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Um THE COMPLEX – DAS BÖSE IN DIR gleich einzuordnen sollte man wissen, dass Regisseur Hideo Nakata der Urvater der THE RING Mehrteiler ist. Ende der 90er Jahre hatte er mit RINGU bis heute stilprägenden Einfluss auf den Horrorfilm. Seine Kombination von typisch japanischen Kulturelementen und den immer mehr persönlichen Raum einnehmenden Medien hat viele deutlich schlechtere Nachahmer dieser speziellen Ästhetik nach sich gezogen. Es scheint, dass er nach diversen anderen Filmen nun an seine eigenen Anfänge anknüpfen will, in dem er mit gezielten Schocks und verstörenden Elementen die Zuschauer wieder an sich binden will.

THE COMPLEX (im Original: Kuroyuri danchi) handelt von der jungen Asuka, die mit ihrer Familie in einen Wohnkomplex eingezogen ist, und seltsame Geräusche hört. Bald verhalten sich auch andere Mitbewohner seltsam und Asuka merkt, dass etwas nicht stimmen kann. Doch das ist erst der Anfang….Spannung ist durchaus vorhanden, wenn Asuka durch die oft halbdunklen Räume läuft und man zwar eine Ahnung hat was als nächstes passieren wird, aber Regisseur Nakata es doch immer wieder mal schafft den Zuschauer zu überraschen. In der ersten Hälfte wird genregemäß erst einmal der Rahmen für die weitere Handlung abgesteckt und es sind so gut wie keine dramaturgischen Höhepunkte zu verzeichnen. Noch ist offen wohin diese Geschichte uns führen wird.

Wird es eine klassische Geistergeschichte geben oder etwas ganz Anderes? Nakata wäre natürlich nicht er selbst, wenn er nicht auch faustdicke Überraschungen zu bieten hätte, mit denen er an seinen eigenen Kultstatus und seine kreative Hochphase erinnern möchte. So ergibt sich zur Hälfte der Laufzeit ein schroffer reset des bisher Gesehenen in Form einer mächtigen Storywendung und der Zuschauer darf mit seinen Spekulationen und Interpretationen von vorne beginnen. Dabei erfährt die Geschichte von THE COMPLEX - ohne etwas zu verraten - fast eine Umkehrung der Struktur klassischer Horrorgeschichten im Sinne der inversen Darstellung der üblichen Transformation von einer abstrakten Bedrohung zu einer expliziten. Dabei nutzt Nakata die bekannten Formeln und Ästhetikelemte von plötzlich auftretenden Rissen und anderer Erscheinungen, die wir aus unzähligen ähnlichen Genrebeiträgen kennen.

Wirklich erschreckend wirkt dabei nur wenig und wie so oft gerade in japanischen Filmen ähnlicher Art erleben wir im weiteren Verlauf eher ein Drama mit mehr oder weniger übersinnlichen Elementen. Das dramaturgische Tempo ist grundsätzlich als relativ zäh zu bezeichnen und THE COMPLEX wirkt für Asiafilm-unerfahrene Seher wahrscheinlich recht unzugänglich und dramaturgisch sperrig. Im Schlussteil sammelt der Film durch eine Reihe von drastischeren Szenen zwar einige Pluspunkte. Aber auch wenn in Punkto Atmosphäre alles richtig gemacht wurde und sowohl die Kameraarbeit und die technische Umsetzung als auch die darstellerischen Leistungen angemessen bis top sind, es fehlt der springende Funke, die kleinste mitreißende Innovation, die wirkliche Begeisterung oder Identifikation mit den Beteiligten um THE COMPLEX aus dem unteren Mittelmaß zu retten.

4,5/10 Punkten

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