rum. Und die Venus von Milo würde heute auch kein Fotoshooting mehr absolvieren. Da müssen schon noch ein paar Speckrollen weggemeißelt werden... Daraus könnte man dann ja die Arme arbeiten.
Die Limited Edition auf DVD brachte dann die Lösung. Auf der Bonus-DVD befanden sich die nicht überarbeiteten Originalversionen. Diese mussten dann allerdings antiquarisch deutlich über damaligem Neupreis liegend teuer erkauft werden. Die berühmten Titelzüge sind da leider schon angepasst. Nichts mit "Krieg der Sterne". Immerhin schießt Han Solo aber eiskalt und cool die sprechende WC-Ente über den Haufen und Jabba hat seinen verdienten ersten Auftritt erst 1983. Damit fällt auch der alberne Schwanztritt weg, der beispielhaft für das Unverständnis ist, das Lucas für sein eigenes Schaffen an den Tag legt. Hier hat Lucas alleine durch den Willen zum technisch Möglichen eine ziemlich düstere und herrische Kreatur sozusagen vorträglich ihrer Wirkung beraubt. Wie wir wissen, sollte das nicht sein einziger Fehler im Umgang mit der klassischen Trilogie und den Fans derselben bleiben...
Auch bin ich froh, dass diese kleinen digitalen Einfügungen hier noch wegfallen. Sie passen meist einfach nicht in das Bild und zerstören teils die ästhetische Einheit des Bildes. Die Originaleffekte haben doch ihre eigene Magie.
Als ich den Film dann das erste Mal seit vielen, vielen Jahren sah, wurde ich gefühlsmäßig tatsächlich in meiner Kindheit abgeholt. Erstausstrahlung 1990? Kann gut sein.
Natürlich bemerkt man die Naivität des Films, aber man drückt beide Augen zu. Bei alten Disney-Filmen gelingt mir das heute nicht mehr, aber "Krieg der Sterne" scheint die gelungene Mischung aus Pathos, Kitsch und Drama zu sein, die einen bei den menschlichen Wurzeln packt. Die Balance zwischen Tragödie und Komödie folgt hier ganz einem klassischen Schema, in dem stark vermenschlichte Roboter als comic-relief dienen. Man trifft gleich zu Beginn auf die wohl berühmtesten Nicht-Menschen der Filmgeschichte, die eine elektronische Variante von Laurel und Hardy abgeben. Jenseits der Klamotte schafft der Film eine eigene Mytologie, die aber für jeden nicht weltfremden Menschen Assoziationspunkte bietet und ist narrativ sehr geradlinig gehalten. Zudem nährt sich die Produktion durch die Stimmung des "New Hollywood", die hier merklich das Schauspiel der Akteure prägt. Vergleicht man die "Nein"-Schreie von Mark Hamill und Ewan McGregor von 1977 und 1999 beim jeweiligen Tod des Mentors, wird deutlich, wieviel menschlicher/natürlicher das Spiel damals angelegt war. Zudem war der Charakter Luke Skywalkers durch die von vornherein erwartbare Entwicklungsgeschichte eine spitzenmäßige Identifikationsfigur..., die für mich nur durch einen der größten Filmcharaktäre des Kinos überhaupt als Held in den Schatten gestellt wurde: Han Solo.
Dieser linkisch angelegte, stets etwas derangiert wirkende, großmäulige, aber immer coole Weltraumcowboy hat bei der ersten Begegnung einen solchen Eindruck auf mich gemacht, dass er für mich auch heute noch zu den charismatischsten Figuren des Films überhaupt gehört. Warum auch immer: Dieser stets leicht heruntergekommene Typus des Gunslingers, der Schulden hat, hauptberuflich kriminell ist, dem Geld mehr als dem Verstand, letztlich aber nicht dem Herzen folgt und eventuell auch eine Großmutter verhökern würde, solange es nicht seine ist, stellt diese Jedi-Ritter in ihrer buddhistischen Selbstbeherrschung und Reinheit weit in den Schatten. Harrison Ford hat hier eine Ikone in der Ikone geschaffen, die außer Darth Vader alle weiteren Figuren in den Schatten stellt. Und das soll etwas heißen.
