Auch Zwerge haben klein angefangen
DVD-Verleih (s/w)
Inhalt:
Der Film zeigt ein Heim auf einer Insel/ Provinz, abgelegen, durch eine Straße getrennt von der Stadt. Die Heimbewohner „Zwerge“ sind unzufrieden mit der Behandlung und den Bedingungen. Ein Ausflug des Direktors mit einem Teil der Heimmitbewohnern löst schließlich eine anarchistische Situation aus. Zudem wird ein Insasse festgenommen und auf einen Stuhl gefesselt. Die Abwesenheit des Direktors, also Aufsichtspersonals nutzen die zurückgebliebenen um ihrer Wut freien lauf zu lassen.
Charakteristik:
I. Das Kannibalenhuhn:
Im Prolog bekommt man mit, wie ein Kleinwüchsiger ein Schild mit einer Nummer trägt. Ebenfalls wird er fotografiert. Er sitzt in einem Stuhl und die Beine hängen in der Luft. Er soll zur Seite schauen und sich dann „umdrehen … bist du denn schwer von begriff“? Das Szenenbild erinnert an eine Gegenüberstellung bei der Polizei. Mit einer Nummer versehen, degradiert wird man fotografiert, Statistik. Dabei geht es bei der Aussage nicht um die tatsächliche Frage ob die Fotografin nicht gehört wurde oder der Zwergwüchsige nichts versteht. Es geht vielmehr darum, dem Zuschauer zunächst die Situation vorzustellen. Etwas das den Insassen schwer auf den Schultern liegt. Der Begriff „schwer“ offenbart also ein doppeltes Normen-Bild. Die müssen weggesperrt werden, weil sie anders sind und zum anderen die Sicht auf ein Selbstbestimmtes Leben. Als er nach draußen schaut drückt er eine Sehnsucht aus, „da wartet jemand auf mich“. Inwiefern dies ernst gemeint ist ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar.
Erst als die Szene fast vorbei ist und die Einrichtung, die sehr groß und gemütlich wirkt erfährt man den Hintergrund der Szene. Es ist das Ende des Films. „also wie hat das denn angefangen“.
Der Regisseur inszeniert hier zwei Perspektiven. Die sich zunächst in Außen und Innen widerspiegeln. Außen ist ein Mob, die bestraft wurden und sich nun angestachelt fühlen. Innen ist in einem Haus ein ebenfalls kleinwüchsiger Erzieher und der Gefangene, der (Erzieher) sich verbarrikadiert. Die Dynamik von drinnen und draußen ist wichtig für den Film, da es so scheint, als lösten die kurzen Verhandlungs-(versuchs-)-gespräche eine immer radikalere Dynamik aus.
Zunächst also sieht man zaghafte Versuche gewaltsam einzudringen. Es folgt die Szene, in der der Erzieher vom Dach zur Vernunft aufruft und der Mob Steine wirft. Diese Unordnung kann der Erzieher nicht zulassen. Er ruft die Polizei. Er will eine weitere Maßnahme ergreifen, um wieder Ordnung zu schaffen.
„So alter Freund jetzt schiebe ich dich ans Fenster und du sagst denen, dass die Polizei kommt.“ Dieser lacht ihn nur laut aus. Der Erzieher weiter, „du kennst doch den (Vor)Satz, dass wir ein anständiges Leben führen im (Krankenhaus) hat unsere Mutter mit schmerzen geboren“.
Der Erzieher appelliert an die Vernunft des Gefangenen, eine absurde Situation. Ebenfalls ihn als „alter Freund“ zu bezeichnen. Diese Kumpanei ist nicht ernst gemeint. Sie dient nur als Machtdemonstration. Seht her ich habe schon einen gefangen und die Polizei kommt gleich und ordnet die Verhältnisse wieder. Dies geschieht jedoch nicht. Auch weil dem Erzieher schon dämmert, dass er zwar gewisse Machtinstrumente in der Hand hat, aber eben auch alleine ist. Also er kann diese nicht durchsetzen. Der Gefangene reagiert auch gar nicht auf die Anspielungen des Erziehers. Er lacht ihn nur aus und sagt gar nichts. Eine Art passiver Widerstand. Der Erzieher hat keinen „alten Freund“, sondern er bleibt isoliert in seiner Festung, die er verbarrikadiert hat.
Auch draußen wird sich beraten. Zunächst einmal sieht man wie die kleinste versucht die Tür aufzumachen und das nicht schafft. Der Mob berät die Situation nach dem Streit mit dem Erzieher, der sich verschanzt hat. „Wir hauen ab von hier... , aber wo willstn hin … ach immer abhauen ist doch quatsch, dass ist doch sinnlos … , spätestens in zweit tagen hat uns die Polizei … ja ja die Polizei“.
Zunächst ist klar, dass sie unzufrieden sind. Weggehen ist eine Option, die aber schnell als „sinnlos“ verworfen wird. Also wenn ich unzufrieden bin, dann wegzugehen, dass ist feige, das macht keinen Sinn. Also macht es Sinn zu bleiben, nicht feige zu sein und den Erzieher herauszufordern. Ironisch wird dies kommentiert von dem kleinsten Mann „ja ja die Polizei“. Er lacht dabei ironisch und fuchtelt mit den Armen.
