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Als Madonna noch Punk war

Der zwischen 1979 und 1981 gedrehte, rund einstündige Film „Madonna in: A Certain Sacrifice“ war ein Projekt des US-amerikanischen Filmstudenten Stephen Jon Lewicki. Die Mischung aus Exploitation-Drama und experimentellem Amateurfilm wurde erst 1985, nachdem Darstellerin Madonna zur überaus populären Popsängerin avanciert war, per Videoveröffentlichung einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Madonna klagte daraufhin gegen die Veröffentlichung, unterlag jedoch vor Gericht.

Die junge, attraktive Bruna (Madonna, „Susan… verzweifelt gesucht“) hat ein „Liebessklaven“ genanntes, gemischtgeschlechtliches Trio um sich geschart, das ihr treu ergeben ist. Eines Tages verliebt sie sich in den juvenilen Herumtreiber Dashiel (Jeremy Pattnosh), der wiederum in einer Kneipe den reaktionären Kriegsveteran Raymond Hall (Charles Kurtz) kennenlernt, als dieser ihn ungefragt vollquatscht. Dashiel bleibt gelassen, macht Raymond aber unmissverständlich klar, dass er auf seine Bekanntschaft keinerlei Wert legt. Dies kann Raymond jedoch nicht auf sich sitzen lassen und beginnt, Dashiel zu terrorisieren – was darin mündet, dass er Dashiels neue Freundin Bruna auf einer Imbisstoilette vergewaltigt. Dashiel, Bruna und ihre Liebessklaven schwören grausame Rache…

Der hierzulande auch als „Madonna – Die Rache der Liebessklaven“ vermarktete Film ist ein dreckiges Stück New Yorker Underground, das auf billigem 8-mm-Schmalfilm gedreht wurde. Darauf weist auch eine Texttafel zu Beginn hin, die sich vorauseilend für die Limitierungen dieses Mediums entschuldigt. Das verwaschene, häufig zerkratzte Bild verleiht dieser überwiegend mit Laidendarstellerinnen und -darstellern gedrehten Studentenarbeit indes einige Authentizität, dürfte dafür aber jegliches Madonna-Mainstream-Publikum abschrecken. Bisweilen etwas unbeholfen auf Neo-noir getrimmt mutet es an, wenn der Off-Erzähler recht ausschweifend die Figuren vorstellt oder Handlungselemente erzählt, die im Gegenzug – vermutlich aus Zeit- oder Budgetgründen – nicht gezeigt werden. Seinen experimentellen Anstrich erhält „A Certain Sacrifice“, wenn einzelne Sequenzen – vornehmlich Liebesszenen – in Videoclip-Manier zu Underground-New-Wave-Songs ablaufen, die mal mehr, mal weniger hörenswert sind und offenbar hauptsächlich von Pattnosh persönlich eingesungen wurden, der auch am Drehbuch beteiligt war.

Madonna, die hier hin und wieder Einblicke in ihre Oberweite gewährt, wird zur Schlüsselfigur der Handlung, deren Vergewaltigungsszene dankenswerterweise nicht grafisch ausgekostet, jedoch Anlass für einen Rachefeldzug wird. An dessen Ende steht eine Punk-Performance, bei der (Achtung, Spoiler!) Raymond rituell zerlegt und anschließend verstoffwechselt wird. Diese Zuspitzung der Ereignisse ist in ihrer Radikalität dann doch überraschend, verleiht jedoch der Wut der Protagonistinnen und Protagonisten auf Typen wie Raymond und wofür sie stehen, auf ihre Macht, die sie sich einfach nehmen, ihren Machismo und Sexismus, ihre sexuelle Ausbeutung anderer und ihre Gewalttätigkeit, Ausdruck.

Das macht „A Certain Sacrifice“ für am New Yorker No-Budget-Underground der späten Siebziger bis frühen Achtziger Interessierte zu einer sehenswerten urbanen Revolte, auch ganz ohne Madonna-Bonus.

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