Ob blond, ob braun, ich trau keinen Frau'n - Plausability (Surprisingly Not) Missing Part 12
Eigentlich wäre ich an ein späteres Werk von Argento mit großer Sorge herangegangen, was ich hauptsächlich dem der reinen Formalität verhafteten „Opera" von 1987 und ganz besonders dem hundsmiserablen „The Card Player" von 2004 zuschreibe. Allerdings hat mich der durchaus solide „Sleepless" von 2001 trotz seiner TV-Aura auch hoffen lassen, dass „Das Stendhal-Syndrom" mit mehr Sorgfalt und Kohärenz hergestellt wurde und dem Ruf des Regisseurs eher gerecht werden würde. Bei allen Aufs und Abs in Argentos Oeuvre hoffte ich also auf ein Auf.
Insgesamt muss ich nun feststellen, dass ich während der Sichtung nicht vor Verzeiflung die Hände vors Gesicht schlug, denn die Grundidee, das außergewöhnliche und namensgebende Syndrom mit einer Serienkiller-Geschichte zu verquicken, wurde tatsächlich mit der notwendigen Hingabe ans Bildliche verwirklicht, ohne dabei Handlung, Logik und Schauspielführung der vollkommenen Egalisierung anheim fallen zu lassen, wie es beispielsweise in „Profondo Rosso" oder auch „Opera" der Fall war. Eine wirklich packende Story entwirft Argento mit Co-Autor Ferrini aber auch hier nicht, da der Regisseur erneut seinen Fokus auf das Bebildern legt, aber genau hier gewinnt der Film dann so viel an Stärke, dass die Geschichte im letzten Drittel zwar etwas vor sich hinplätschert, man aber eingelullt von den bisherigen optischen Eindrücken eher darüber hinwegsehen kann.
Erzählerisch widmet sich der Film dem verhältnismäßig nachvollziehbaren Psychogramm seiner Hauptfigur, wodurch die üblichen, aber eben auch ausgetretenen Pfade des Giallos von vornherein verlassen werden und die Frage, wer denn nun der Mörder sei, zu keiner Zeit eine wirkliche Rolle spielt, sieht man einmal vom Schlussdrittel ab, wobei das Mysterium seiner recht offensichtlichen Auflösung entgegenschreitet. Asia Argento liefert überraschend eine recht ansehnliche, wenn auch nicht unbedingt beeindruckende Darstellung der jungen Frau Anna Manni ab, wenngleich man ihr die Polizistin kaum bis gar nicht abnimmt, und Thomas Kretschmann als sadistischer Vergewaltiger und Mörder bietet für einen Argento-Film sogar ein eher ungewöhnliches Charisma. Auch hier würde ich keinen Preis verleihen wollen, aber angesichts der sonstigen schablonenhaften Abziehfiguren in allen Argentos sticht Kretschmann eindeutig heraus.
Die bisher von mir gelobte visuelle Stärke des Films entspringt im Wesentlichen der gelungenen Gestaltung der Sequenzen, in denen das sogenannte Stendhal-Syndrom einsetzt und Asia Argento die Grenze zwischen Kunstwerk und Betrachterin überschreitet. Als ich hörte, dass Dario Argento erstmals und recht ausschweifend mit CGI experimentierte, erwartete ich das Schlimmste, vor allem angesichts des Produktionsjahres, aber in einigen Szenen passt eben dieser artifizielle Anstrich so gut, dass der Film so etwas wie eine eigene Optik entwickelt, die sehr stimmungsvoll wirkt und somit eine große Stärke des Films ist. Zwar hauen dann überflüssige Szenen, in denen wir beispielsweise zwei Tabletten durch die Speiseröhre folgen, vollkommen daneben, da hier der Computer nicht den notwendigen Naturalismus abbilden kann, aber angesichts der weiteren gelungenen Kameraarbeit und Szenenbilder fällt das nicht so sehr ins Gewicht, dass es den ganzen Film zerstören würde.
Was mich bisher an Argentos Filmen oft störte, war die fehlende Logik in einzelnen Szenen, in denen sich Figuren vollkommen unverständlich verhielten und teilweise auch ein fehlender roter Faden, an dem ich mich als Zuschauer orientieren kann. Der scheint hier zwar nicht zu fehlen und die einzelnen Kapitel wirken durch das Figurenverhalten auch nicht permanent so beliebig wie in anderen Filmen des Regisseurs, aber leider verliert der Film sehr an Spannung, wenn der Mörder abtritt und scheinbar wiederkehrt. Ab hier verläuft der Film so erwartbar, dass es beinahe schon wieder überraschend ist, dass die Erwartungen dann genau so auch erfüllt werden. Hier gelingen Argento dann aber leider in der Inszenierung keine Highlights mehr, die über die inhaltliche Dürre hinwegtrösten könnten, so dass ein etwas fader Beigeschmack bleibt. Und letztlich gibt es zumindest eine Figur, die sich dann doch so doof verhält, dass ihr Ableben mehr als verdient scheint.
Fazit
Argentos Ansatz, durch seine Hauptfigur Kunst und Realität miteinander verschmelzen zu lassen, führt zu starken Passagen, die seinem Film eine große Eigenartigkeit verleihen. Allerdings läuft der Handlungsbogen so flach aus, dass die Spannung und damit auch der Unterhaltungswert im letzten Drittel zu sehr abnehmen und das Finale kaum als solches bezeichnet werden kann. Slowdown statt Showdown.
Kretschmann als fieser Vergewaltiger sorgt für einige eindrückliche Szenen, die Musik von Morricone ist durchaus ganz atmosphärisch bis unauffällig und die Straßen in Florenz und Rom werden sorgfältig in Szene gesetzt. Das Psychogramm der Hauptfigur will mir als Zuschauer aber nicht so recht schlüssig erscheinen, wenngleich ich es grundsätzlich mitdenken kann, und es wirkt fast, als hätte Argento am Ende nicht mehr so richtig Lust an einer austarierten Darstellung desselben gehabt, weil er seinen Spaß mit den Bildeffekten ja bereits gehabt hatte. Insofern bleibt sich der Regisseur auch hier wieder in seiner Entwicklung sehr treu und „Das Stendhal-Syndrom" bleibt in seiner Gesamtqualität und Eindrücklichkeit entfernt von Argentos Highlights der ersten 12 Jahre seines Schaffens, die zwar auch alle ihre Schwächen haben mögen, aber dafür regelmäßig großartige Szenen in recht hoher Dichte vorzuweisen haben.