„Hier müssen wir wirklich mal was anstellen, damit die alte Sau des auch sieht“....das ändert ja nix an unserer Rolle ob wir brav sind oder nicht das spielt keine rolle an der Behandlung ändert sich nix.“
Der Entschluss besteht „wirklich“ etwas „anstellen“ zu wollen. Es geht also nicht darum gegen eine Konvention zu verstoßen und dann dafür eine Strafe zu erhalten. Also sich immer wieder zu fügen, unterdrücken zu lassen. Denn „die alte Sau … sieht“ das nicht und ändert „nix“. Sie beschließen also nun ein Verhalten an den den Tag zu legen, welches sich radikal unterscheidet. Ein Umsturz?
II: Und die Hühner picken sich gegenseitig
Als symbolische Szene dient der Umsturz einer großen Palme. Mit vereinten Kräften und Cleverness schaffen sie es schließlich die Palme zu stürzen. Dies wird frenetisch bejubelt.
Eine Symbolische Handlung für eine Befreiung. Sie jubeln, machen Witze, kichern, reden über Sex, machen sich über sich selbst lustig. Sie inszenieren eine Hochzeit zwischen den beiden kleinsten. Die werden in das Zimmer eines Erziehers geschoben und sollen dort die Ehe auf dem Bett vollziehen. Doch dies ist nicht möglich, weil der Mann nicht aufs Bett kommt. Als sie eine Zeitschrift entdecken „und so was haben die Erzieher auf dem zimmer“. Gemeint ist ein Pornoheftchen. Die beiden blättern und schauen, kichern und kommentieren. Sie gehen damit locker und offen um. Im Gegensatz zum Erzieher. Dieser verbietet dies wahrscheinlich aus normativen Gründen, obwohl das dann für ihn nicht gilt.
Was passiert in dieser Zeit in der Festung. Der isolierte Direktor appelliert an die Vernunft und legt ein Argument, Rechtfertigung für sein Verhalten dar. Er erzählt von einer Szene in der er jemanden zum Waschen gezwungen hat. „Und kannste dich noch erinnern wie sich alle im Waschraum die Hände gewaschen haben und er (Insasse) wollte nicht, da hab ich ihn dazu gezwungen. Schließlich herrscht bei uns ja Sauberkeit und Ordnung … die Ärmel waren dreckig, speckig und schmierig, darum hat er sich geschämt …, dann haben wir … ein neues sauberes Hemd geschenkt. Na da macht unser Beruf wieder Spaß und Freude.“
Der isolierte Direktor versucht den Gefangenen auf seine Seite zu ziehen. Andererseits bleibt ihm auch nicht viel. Er rechtfertigt sich für seine Berufsrolle, die seiner Meinung nach „Ordnung und Sauberkeit“ als Ziel hat. Anders gesagt sollen die Kleinwüchsigen sauber und ordentlich sein, weil sie es nicht sind. Dies führt zu Situationen, in denen der Erzieher „Zwang“ als geeignete Maßnahme erachtet. Er zwingt ihn, damit er es besser lernt. Also nicht selbstbestimmt, sondern durch Zwang Erziehung an ein Normenkorsett.
III Und ein Gockel trägt eine Maus und will sie aber für sich allein haben.
Dann wird ein Plan geschmiedet „ja ja das machen wir“. Hier wird zum ersten mal klar, dass nicht alle zurückgebliebenen zu dem aufständischen Mob gehören. Zwei blinde Kleinwüchsige sind auch irgendwie da. Und sie erledigen Aufgaben und spielen. Die anderen (Mob) beginnen jedoch die beiden zu ärgern. Indem sie zum Beispiel den Spielball klauen.
Andererseits zeigt der Film danach, dass eine der Mob-Gruppe auch ein Hobby hat. Sie sammelt Insekten und verschönert diese. Alle bewundern dies, als einer feststellt, dass die Sau (Schwein) tot ist. „wir waren das nicht“. Es bleibt ungeklärt, ob damit gemeint ist, dass sie nicht von der Gruppe umgebracht wurde, oder ob es einer Verleumdung gleich kommt. Zumindest beginnt jetzt eine neue Dynamik.
Eine weitere Kleinwüchsige fährt im Auto vorbei. Der Erzieher winkt vom Dach. Der Mob erklärt freundlich den Weg. Der Erzieher winkte und schrie nach Hilfe. Er ist langsam am Zweifeln, ob sie ihn gesehen hat, ob Hilfe kommt?
„nun ja raus lassen kann ich dich auch nicht, dann bin ich ja der Blamierte“
Der Erzieher ist in seiner Rolle als Erzieher gefangen. Er kann die Situation nicht einfach auflösen. Er schiebt die Blamage vor. Er würde sein Ansehen, seine Autorität verlieren. Er kann sich eben auch nicht wehren. Weil, die Gleichgültigkeit gegenüber den Strafen ihn sozusagen der Machtposition entheben.
