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Bruno S., in Heimen aufgewachsener Straßenmusikant, spielt sich nicht selbst, er bleibt als Bruno Stroszek er selbst. Aber dieses Hintergrundwissen muss ausgeblendet werden können. Film ist Film ist immer noch Film. Er muss auch von seinen wahren Schicksalen, die ihn umgeben, zu entkoppeln sein. "Stroszek" allein der Authentizität wegen zu rühmen, weil der Abgleich von Darsteller und darzustellender Persönlichkeit zu dem Ergebnis führt, dass hier beides fast deckungsgleich ist, hilft mir nicht weiter. Einen zu filmen, wie er selbst er selbst ist, ist wohl kaum schon eine große Meisterschaft. Die Rezeption jetzt also einmal von dem Wissen um den echten Bruno S. losgelöst: Ausschließlich die Figur Bruno Stroszek betrachtet, kann ich für mich nicht behaupten, dass deren Tumbheit ausreicht, sich an sie anzunähern. Gewiss, es ist ein armer Tropf. Doch Herzogs Bilder, die wahrhaftig authentisch sind, verhalten sich so abwesend von dem, was in ihnen geschieht, dass es schwerfällt, sich an irgendetwas festzuhalten. Hier verfährt Werner Herzog genauso wie mit seinen Darstellern; er bildet deutschen und amerikanischen Außenseiteralltag einfach ungekünstelt, ungeschönt und bedächtig ab, ohne Raum und Zeit filmisch zu manipulieren.

Diese Natürlichkeit allerdings ist auch unheimlich öde, öde an menschlicher Wärme und Emotionen, weil die Darsteller außerstande sind, sie zu zeigen, da sie ja so sind, wie sie sind. Symptomatisch die eigentlich lebendigste Szene des Filmes auf der Neugeborenenstation: Die kleinen Ärmchen und Beinchen des Frühchens, der unglaubliche Greifreflex des kleinen fragilen Menschleins. Bruno scheint zu tumb, um zu begreifen. Es ist auch wieder eine Kaspar-Hauser-Figur. Ein jenes untersozialisierte, eingeschüchterte Individuum würde wohl kaum das Fernweh heimsuchen und den Schritt ins Unbekannte nach Amerika wagen. An dem eilig geschriebenen Drehbuch ist im Gegensatz zum Bild wenig authentisch. Es ist ihm nicht möglich, nachvollziehbar zu erzählen, warum Eva ihren unselbstständigen Tor für einen Hurenritt mit korpulenten Truckern nach Vancouver im Stich lässt und es trennt den drolligen Herr Scheitz von Bruno auf plumpe Weise durch absurdes Polizistenverhalten. Bizarr wie unaufhörlich tanzende und Piano spielende Hühner das alles oder Auktionatoren, die ihre invitatio ad offerendum Guinessbuch-verdächtig schnell über einen daher rollen lassen. "Stroszek" hat mich einfach auf viele Weisen gerädert.

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