Alec Guiness als Obi-Wan Kenobi verleiht seiner Rolle soviel Würde und den Charme des Pragmatischen, dass er neben den ganzen Weltraumwesen oftmals eine Nummer zu groß wirkt.
Carrie Fisher spielt eine Leia, die als Prinzessin eine ganz schön kesse Lippe riskiert, um mal in der Sprache der Entstehungszeit zu bleiben, jedoch nicht ganz befreit ist vom Rollenklischee der heißen Else, die befreit werden will. Dies wird aber eher im zweiten Teil sichtbar, denn im Auftakt ist sie hauptsächlich damit beschäftigt, die Machohaftigkeit Han Solos im Zaum zu halten und ihm Paroli zu bieten. Selbst Darth Vader vermag es nicht, die Prinzessin klein zu machen und muss sich von ihr zurechtweisen lassen.
Über Darth Vader müsste man eigentlich ein eigenes Kapitel verfassen. Der hüftsteife, dunkle Blechbüchsenmann, der auch gerne mal seine Hände in eben diese steifen Hüften stemmt, wenn er böse ist wie die von Solo verhökerte Großmutter, ist eventuell der berühmteste oder prägnanteste Filmcharakter der Kinogeschichte. Auch hier spielt Coolness wieder eine große Rolle. Die Gelassenheit des schwarzen Weltraumpeters, die eventuell nicht zuletzt aus der Steifigkeit des Kostüms herrührt, lässt die physische Präsenz noch massiger Wirken. Der Helm, das Atmen und selbst die Blinklichter auf dem Kostüm haben die Zeit überdauert. Auch heute noch ziert das Ponem mit der schwarzen Maske viele Merchandise-Artikel. Welcher Film-Bösewicht ist denn bitte sonst so beliebt? Nicht einmal Räuber Hotzenplotz! Und das, obwohl Vader tatsächlich eine böse und gemeine Triebfeder im Inneren trägt. Der ist nicht nur ein wenig grummelig, nein, der ist ein eiskalter, zielgerichteter und rücksichtsloser Soziopath. Und zaubern kann der auch noch, dass einem die Luft wegbleibt!
Die dabei auftauchende Religiösität, die mit der "Macht" eine konkrete Ausdrucksform findet und gewissermaßen ein Best-Of der Religionen mit deutlicher Tendenz zum asiatischen Kontinent ist, vervollständigt die Schablonen in dieser Weltraummär, die somit etwas statisch daherkommt, aber gerade darin eine hohe Zugänglichkeit erschafft. Dass auch Darth Vader von eben dieser Macht profitiert, lässt Religion dabei eben nicht wie ein Allheilmittel wirken, dass immer zum Guten führt. Der Wille des Einzelnen zum Guten steht im Mittelpunkt und dieses Kernthema wird ja in den Fortsetzungen noch ausschweifend weitergeführt. Darth Vader wird so gewissermaßen als Antipart zu den Helden angelegt, der in seiner bloßen Existenz das Scheitern personifiziert. Auch das wird in späteren Teilen deutlich, ist hier aber bereits latent vorhanden. So konnte George Lucas aufgrund des enormen Erfolgs darauf aufbauend seine Seifenoper weiterspinnen, wenngleich es nicht so wirkt, als hätte er schon 1977 die komplette Saga bis zur "Rückkehr der Jedi-Ritter" im Kopf gehabt.
Auch wenn Darth Vader optisch und charakterlich das Böse verkörpert wie kaum ein anderer, bleibt er dennoch lediglich ein Handlanger.
