„Gelobt sei Jesus Christus!“
Italo-Regisseur Giulio Berrutis Beitrag zur Nunploitation ist der sleazige, gialloeske Thriller „Geständnis einer Nonne“ aus dem Jahre 1979 mit Anika Ekberg in der Hauptrolle. Nach „Noi siam come le lucciole“ handelte es sich um Berrutis zweite und bereits letzte Regiearbeit.
„Kein Mensch in diesem Haus hat Respekt vor dem Landadel!“
Schwester Gertrude (Anita Ekberg, „Das süße Leben“) gilt als über jeden Zweifel erhabene Fachkraft im Sanatorium für psychisch Kranke, das von ihrem religiösen Orden geführt wird. Doch nachdem sie sich einer Operation wegen eines Hirntumors unterziehen musste, hat sie eine Morphiumabhängigkeit entwickelt und neigt sie zu aggressiven emotionalen Ausbrüchen. Da ihre Vorgesetzten, Dr. Poirret (Massimo Serato, „Blutiger Schatten“) und Mutter Oberin (Alida Valli, „Der Antichrist“), ihr den Stoff nicht geben wollen, muss sie zu fragwürdigen Methoden greifen. Doch mit Mord und Totschlag hat sie nichts an der Kapuze – oder etwa doch? Als sich furchtbare Todesfälle in der Klinik häufen, gerat Gertrude unter Verdacht…
„Im Bikini wären Sie eine Schau!“
Eine Texttafel zu Beginn behauptet Authentizität. Dann wollen wir das mal glauben! Um Glauben geht’s bei Nonnen schließlich viel. Ein Beichtvater verweigert einer Nonne im Prolog die Absolution, die eigentliche Handlung spielt dann in der Katholenklapse. Gertrude hat ihre OP bereits hinter sich und wirkt irgendwie gestört. Greift sie zum Skalpell, ertönt als „dezenter“ Hinweis darauf, dass hier etwas nicht stimmen könnte, Musik wie aus Gruselfilmen der alten Schule, ihre Point-of-view-Szenen werden in Nebel getaucht. Seit ihrer Operation wirkt sie hypochondrisch, was vermutlich aber Ausdruck ihrer Morphiumsucht ist. Beim Essen der Patienten liest sie Folterszenen aus der Bibel vor und bekommt einen Aggressionsausbruch. Ihre Zimmergenossin Schwester Mathieu (Paola Morra, „Unmoralische Novizinnen“) scheint all das nicht zu stören, sie zeigt sich vorwiegend nackt und gesteht Gertrude ihre Liebe. Damit wäre auch der Sleaze-Anteil initiiert.
„Suchen Sie Hilfe im Beichtstuhl!“
Nach einem Zusammenbruch der alten Patientin Josephine (Nerina Montagnani, „Your Vice Is a Locked Room and Only I Have the Key“) führt der Herr Doktor eine erschreckend unprofessionelle Herzdruckmassage aus – nein, dieser Schauspieler hatte mit Sicherheit länger keinen Erste-Hilfe-Kurs mehr besucht. Folgerichtig lebt Josephine ab, woraufhin Gertrude sie bestiehlt. Unschöne Blüten sind’s, die die Morphiumsucht da treibt. Während einer Reise in die Schweiz ist Gertrude plötzlich scharf auf Männer, ihre lüsternen Gedanken werden auf der Tonspur ausformuliert. Wortlos gabelt sie sich den Erstbesten (Brunello Chiodetti, „Verdammte, heilige Stadt“) auf und es folgt… Erotik? Schmutziger Sex? Reife Wollust eines freidrehenden Ensembles, sinnlich und verrucht zugleich von einem kompetenten Kamerateam eingefangen? Leider nein, lediglich eine öde, angezogene Sexszene im Stehen.
„Langeweile führt in die Hände des Teufels!“
Zurück im Spital verleumdet sie den Doc und hat zugedröhnt blutige OP-Visionen sowie Gewaltfantasien und sieht sich bei einem nackten Mann auf einer Bahre stehend. Diese bizarren Szenen verleihen dem Film einen surrealen Touch, der Gertrudes derangierte Psyche visualisierend unterstreicht – und natürlich weiter dazu beiträgt, sie zur Hauptverdächtigen zu machen. Kurz darauf stürzt sich jemand aus dem Fenster – oder hatte Gertrude ihre Finger im Spiel? Dies scheint für Mathieu festzustehen, denn sie will Gertrude beim Verschleiern des Mords helfen. Während mit Dr. Roland (Joe Dallesandro, „Andy Warhols Frankenstein“) ein neuer Doc die Bildfläche betritt, beobachtet Gertrude, wie Rollstuhlopa (!) Jonathan während eines Unwetters im Freien (!) mit Florence (Ileana Fraia, „House of 1,000 Pleasures“) vögelt (!) und ermordet ihn daraufhin. Zumindest erweckt der Film eindringlich diesen Anschein. Hinterher heult sie sich bei der nackten Mathieu aus, beschimpft sie im unmittelbaren Anschluss und zwingt sie… na, was kommt jetzt? Sich Seidenstrümpfe anzuziehen. Äh, ach so…
Man sieht nie wirklich, dass Gertrude die Täterin ist, es deutet nur alles darauf hin – womit es aber auch schon zehn Meter gegen den Wind nach einem Ablenkungsmanöver und einer späteren, ach so überraschenden Auflösung riecht. Die Spannung generiert sich daher in erster Linie daraus, ob man mit seinen Vermutungen richtigliegt und was der Film einem noch so alles an Absonderlichkeiten auftischen wird, die seltsamerweise nie die Polizei auf den Plan rufen. Da wäre mit Janet (Sofia Lusy, „Der Mafia-Boss“) zunächst eine weitere Tote. Peter (Lou Castel, „Nada“), ein plietscher junger Patient, weiß etwas und wird von Gertrude erpresst, woraufhin auch er sterben muss. Mathieu besticht den neuen Doc mit Sex, die wahre Täterin wird enttarnt und der Epilog – das ist dann ganz hübsch gemacht – knüpft an den Prolog an. Ein Sprecher aus dem Off lässt noch wissen, wie’s ausging, visualisiert wird das schon nicht mehr.
Dieser ausnahmsweise einmal in der Gegenwart des Drehzeitpunkts und nicht in gotischen oder mittelalterlichen Epochen spiele Nunploitater weist ein recht hohes Tempo auf, ständig passiert etwas – darunter einige ausgemachte Gemeinheiten. Religionskritik hingegen findet eher am Rande statt und alles in allem ist diese höchst unglaubwürdige (Aber doch wahre! Oder etwa nicht…?) Geschichte mit der groben Nadel krude zusammengeklöppelt worden. Der Thrill ist annehmbar, wenn auch stets seltsam entrückt, die Ekberg spielt sich halbwegs seriös durchs Kuriositätenkabinett, aber der Versuch, Sex und Gewalt miteinander unterhaltsam zu vermengen, geht doch ziemlich in die Hose – zu unentschlossen wirkt Berrutis Regie, die speziell mit dem Sleaze-Gehalt eher zu fremdeln scheint. Eine willkommene Abwechslung zu klischeebehafteteren Genrekonkurrenten ist „Geständnis einer Nonne“ über weite Strecken dennoch.