Review

Nie verschmolzen Wirklichkeit & Fiktion eindringlicher 

"Close-Up" ist ein Film, wie er einmaliger nicht sein könnte. Dieses vielschichtige & extrem schlaue iranische Werk von 1990, verschmilzt Träume, Realitäten, Wünsche, Filmemachen, Recht, Masken, Schuld & Vergebung auf so eine verzwickte Weise, dass ich nur ganz selten so einen starken Drang verspürt habe, direkt nach dem Abspann wieder auf Play zu drücken. Und auch wenn ich normalerweise aus Zeitgründen nie das Bonusmaterial, noch nichtmal Making Ofs anschaue, komme ich hier nicht drum herum. 

Der verschachtelte, unchronologische Film behandelt in seinen 98 Minuten mehr, als so manch ein Buch über die angeschnittenen Themen. Es geht um einen armen Filmfan, der sich bei einer reicheren Familie als ein großer iranischer Regisseur ausgegeben hat & so eine Zeit lang seinen Traum leben konnte. Nun muss er sich für dieses Theater & den Betrug vor Gericht behaupten. Der Film enthält sowohl Ausschnitte aus der realen Gerichtsverhandlung als auch nachgedrehte Szenen wie es in etwa ablief. Und alles ist durcheinander geschnitten & es erfordert enorme Aufmerksamkeit, um am Ball zu bleiben bzw. die zeitlichen Kontexte & Realitätsebenen zu entschlüsseln. Das ging so weit, dass angeblich noch nicht einmal der Regisseur mehr weiß, welche Szenen & Texte vorgegeben & welche echt oder improvisiert waren. Alle Menschen spielen sich selbst, Doku & Film fusionieren, Method Acting wird an seine Grenzen getrieben. Was ist echte Wut, was echte Traurigkeit? Was ist überhaupt echt & spielen wir nicht eh alle immer Rollen?

Als eine Art "Pulp Fiction" der künstlerischen Filme beeindruckt & unterwandert der Film nicht nur durch seinen undurchsichtigen Aufbau die Erwartungen des Zuschauers, er wirkt auch zeitlos & bindet die Konzentration enorm. So entsteht zusammen mit echten Darstellern eine Sogwirkung, die Gerichtsdramen sonst eher fremd ist. Die eigentliche Geschichte um Betrug & Vergebung ist auch menschlich & nicht uninteressant, geht aber hinter den filmischen Aspekten (sowohl Themen als auch Machart) gnadenlos unter, egal wie traurig & vielseitig Herr Sabzian sich selbst spielt. Insgesamt bietet dieses iranische Meisterwerk also sowohl technisch als auch thematisch genug Ansatzpunkte für Staunen & Faszination, sodass ich beide Daumen weit nach oben zeigen lasse. Aber alles andere als Mainstream-Unterhaltung!

Fazit: Kiarostamis Meisterwerk & ein Film, der sich samt seiner hintergründlichen Message in das Gedächtnis schleicht. Sehenswert, nein Grundausbildung für alle Arthouse-Fans, Psychologen & Filmstudenten!

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