"Evil Dead" oder die Frage, welchen Teufel das FSK-Prüfgremium geritten haben muss, dass es diesen Film ungeschnitten für die große Leinwand freigab.
Und auch die Juristenkommission sah in dem "sagenhaften Schlachtfest" (wie es die TV Today bezeichnet) keine schwere Jugendgefährdung - womit das Remake des Splatter-Klassikers "Tanz der Teufel" - bislang - einen besseren Stand in Deutschland hat als das Original von 1981, das noch immer in der ungekürzten Version bundesweit beschlagnahmt und selbst in einer entschärften Fassung indiziert ist.
Glück für den Gorehound, der den "schockierendsten Film, den man jemals gesehen hat" ohne Schnittauflagen genießen kann - und das sogar auf der riesigen Kino-Leinwand, auf der die dominierenden Soundeffekte und der kraftvolle Score besonders gut zur Geltung kommen.
Doch wie sehr trifft das Superlativ "der schockierendste Film" tatsächlich auf "Evil Dead" zu? Hat auch er das Potential zu einem Kultfilm wie das Original zu werden oder werden Plakatwerbung und die positiven Kritiken der Neuauflage nicht gerecht?
Ich gebe zu, dass für mich als Horrorfan Dämonen zu den Monstern der Filmgeschichte gehören, die mich am wenigsten interessieren.
"Der Exorzist", der Original "Tanz der Teufel" und dessen beiden Fortsetzungen und "Night Of The Demons" - selbst die italienische Variante "Dämonen I + II" vom Gespann Lamberto Bava (Regie) und Dario Argento (Produktion) - alles gesehen und bis auf die kruden Maskeneffekte gab es wenig, was mich wirklich überzeugt hätte. Sicherlich Meilensteine und bei eingefleischten Fans Meisterwerke der Filmgeschichte - aber es gibt dutzende Filme, die ich als Alternative - wenn ich die Wahl hätte - lieber schauen würde als Dämonenfilme.
Umso gespannter war ich auf eine Neuverfilmung des "TdT"-Stoffes und ich stellte mir die Frage, ob mich "Evil Dead" nach heutigen Maßstäben überzeugen würde und wie mit den heutigen technischen Möglichkeiten die Geschichte erzählt werden würde.
Ohne jegliches Vorurteil und ganz objektiv (aber unter Berücksichtigung dessen, dass hier ein Remake vorliegt) ließ ich mich auf den "Tanz der Teufel" ein und - ohne ein Urteil vorweg zu nehmen - sei an dieser Stelle erwähnt, dass ich eher Filme wie "Inside" oder "Martyrs" als schockierend empfinde als einen Dämonenfilm, der dem Zuschauer Monster fernab jeglicher Realität präsentiert.
Und in Zeiten, in denen das Subgenre des einst beschlagnahmten Splatterfilms wieder salonfähig geworden ist, und Filme wie "SAW", "Hostel" oder "Texas Chainsaw Massacre" Millionen von Menschen in die Kinos locken, erscheinen selbst die explizit dargestellten Gewaltsequenzen aus "Evil Dead" weniger schockierend als vielmehr wie bekannte Deja-Vus an etliche Genre-Vertreter, mit dem kleinen Unterschied, dass hier die Kettensäge - im Gegensatz zum hierzulande in der offiziellen Fassung geschnittenen "Texas Chainsaw Massacre: The Beginning" - bis zum bitteren Ende für einschneidene Erlebnisse beim Zuschauer sorgt.
Der Rest des tricktechnisch routiniert umgesetzen Splatter-Spektakels - von der Nagelpistole über die Abtrennung diverser Gliedmaßen, die Zweckentfremdung eines Toilettenspülkastens, explodierende Schädel durch eine Schrotladung bis hin zur Selbstverstümmelung eines Gesichts:
"Evil Dead" bietet nichts, was man zuvor nicht schon bei "Final Destionation", "Mirrors" und diversen Torture Porns zu genüge zu sehen bekommen hätte. Effektreich und ohne CGI in Szene gesetzt - aber auch nicht besonders innovativ.