Mit der Gleichgültigkeit der Mob-Gruppe und der Machtlosen Position des Erziehers entsteht ein Vakuum in dem es schon lange keinen Gewinner oder Verlierer mehr gibt. Der Unterdrücker kann sich nicht selbst befreien und deshalb muss eine Revolte von den Unterdrückten beginnen. Es folgen anarchistische Handlungen...
IV: Hahn pickt auf behindertes, einbeiniges Huhn
Für mich sind diese Szenen mit den Hühnern symptomatisch für die Nicht-Unterhaltung. Man müsst e jetzt anfangen da etwas hineinzuinterpretieren. Aber es erschließt sich nicht sofort. Und so bleiben diese Szenen ein versuchtes stilistisches Mittel das nächste Erzählkapitel einzuläuten. Meines Erachtens unnötig.
V: Hahnenkampf
Kritik:
Man ahnt es vielleicht schon, der Film wurde 1970 gedreht. Also als es auch darum ging die Hierarchien und Konventionen und deren umgesetzte Ideen zu zerstören. In diesem Sinne ist dieser Film gedreht.
Der Film nimmt den Zuschauer langsam in totalen Einstellungen mit. Zunächst schmunzelt man, macht sich auch lustig über diese Unterschiede zu dem was man als sich bezeichnend normaler Mensch und diesen „Zwergen“ kennt. Doch dies ändert sich und das drückt auch die Radikalität im Titel aus. Der Begriff „Zwerge“ wird (versucht; bin mir noch nicht sicher) umzudeuten. Das gelingt auch mit zum Teil absurden Szenen, gerade zum Ende, also dem Höhepunkt der Revolte. Dies wirkt dann surrealistisch. Und zwar in der Form, dass es mir zum Beispiel schwer fiel eine Logik hinter der Handlung zu sehen. Zwar begreift man, dass es gegen die Hierarchien und Konventionen ging. Dass das sich lustig machen, kichern und die Ironie eine Art Ausbruch und Befreiung bedeutet. Allerdings sind die Aktionen auch in gewisser Weise sinnlos. Denn sie richten sich nur gegen Mitbewohner, Eigentum und Natur. Aber der Erzieher oder Direktor wird gar nicht mit einbezogen. Dies löst sofort ein Bild im Zuschauer hervor. Ein Unwohlsein, eine traumhafte Begegnung mit dem Unbewussten? Naja ich will jetzt nicht in die Freudsche Logik einsteigen. Aber die dargestellte Zerstörungswut wirkt schon sehr inszeniert. Das macht neugierig, aber auch Unbehagen. Denn es wird eine Situation der Unkontrollierbarkeit inszeniert. Zum einen auf dem Bildschirm und zum anderen bei dem Zuschauer. Also in etwa so etwas wie „setz dich doch mal mit deiner Moralvorstellung auseinander“. Und man möchte sofort etwas dazu sagen. Doch die Szenedualität Außen – Innen; Anarchisch – Konventionell; Hilflos – Ideenreich; verhindert dies auch in gewisser Weise. Der moralische Wutpegel schwillt erst zum Finale an, der sich aber auch in Sinnlosigkeit auflöst.
Also die Heimerziehung ist ein dunkles Kapitel und darauf wird hier hingewiesen. In der heutigen Zeit wirkt der Film meines Erachtens jedoch zu sehr moralisierend für den Zuschauer. Da ist vieles zu Recht aufgearbeitet worden. Und da muss noch viel mehr getan werden. Aber dieser radikale, pointierte, fast schon ins verrückte gehenden Ton muss nicht mehr zwingend angesprochen werden. Deshalb wirkt der Film vielleicht auch surreal, da ein solches anarchistisches Szenario fast schon nicht mehr vorstellbar ist. Leider ist der Film auch nur bedingt unterhaltend. Auch wenn es mir nötig erscheint den Film zwei drei mal anzuschauen und dann darüber zu diskutieren und ihn zu beurteilen als Filmkritiker. Ob er unterhaltend genug ist um das zu tun ist eine andere Frage. Zumindest wirkt er wie eine Mischung aus den Film „Freaks“ und „sie haben alle geschwiegen“. Zumindest von der Thematik. Das ist doch schon mal ein Ansatzpunkt. Der Film lebt von seiner Surrealität. Der Film ist nicht zwingend unterhaltend, rührend, realistisch, hoffnungsvoll, mitfühlend, etc... er ist die Zerstörung der gesellschaftlichen Idee, dass Erwachsene Kleinwüchsige nicht Selbstbestimmt leben können. In diesem Sinne ist der Film ziemlich aktuell.
Fazit:
Dieser Film zerstört auch die Ideen der Zuschauer. Wer darüber hinaus ist, dass die Lust am schauen von Zerstörung Krank ist, wird diesen Film sicherlich mögen.
P. S. Warum erwähne ich die Namen nicht? Nun ja da sie kaum vorkommen. Mir scheint es durchaus gewollt die "Zwerge" als Kollektiv zu begreifen.