Mit "Superman" fing alles an - Jerry Siegel und Joe Shuster schufen in den 30er Jahren den ersten Mann mit Superkräften, der zum Vorbild für viele weitere Superhelden werden sollte. Doch während die späteren Kreationen immer komplexer wurden - sowohl hinsichtlich ihrer Fähigkeiten, als auch ihrer Charaktere - war "Superman" einfach ein aufrechter Amerikaner, der seine Landsleute vor jedem Unheil beschützte, zudem mit Fähigkeiten gesegnet, die in jeder Hinsicht grenzenlos waren.
Noch bevor er auf der Erde landete, wo er von dem kinderlosen Ehepaar Kent gefunden und adoptiert wurde, sprang er als Kleinkind während seines Flugs mit einer Raumkapsel - in die ihn seine Eltern gesteckt hatten, um ihn vor dem Untergang seines Heimatplaneten Krypton zu retten - auf einen Meteoriten, um zu spielen, womit er diesen aus seiner geplanten Bahn warf und Metropolis (der Comic-Wiedergänger von New York) vor der sicheren Zerstörung rettete. Viel mehr brauchte es damals nicht, um die Voraussetzungen für ständig neue Heldentaten zu schaffen, die er als Heranwachsender weiter vollbrachte, weshalb ihm als Erwachsenem weltweite Popularität entgegen schlägt, vor er der er sich nur mit seiner Privatidentität als Clark Kent schützen kann, die leider einen Nachteil hat. Die von ihm angebetete Lois Lane, die wie er bei der selben Zeitung arbeitet, steht auf "Superman", hat für den etwas unscheinbaren Kent aber nur freundschaftliche Gefühle übrig.
Angesichts selbst zweifelnder Superhelden, die innerhalb einer immer unübersichtlicheren Welt nicht mehr wissen, ob ihre Taten Rettung oder Zerstörung bedeuten, wirkt die eindimensionale Figur "Superman" inzwischen veraltet, weshalb Christopher Nolan und sein Co-Autor David S.Goyer versuchten, nach "Batman" auch "Superman" wieder in die Gegenwart zurück zu bringen - unter der Regie von Zack Snyder, der sich als Spezialist für Comic-Verfilmungen ("300", "Watchmen") schon einen Namen gemacht hat. Auch die übrigen Voraussetzungen waren viel versprechend, denn mit Russel Crowe, Mike Shannon, Amy Adams, Kevin Costner und Diane Lane verfügt "Man of Steel" über eine exzellente Besetzung und das der eher unbekannte Henry Cavill "Superman" spielt, beließ die Titelfigur in einem von Erwartungen freien Zustand.
Doch anders als "Batman" oder spätere Comichelden, die auch menschliche Schwächen haben, war "Superman" die Verkörperung einer aus einer anderen Welt stammenden nahezu göttlichen Idealfigur - einerseits unbezwingbar und zum Vorbild geboren, andererseits bescheiden, uneitel und ohne Machtinteressen. Ihm negative charakterliche Seiten anzudichten wäre einer Destruktion gleich gekommen und hätte auch sein Verhalten, seine Kräfte nie gegen die Menschen einzusetzen, in Frage gestellt. Deshalb wählten Nolan und Goyer den Ansatz, die Menschheit selbst realistischer zu zeichnen. In Rückblenden beschreiben sie eine Kindheit, die weit entfernt von der goldigen Comic-Version ist. Sein Adoptivvater Jonathan Kent (Kevin Costner) warnt ihn vor den Folgen, die die Kenntnis von seinen Fähigkeiten erzeugen würde, denn alles was sie nicht kontrollieren oder begreifen können, jagt den Menschen Angst ein, führt zu Aggression und Ablehnung.
