„Zuerst reiß ich dir deinen Arm ab und dann hau ich dir mit deinem Arm wat vor die Schnauze!“ (Die Kassierer)
„The Toxic Avenger“ aus dem Jahre 1984, in Deutschland seinerzeit stark gekürzt als „Atomic Hero“ vermarktet, persifliert in einem aberwitzigen Splatter-Spektakel sowohl den Körperkult und Fitness-Wahn der 1980er als auch den Superhelden-Mythos und machte mit seinem überraschenden Erfolg die US-amerikanische Low-Budget-Trash-Schmiede „Troma“ populär. Regie führten die Troma-Regisseure Lloyd Kaufman und Michael Herz.
Der schmächtige und trottelige Verlierer Melvin (Mark Torgl) arbeitet als Putzmann im Tromaviller Fitnesscenter und sieht sich dort permanent dem Spott der schönen und erfolgreichen Gewinnertypen ausgeliefert. Die sadistischen Streiche führen eines Tages so weit, dass der Ärmste kopfüber in radioaktiven Giftmüll stürzt, der in offenen Fässern durch die Straßen gekarrt wird. Das hat zur Folge, dass Melvin zum Toxic Avenger (Mitch Cohen, „Clerks - Die Ladenhüter“) mutiert, einem furchtbar entstellten, jedoch superstarken Superhelden, der fortan für Ordnung auf den Straßen sorgt, eine blinde Freundin findet und sich vor dem korrupten Bürgermeister (Pat Ryan, „Street Trash“) in Acht nehmen muss, der schließlich gar die Nationalgarde auf ihn hetzt…
„The Toxic Avenger“ ist Kult – das weiß jeder. Diese supertrashige Farce ist augenscheinlich billig, will auch genauso wirken, setzt auf einen hoffnungslos überdrehten und überzeichneten Humor und durchbricht nicht nur mit seinen großzügigen Splatterszenen jede Grenze des guten Geschmacks. Das beginnt mit einem fast die gesamte Eröffnungssequenz durchdudelnden, unheimlich nervigen Pop-Song, setzt sich fort in zu jeder Gelegenheit eingestreuten Oben-ohne-Mädels sowie Dialogen à la „Sie ist nur zwölf Jahre alt und sie kostet auch nur zwölf Dollar!“ und manifestiert sich in erschossenen Blindenhunden und zusammengeschlagenen Rentnerinnen sowie in zahlreichen Splatter-Szenen, wenn beispielsweise zu Beginn die Fitness-Prolls für ein perfides Punktspiel absichtlich einen Jungen totfahren und die Kamera voll draufhält. Gut, dass es mit unserem „Toxie“, wie ihn die Bewohner Tromavilles liebevoll nennen, jemanden gibt, der als moralische Instanz fungiert und bewaffnet mit einem Wischmopp zum Helfer in allen Lebenslagen wird...
Nach seiner mittels wirklich guter Masken- und Spezialeffekt-Arbeit zelebrierten Mutation ist Melvin nicht länger das von allen als Fußabtreter missbrauchte Muttersöhnchen, sondern ein humanoides Monstrum mit gutem Herzen, das auf die Müllkippe zieht. Längere Zeit zeigen ihn Herz und Kaufman ausschließlich von hinten, um ein wenig mit der Frage nach seinem finalen Äußeren Spannung zu erzeugen. Das ist ein ehrenwerter Versuch, denn klassische Spannung ist natürlich nicht Thema dieses Streifens. Stattdessen setzt man auf viele alberne Gags, auf Slapstick (auf Kosten Sehbehinderter) und köstliche Szenen aus dem Liebesleben Toxies. Ein paar Dollar investierte man darüber hinaus in actionreiche Autostunts. Zur eingangs erwähnten thematischen Ausrichtung gesellen sich schließlich noch die industrielle Umweltverschmutzung, die der Film aufs Korn nimmt – selbstverständlich auf plakativste Weise – und ein ausgestreckter Mittelfinger in Richtung Obrigkeit, die mit der Industrie gemeinsame Sache macht und sich einen feuchten Kehricht um die Interessen der einfachen Bevölkerung schert. Apropos plakativ: Fast sämtliche Darsteller betreiben permanentes Overacting, allen voran Mark Torgl als Melvin, der quasi die Definition des Overactings mit viel Mut zur Selbstverballhornung verkörpert. Ausgebildeter Schauspieler ist hier wohl kaum jemand und das macht schlicht überhaupt nichts. Etwas schwerer wiegt es da, dass die Einleitung des Finales ein bisschen langwierig geriert und der Soundtrack sich nach seinem schwachen Einstieg kaum steigert und belanglosen ‘80er-Pop abspult.
Nichtsdestotrotz ist „The Toxic Avenger“ aber zweifelsohne ein grenzüberschreitendes Feuerwerk des schlechten Geschmacks und mit seinem anarchischen Humor sowie dem Pfeifen auf sämtliche Konventionen und die selbstzensierende Schere im Kopf ein herausragendes Beispiel für freiwilligen, satirischen Schmodder-Trash, der trotz allem oder gerade deshalb ein weit über Insider-Kreise hinausgehendes Publikum fand. Beseelt vom Erfolg spendierte „Troma“ bis dato drei Fortsetzungen.