Und um noch einmal auf das Filmplakat mit dem Superlativ zurück zu kommen: die Schockquote erfüllt sich bei "Evil Dead" auch nur zu 50 Prozent da die Inszenierung von Regie-Debutant Fede Alvarez so berechnend ist, so auf plakativen Thrill abzielend, dass die meisten Schocks ohnehin vorhersehbar sind.
Nervenkitzel und Spannung tendieren gen Null - Shocking over Suspense lautet die Devise, aufgemotzt mit eruptiven Gewaltausbrüchen, die handwerklich über jeden Zweifel erhaben sind - aber noch lange keinen guten Film machen.
Dabei fängt "Evil Dead" sehr verheißungsvoll an und beginnt mit einer Sequenz, wie man sie aus dem Original nicht kennt, um nach diesem kurzen Prolog das bekannte Szenario von "TdT" mit überschaubarem Personal abzuspulen.
Dabei wirkt "Evil Dead" weniger wie ein Remake im eigentlichen Sinn, sondern vielmehr wie eine weitere Fortsetzung der Saga, in der der Wagen von Ash (Hauptprotagonist der kompletten "TdT"-Reihe), die Schrotlinte und die Kettensäge vielmehr wie liebevolle Reminiszenzen wirken und die Story des Originals lediglich mit neuen Handlungsmustern und Überraschungen im Bodycount variiert wird.
Positiv anzumerken sei an dieser Stelle, dass in der Neuverfilmung vielmehr auf die Riten des "Necronomicon" und mögliche Maßnahmen um das herauf beschwörte Böse wieder zu vernichten, eingegangen wird.
Die berühmt-berüchtigte Baumszene des Originals wird ebenso zitiert und erweist sich dabei als weniger schockierend als im Original.
Und so kommen wir zum größten Makel von "Evil Dead", der sich über den gesamten Film zieht:
Bei allem inszenatorischen Perfektionismus, den hochwertigen Effekten und nicht den Hauch eines Ansatzes von Ironie verkommt die Neuverfilmung zur seelenlosen Nummernrevue blutrünstiger Blut- und Kotzexzesse und vorhersehbarer Schocks. Eine Nummernrevue, die nicht annähernd den Charme des Originals erreicht, das man in jeder Sekunde die Leidenschaft und die Liebe zum Detail anmerkte.
"Evil Dead" hat durchaus seine guten Momente - keine Frage! Doch wie schon das Original - und jeder andere Dämonenfilm auch - krankt der Film an seinem äußerst schwachen Handlungsgerüst.
Begrenzt auf die Waldhütte wird zwar die klaustrophobische Enge des Schauplatzes deutlich - ebenso aber auch, dass sowohl Original als auch Neuverfilmung nicht mehr bieten als die ständige Verwandlung in Dämonen und der Kampf gegen die Dämonen - was schnell den Effekt einer langweiligen und einfallslosen Endlosschleife hat.
Auch atmosphärisch ist das Low Budget-Original der Neuverfilmung haushoch überlegen: die unheimliche Atmosphäre des düsteren Waldes wird in "TdT" viel besser eingefangen als in "Evil Dead" und auch der Härtegrad des Originals ist trotz seiner preisgünstigen und schlechten Effekte deutlich höher als bei der Neuverfilmung.
Vor allem deren absurdes Finale schwankt zwischen Genialität und Wahnsinn, das mit seinem schon fast unverschämten Twist mit der Erwartungshaltung des Zuschauers spielt, den aber gleichzeitig dermaßen vor den Kopf stößt, dass der infernalische Blutregen als Erfüllung der Prophezeiung des "Necronomicon" kaum noch Beachtung findet und in einem mehr als peinlichen, an den Klassiker "Das Omen" anspielenden Score untergeht, der "Evil Dead" jegliche Hoffnung auf eine bessere Bewertung im Filblut ertränkt.
Letzten Endes ist "Evil Dead" nichts weiter als ein seelenloses, hochglanzpoliertes Remake mit einigen Härten, dessen Hype kaum verständlich und auch nicht berechtigt ist.
Regisseur Fede Alvarez wollte das Original übertrumpfen - doch statt Herzblut und Leidenschaft hat sein Werk nichts weiter zu bieten als einfallslose Splattereffekte und ein paar Schocks - aber nichts, was das Original in den Schatten stellen könnte.
Ein Film der verschenkten Möglichkeiten - 5,5/10