Grandmoff Tarkin, der eigentliche Gegenspieler, ist der Prototyp des manipulativen und schlicht widerwärtigen Aufsteigers, der keine Grenzen kennt und heutzutage wohl in der Rüstungsindustrie oder für Donald Trump arbeiten würde. Den hätte seine Mutter mal besser länger stillen sollen! Peter Cushing ist da so etwas wie eine Idealbesetzung. "Evakuieren im Augenblick des Triumphs?" Berühmte letzte Worte... Nicht zuletzt dieser Ehrgeiz im Handeln lässt Assoziationen mit der NS-Struktur aufkommen. Ästhetik und Kostüme haben schon mehr oder weniger sanft darauf hingewiesen und sind ebenfalls bis heute in ihrer Art des Zitierens berühmt, wie man an Fortsetzungen bis heute feststellen kann. Auch die Darstellung der bösen Seite trägt also massiv zur Ikone "Star Wars" bei.
Die Musik hat ebenfalls einen großen Anteil und dürfte jedem bekannt sein. Wie auch bei den Indiana-Jones-Filmen oder "Jaws" gelingt es John Williams, sofort erkennbare Melodien und Stimmungen zu kreieren, die kompositorisch dabei eigentlich ganz schlicht sind. Das ganze verschwurbelt er hier sehr pompös und mit voller Belegschaft unter Volldampf. Der Score zu "Star Wars" dürfte trotz der vielen Arbeiten von Williams sein berühmtester sein. Jedes der Themen lässt sich innerhalb von wenigen Sekunden zuordnen. Allein die Prinzessin hat hier etwas das Nachsehen, ist ihre Melodie doch zu zurückhaltend geworden und verfängt nicht so recht, wenngleich sie beim Hören sofort dem Film zugeordnet werden kann. Aber sie fällt mir gerade so nicht ein...
Ein weiteres Kapitel sind die Tricks, die so einen Eindruck machten, dass sie den Film zum Leben erwecken konnten, alles ineinander übergehen ließen und eine glaubhafte Welt erschufen, in deren Funktionsweisen man sich trotz aller Narreteien dennoch sofort einfinden konnte. Die Sets und Kulissen, die Kostüme und Masken, die Effekte und Raumfahrten - alles schien wie aus einem Guss und fügte sich in die gewählten Drehorte ein. Dabei half es auch wohl, dass George Lucas permanent Motive aufgriff, die klassischer nicht sein konnten. Sei es der Samurai-Film Kurosawas, der klassische Western, der naive Science-Fiction-Flick der Fünfziger und Sechziger: Die Mischung stimmt einfach und man fühlt sich gleich zuhause, obwohl auf den ersten Blick alles auf Andersartigkeit ausgerichtet ist.
Wenn dann zum Schluss der Todesstern in Funken aufgeht und damit die hier noch simple und klare Plotline zu einem absehbaren Schluss kommt, dann hat man eventuell keinen Transformers-Fan, der sechs Stunden am Tag vor der Konsole sitzt und die anderen sechs Stunden vor Youtube und bis dahin noch nie etwas von Grimms Märchen, Cowboys und Indianern oder Robin Hood gehört hat, eine Freude gemacht. Schade für euch, Jason-Pascal oder Shaquira-Chantalle!
Aber jeder Mensch, dem eine durchschnittliche kulturelle Erziehung zuteil wurde, sollte in diesem märchenhaft-naiven Stück Kinogeschichte zumindest den Ansatz der Antwort auf die Frage finden können, was "Star Wars" auch heute noch zu einem die Generationen übergreifend erfassenden Phänomen macht.
Eine Lanze muss abschließend noch für die Synchronarbeit gebrochen werden. Ungeachtet der Nostalgie gehört die Star Wars-Trilogie zu den Filmen, die im Originalton nicht an Qualität gewinnen. Die Berliner Synchron hat hier meisterlich gearbeitet und ehrlich gesagt empfinde ich die Leistung von Heinz Petruo noch beeindruckender als die von James Earl Jones. In Deutschland durfte man einen Darth Vader erleben, der noch etwas fieser und finsterer war, ohne diese ruhige Bedrohlichkeit zu verlieren. Auch die anderen Stimmen passen hervorragend und somit kann man hier von einer der besten deutschen Synchronarbeiten sprechen.