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1998 duellierten sich zwei lang erwartete und mit Vorschusslorbeeren überhäufte Antikriegsfilme an den Kinokassen: „Saving Private Ryan“ und „The Thin Red Line“. Während Steven Spielbergs („Jaws“, „Minority Report“) Werk zumindest in finanzieller Hinsicht als großer Gewinner aus dem Konkurrenzkampf hervorging, feierte die Presse Terrence Malicks („Badlands“, „Days of Heaven“) philosophischen und bei weitem nicht so vordergründig auf Adrenalinförderung ausgelegten Film. Ähnlich wie seinerzeit Oliver Stone („Natural Born Killers“, „Alexander“) mit „Platoon“, hatte Malick im Vorfeld und während der Produktion mit enormen Schwierigkeiten zu kämpfen. Er überwarf sich mit seinen beiden Produzenten Robert Michael Geisler und John Roberdeau und musste um die Finanzierung seines Projekts kämpfen. Dennoch standen die Hollywood-Stars Schlange und sei es nur, um eine kleine Nebenrolle oder einen besseren Cameo, zu ergattern. So geschehen mit George Clooney („From Dusk Till Dawn“, „Three Kings“), John Travolta („Swordfish“, „Basic“), John Cusack („Identity“, „Runaway Jury“), John Savage („White Squall, „Crossing Guard“) oder auch Woody Harrelson („Natural Born Killers“, „Money Train“), um nur ein paar zu nennen.

Während Spielbergs Exposition ein atemberaubendes Effektfeuerwerk sondergleichen ist, bewahrt Malick Ruhe und verlässt sich, zu Hans Zimmers („The Rock“, „Gladiator“) einfühlsamen Score, ganz auf die magischen Bildkompositionen des Ausnahmekameramanns John Toll („Braveheart“, „The Last Samurai“). „The Thin Red Line“ strahlt zu Beginn eine so friedfertige Ruhe aus und lässt kaum erahnen, dass es sich hier um einen Kriegsfilm handelt. Die noch unberührte Natur auf dieser Pazifikinsel erscheint so idyllisch und keimfrei. Ein Platz, an dem die Welt noch in Ordnung ist, an dem die Eingeborenen noch ein sorgenfreies Leben, fern von Gewalt, führen können. Doch der Friede ist trügerisch, denn auch hier hat längst der 2. Weltkrieg Einzug gehalten. Noch tollen die G.I.s mit den dortigen Inselbewohnern herum. Ihr Marsch an die Front wirkt in dieser so friedlichen Umgebung fast wie ein Ausflug, eine Wanderung am Sonntag. Doch der Krieg ist anders, dass wissen auch sie. Einige von ihnen erleben es zum ersten Mal.

Malick entfernt sich weit von aktuelleren Genrebeiträgen und unterbricht die Schlachten immer wieder durch Augenblicke der Poesie, in der sich ganz einem Naturschauspiel widmet und es vor dem Grauen des Kriegs entweder komplett isoliert oder die Gewalt einwirken lässt. Einst war die Menschheit selbst ein Teil der Natur, nun schenkt sie ihr keine Beachtung mehr, empfindet sie bisweilen als störend und tödlich. Das hohe Gras, so banal es klingen mag, ist ein Fremdkörper, durch den es sich zu kämpfen gilt, um die wartenden Japaner zu töten. Dieser erste Konflikt wird nicht in blutigen Details wiedergegeben, auch wenn viele Soldaten sterben – durchlöchert von Kugeln, zerrissen von Granaten. Es ist viel mehr ein Zeugnis von Angst und Ungewissheit. Die Soldaten wissen in ihrer Situation gar nicht was ihnen blüht. Ihr aggressiver, jähzorniger und ehrgeiziger Kommandeur Lt. Col. Tall (Nick Nolte) verheizt sie, nimmt ihren Tod als akzeptablen Verlust hin und enthebt den überlegt handelnden Captain Staros (Elias Koteas) wegen Befehlsverweigerung seines Postens. Das sind gewiss keine neuen Ideen, aber Malick verpackt sie klischeefrei, ernst und mit einer hohen Portion Glaubwürdigkeit. Auch wenn „The Thin Red Line“ in diesen unüberschaubaren Scharmützeln das „Mittendrin“ – Gefühl von „Saving Private Ryan“ fehlt, gelingt es ihm das Publikum zu erreichen. Das liegt vor allem an den ruhigen Momenten und tödlichen Schicksalen, denn die sind gegen die Maxime des Unterhaltungskinos nicht überdramatisiert.

