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"Filmfans waren immer einsam. Ich kenne viele, die nicht mal beziehungsfähig sind."

Dieser Satz stammt nicht von mir. Gesprochen wurde er während eines Interviews von dem französischen Regisseur Bertrand Tavernier. Daß er damit Recht hat, weiß jeder, der sich mit diesem ganz speziellen Menschenschlag umgibt oder sich einmal durch das Gewühl einer Filmsammlerbörse gedrängelt hat. Und gerade deswegen sollte ein Film wie Love Alien bei den Nutzern und Mitschreibern dieser Seite auf Interesse stoßen.

Ein Filmfan ist Wolfram Huke nicht. Trotzdem hat er es geschafft, bis zu seinem 30sten Geburtstag ohne jegliche zwischenmenschliche Beziehung zu bleiben. Zukunft ungewiß.
Mit einem Camcorder begleitete er sich selber ein Jahr lang bei der Suche nach einer Partnerin. Und er tut dies mit geradezu bewundernswerter Offenheit. Sympathisch sind die von Huke selbst eingesprochenen Off-Texte  (er spricht von sich in der zweiten Person), die das Geschehen auf der Leinwand nicht selten ironisch kommentieren. Wenn er  gerade keine Pilgerwanderung unternimmt oder sich von seiner Therapeutin  beraten läßt, ist sein Alltag oft von deprimierender Tristesse. Gerade die Sequenzen, die ihn abends beim Alleinsein in seiner verwahrlosten Wohnung zeigen, sind sehr eindringlich.
Zwei Modepüppchen, die direkt aus dem Privatfernsehen entsprungen zu sein scheinen, und die ihr Leben mit Stilberatung finanzieren, sondern entsetzlich-oberflächliche Platitüden ab, und für die Therapeutin ist der Fall sowieso klar:  "Sie vermeiden Beziehungen, sonst hätten Sie eine."

Menschen, die bisher nur durch RTL-Beiträge oder den unsäglichen Hollywood-Klamauk Jungfrau (40), männlich, sucht auf solche gesellschaftlichen Randerscheinungen aufmerksam wurden, können hier erstmals ihren Horizont erweitern - auch wenn nicht bei jedem das erstrebte Resultat erzielt werden wird: Während der Vorführung hatte ich das Vergnügen neben einem verliebten Pärchen zu sitzen, dessen geflüsterten Kommentare nicht gerade auf uferloses Verständnis schließen ließen.

Nun stellt sich freilich bei einem solchen Unternehmen die Frage, in wie weit das Gezeigte den Anspruch der Authentizität erfüllt, ist doch die bloße Anwesenheit einer Kamera eigentlich schon eine Verzerrung der Realität. Solche Skeptiker kann ich beruhigen, denn Love Alien kommt so lebensnah rüber, wie es für einen solchen Film überhaupt möglich ist. Es ist tatsächlich so, daß die Kamera irgendwann von den gefilmten Personen vergessen wird, wenn man nur lange genug mit ihr herumhantiert, wie ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann. Ein wenig "Schauspielerei" ist dabei natürlich dennoch niemals auszuschließen, sonst müßte man, so Huke, das Geschehen mit unsichtbaren Überwachungskameras aufnehmen, und sich das Ergebnis ungeschnitten anschauen. Zum authentischen Look tragen auch die teils grieseligen Bilder bei und die natürlich omnipräsente Handkamera. Huke verzichtet auf Überblendungen oder ähnlichen Digital-Schnickschnack, sondern setzt Schnitte, wo sie hingehören, auch wenns holprig aussieht.

Love Alien ist ein mutiger, kleiner Nischenfilm, mit dem der sympathische Regisseur ein sehr unpopuläres Thema auf ernsthafte, aber auch amüsante Art verarbeitet. Nicht auszudenken, auf welche Weise gewisse TV-Sender seinen Fall ausgeschlachtet hätten.

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