Keine Freudendivision
Bei Werner Herzog hat immer schon ein recht trocken-fieser, doch maximal menschelnder Humor durchgeschimmert - aber bei "Stroszek" ging er all-in in diese tragikkomische Richtung. Übrigens einer von David Lynchs liebsten Filmen. Der letzte Film, den der "Joy Division"-Frontmann vor seinem Freitod geguckt hat. Und ein echter Trip... Über den Herrn Bruno Stroszek - Kleinkrimineller, Retard, Rebell und Alki - der frisch aus der Nervenheilanstalt entlassen wird, nach Problemen mit der hiesigen Unterwelt aus Deutschland auswandert und in den Staaten den "amerikanischen Traum" komplett verdreht erlebt...
Eine Kneipenlegende
"Stroszek" hat genial Zeitkolorit, sowohl amerikanisches wie deutsches. Dazu eine brillante, bizarre und bescheuerte Hauptfigur. Voller Mitleid und Melancholie. Ein Spielball der Gezeiten. Der Beginn eines neuen Lebens. Und eben mit seinem ganz eigenen, dreckigen und gefährlichen Humor. Popelbremsen des Todes. Eiskalt eingeschneite Enten. Von Furzwitzen bis zu Selbstmordgedanken. "Stroszek" ist ein weirdes Biest. Wütender Whisky am Klavier. Und einer meiner Lieblingsfilme von Herzog. Sehr, sehr spleenig und erfrischend, gerade im Gegensatz zu vielen seiner sonst eher verkopften, theoretischeren Werke. "Stroszek" ist Situationskomik und Bittertragik. Er ist Absturz und Neuanfang. Stark wie der erste "Kaffe" des Tages. Wie Lametta von der Müllhalde. Richtig böse auch zum Großteil. Nie auch nur eine Minute lang berechenbar. Voller Wahnsinn und Wagemut. Auch voller Poesie, wie könnte es anders sein bei Herzog. Voller Weirdos und Freaks. Ein Original. Was für ein Original... Niemand der "Stroszek" gesehen hat, kann noch behaupten, dass wir deutschen keinen Humor besitzen. Absurdismus vom Feinsten. Er kann eben nur verdammt düster und bissig werden...
Von der Trinkhalle zu Ed Gein
Fazit: eine der bittersten Tragikkomödien der Filmgeschichte. Surreal, abenteuerlich, alles andere als weltfremd. "Stroszek" ist fies und fröhlich, gemein und glücklich, traurig und trügerisch. Ohne Frage eines von Herzogs besten und vielschichtigsten Werken. Bruno war auf Urlaub... "Stroszek" macht mir auch enorm Angst. Unangenehm, schmerzhaft und schutzlos wie ein nacktes Neugeborenes auf der Frühchenstation.