Die oft gelobten und auch kritisierten inneren Monologe diverser Charaktere, sollen philosophische Tiefsinnigkeit manifestieren. Was auf dem Papier als Konzept sicher noch gut aussah, verfehlt hier leider seine Wirkung. Malick ist so mit seinen atemberaubenden, emotionalen Bildern beschäftigt, dass er den Monologen den Platz wegnimmt. Der Zuschauer wird grundsätzlich visuell abgelenkt und kann sich so kaum auf die bisweilen mahnenden Worte konzentrieren. Weniger ausschmückende Bilder und kurze, prägnante, nicht so ausufernde Sätze wären hier sicher von Vorteil gewesen und hätten ihre Wirkung nicht verfehlt.

Honorieren muss man die Darstellung beider Seiten. Weder gibt es, abgesehen von Lt. Col. Tall, Klischeecharaktere, die den Krieg als Kick empfinden und das Töten brauchen, noch verbrämte Feindbilder. In „The Thin Red Line“ sind sie alle Männer, die nur ihren Job tun, daran kein Vergnügen finden können, aber ihn machen, weil er gemacht werden muss und sie sich für den Kriegsdienst entschieden haben. Sie haben Angst vor dem Tod und vor dem unsichtbaren Feind. Was sich im feindlichen Camp entlädt, ist kein Massaker aus Kriegsgeilheit, sondern ein Kurzschluss - die Entladung von Angst, Stress und Wassermangel. Eine ganze Reihe unterschiedlicher Charaktere wird aufgegriffen und der Einfluss der Extremsituation Krieg auf ihre Gemüt konkretisiert. Die Analyse dessen ist dem Zuschauer selbst überlassen.

Bei seinem hohen Anspruch schafft es Malick leider nie eine dramaturgische Beständigkeit aufzubauen. Die Laufzeit seines ersten Schnitts betrug seinerzeit 6 Stunden, dich schon die jetzigen 170 Minuten zerren hin und wieder arg an der Geduld des Zuschauers. Man sollte sich von vorneherein klar sein, dass „The Thin Red Line“ nie ein vordergründiger Unterhaltungsfilm ist, nur sollte der Film sich, selbst in seiner ungewohnten Betrachtungsweise, der Interesse des Publikums sicher sein. Insbesondere Pvt. Witts (James Caviezel, „Highwaymen“, „The Passion of the Christ“) gedankliche Streifzüge hinterlassen ein Gefühl der inhaltlichen Leere. Mehrmals ertappte ich mich dabei, nochmal zurückzuspulen und die Worte noch einmal wirken zu lassen – nur weil nichts hängen geblieben war. Dabei hat dieser interessante Sonderling, mit seinen ganz eigenen Ansichten von Leben und Tod, von allen noch die meiste Screentime.


Fazit:
Da Terrence Malick seinen Film von 6 auf knapp 3 Stunden herunterschnitt, ist eine schwer zu folgende, holprige Erzählweise nicht wegzuleugnen. Die so tiefgründig und philosophisch wirkenden Monologe sind erschreckend aussagelos und vergeistigt. So bleibt „The Thin Red Line“ ein anspruchsvoller, in seiner Herangehensweise erfrischend anderer Antikriegsfilm, der gar nicht mit seinem Staraufgebot zu protzen braucht, sondern ganz durch seine ruhigen Bildkompositionen und Ernsthaftigkeit glänzt. Die realistische Darstellung seiner Charaktere, sowie realistische, anstatt plakative, Kriegsscharmützel machen Malicks Werk zu einer Ausnahmeerscheinung unter den vielen Kommerzprodukten.

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