Nicht auflegen! (2002)

Der Grund, warum Telefonzellen aussterben?

"Phone Booth" ist ein Highspeed-Kammerspiel. Passt nicht zusammen? Oh doch. Joel Schumacher in Topform und schon längst rehabilitiert vom "Batman & Robin"-Debakel. Colin Farrell, eine Telefonzelle in der aufgeheizten Stadt die niemals schläft, ein Scharfschütze mit teuflisch-tiefer Stimme, der droht Farrell zu erschießen, wenn dieser sein Minigefängnis verlässt - fertig ist Adrenalinkino vom Feinsten. Hitchcock wäre zufrieden, ebenso wie Jigsaw oder sogar ein paar der Könige des Actionkinos der 90er. Eine fiese kleine Mischung und höllisch unterhaltsam. Wenn man zwar einmal weiß, wohin sich alles entwickelt, dann ist viel von der Anspannung verloren. Ein sehr solider, flott inszenierter und cool gespielter Thrillride bleibt es dennoch. Kann man sich alle paar Jahre mal geben. Das Tempo, Colin Farrell und die immer wieder effektiv eingeschobene Sozialkritik - diese drei Gründe machen "Nicht auflegen!" für mich zu einem guten bis sehr guten Film.

Zum rasanten Style muss man nicht viel sagen - das muss man viel eher sehen. Ist man dann einmal in der passenden Trittsequenz, die unaufhaltsam, spinningartig den Berg runter anzieht, dann muss man manchmal ans Atmen erinnert werden, so sehr kann man sich in Schumachers Telefonpsychoduell verlieren. Colin Farrell ist mittlerweile ein hoch angesehener, gern gesehener Indiedarling - damals war er noch durch und durch Bad Boy. Zumindest was seinen Ruf betrifft. Doch schon in "Phone Booth" kann man sein Talent nicht übersehen. Egal ob den eingebildeten Juppie zu Beginn des lebensverändernden Telefonats oder den geläuterten am Ende - sein Charakterbogen ist jederzeit glaubhaft, nachvollziehbar und emotional gespielt. Und wenn dann der Scharfschütze (mit eindringlicher Stimme von Kiefer Sutherland!) immer wieder auf die leidgeilen Gaffer hinweist oder Farrells Charakter seine Sünden vor die Nase hält, dann bildet sich sogar der Hauch von Verständnis für den perfiden Angreifer. Ein gnadenlos-guter Antagonist - und von dieser Gattung gibt es nicht viele und jeder Film profitiert enorm von ihnen.

Fazit: intensiv, spannend, unvorhersehbar - "Phone Booth" ist knackiges Thrillerkino, nicht nur wegen Colin Farrell. Kein Hitchcock (selbst wenn dieser ihn bestimmt gemocht hätte), der Wiederspielwert ist überschaubar - doch zumindest beim ersten Durchlauf gibt es keine Minute Langeweile und man ist immer nahe am Rand des Sitzes. Wer zum Fingernägelkauen neigt, sollte sich für den nächsten Tag einen Maniküretermin geben lassen.