Die besten Szenen des Films spielen entsprechend in der Kindheit, denn sie erzeugen widersprüchliche Emotionen und brechen mit der Illusion, dass überragende Fähigkeiten automatisch beliebt machen. Leider widmet sich "Man of Steel" dieser Phase nur kurz, denn die Action findet natürlich in der Gegenwart statt. Und dort existieren bekanntlich einsichtige erwachsene Menschen, die unvoreingenommen auf "Superman" (Henry Cavill) zugehen - allen voran Lois Lane (Amy Adams), die toughe Reporterin, aber mit der Zeit auch die Militärs um General Swanwick (Harry Lennix) und Colonel Hardy (Christopher Meloni), die wissen, dass "Superman" auf der richtigen, nämlich ihrer Seite kämpft. Kurze Zweifel waren angebracht, denn die Erde (genauer die USA) wird von einem Alien-Raumschiff angegriffen, dass vom Planeten Krypton stammt, Supermans Heimatplaneten.
Auch in den Comics mussten Katastrophen oder Außerirdische als Gegner für Superman herhalten, denn für die normale Menschheit war er einfach zu stark. Hier erweiterten die Macher die Ereignisse auf Krypton um eine Revolte des Generals Zod (Michael Shannon), der vor den Augen Jor-Els (Russel Crowe) den Präsidenten erschießt, weil er der Zerstörung Kryptons nicht tatenlos zusehen will. Ganz schlüssig gelingt die Anfangssequenz nicht, die Jor-El und seine Frau Lara Lor-Van (Ayelet Zurer) dazu veranlassen, ihren kleinen Sohn per Raumkapsel gen Erde zu schicken, denn während Krypton implodiert und alle Bewohner sterben, überleben ausgerechnet Zod und seine Offiziere, da sie wegen ihres Aufstands kurz zuvor verbannt wurden. Mit dem Verschwinden Kryptons, erlischt auch die Kontrolle über ihr Gefängnis, weshalb sie sich auf die Suche nach Kal-El machen können, wie Clark Kent auf Krypton genannt wurde.
Über die Unlogik dieser Ausgangssituation ließe sich leicht hinweg sehen, wäre sie nicht signifikant für den gesamten Film, der zunehmend zum austauschbaren Alien-Film verkommt, mit "Superman" als Ein-Mann-Armee, unterstützt von wenigen, besonders mutigen Soldaten und natürlich Lois Lane. Krypton war eine Diktatur - die Geburt von Kal-El war die erste natürliche Niederkunft seit Generationen, da die Säuglinge schon für ihre spätere Rolle gezüchtet wurden - und General Zod hat entsprechend keine anderen Vorstellungen für die Zukunft der Erde. Deshalb trifft es sich gut, dass der im Geiste Amerikas aufgewachsene Clark Kent diesen üblen Gegner bekämpft, der leider genauso stark ist wie er.
Aus dieser Situation hätte Zack Snyder echte Spannung entwickeln können - herausgekommen ist nur ein unendliches CGI-Zerstörungsgewitter, dass die Wolkenkratzer wie Kartenhäuser zusammenfallen lässt, begleitet von Hans Zimmers ewig gleichem Orchester-Getöse. Auch 3D hilft nicht mehr, wenn zwar das Glas splittert und sich die Stahlprofile verbiegen, dabei aber Niemand wirklich zu Schaden kommt. Die Gegend von Metropolis sieht wie ein Schlachtfeld aus, in dem Millionen Menschen zu Tode gekommen sein müssten, aber alle Situationen werden so familiengerecht serviert, dass Leid und Unglück nicht zu existieren scheinen - selbst der Wiederaufbau scheint kein Problem zu sein wie die letzte Szene vermittelt.
Damit entfernten sich Nolan und Goyer von dem komplexen Beginn des Films und schwenkten in Richtung Eindimensionalität, ohne dabei den naiven Charakter der Comicvorlage zu erreichen. Noch weiter entfernten sie sich von ihrem pessimistischen Blick auf die menschliche Sozialisation in der "Batman"-Trilogie, denn "Man of Steel" reiht sich stattdessen konturlos in die übliche Alien-Angriff-Thematik ein, ohne dabei echte Spannung oder gar zwiespältige Emotionen zu erzeugen - angesichts der Voraussetzungen eine echte Enttäuschung. (4/10).