Ein Thriller, der nur an einem Ort spielt, noch dazu nur in einer Telefonzelle.
Ein berauschendes Sujet, allerdings mit der Gefahr, daß der Film gerade wegen seiner gebundenen Location seine Spannungskurve nicht halten kann.
Deswegen ist „Phone Booth“ (die Doppeltdeutigkeit des Titels zu dem Lincoln-Attentäter geht leider in Deutschland automatisch verloren) auch nur 81 Minuten lang, 75 Minuten ohne den Abspann. Zieht man noch die ersten Minuten Einführung auf den Straßen New Yorks ab, benötigt die zentrale Situation im Ganzen eine gute Stunde, was die Länge auf passables Fernsehformat schrumpfen läßt.
Womit wir auch schon bei dem Problem des Films wären, denn abgesehen von seiner interessanten Ausgangsposition, hätte man auch ein spannendes Fernsehspiel daraus machen können.
Das kann man wiederum durch Stars verhindern: Jungstern Colin Farrell drückt man die Hauptrolle des Opfers in die Hände und Kiefer Sutherlands charismatische Stimme macht den Sniper aus. Der Rest kann in der kurzen Laufzeit eigentlich gar nicht mehr schiefgehen.
Und ja, der Spannungsbogen hält bis zum Schluß, macht aus „Nicht auflegen“ einen brauchbaren kleinen Thriller.
Warum aber langt es doch nicht zur totalen Begeisterung, wie z.B. Hitchcock (dem die Idee vor diversen Jahrzehnten auch schon mal angeboten worden war) aus Nichtigkeiten brodelnden Suspense gebären konnte? Da kommt einiges zusammen.
Zunächst einmal kommt bei aller brauchbaren Dramatik trotzdem das Gefühl auf, daß der Film seine Möglichkeiten nicht voll ausschöpft. Die Situation der Identifikationsfigur (Farrell) ist nie ganz so finster, als daß es scheinbar keinen Ausweg geben würde. Tatsächlich arbeitet die Polizei alsbald recht flott an der Wahrheit, was den Plot zur Hinhaltetaktik macht.
Dann fehlt leider Farrells‘ Stu der Unterbau, um ihn für uns „wertvoll“ zu machen. Wie er selbst im Film aussagt, ist er eigentlich nur ein kleiner Fisch, im Gegensatz zu den vorherigen Opfern des Snipers, die einiges auf dem Kerbholz hatten. Bei aller Spannung scheint der Aufwand die Mühe nicht zu lohnen.
Gleichzeitig ist der aalglatte und leicht ölige Stu aber auch den entscheidenden Schritt zu unsympathisch, damit sich die Ängste des Publikums ihm voll widmen können. Er ist untreu, vage, hinhaltend, schleimt ein wenig und nur die Coolness rettet den Charakter halbwegs.
Weil all das zusammenkommt, funktioniert der Film dann in Richtung Showdown und Auflösung leider überhaupt nicht gut. Während der ganzen Zeit landet Stu keinen wirklichen Treffer, kann nur hilflos reagieren und hat manchmal Glück. Wenn er versucht zu agieren, wirkt es platt und abgedroschen, da ihm sein Gegenüber eh moralisch über ist.
Somit gerät die ganze Situation lediglich zur Läuterung eines oberflächlich-egoistischen Menschen, der am Ende sich nur durch eine weinerliche Komplettbeichte halbwegs retten kann und unter Druck dem sauberen amerikanischen Prinzip zur Folge heulend zur rechtlich angetrauten Gattin zurückkehrt, während auf die sorgfältig (und nicht unsympathisch) eingeführte Liebschaft (ahnungslos niedlich) am Ende nicht mal mehr eine Einstellung verschwendet wird.
Eine mehr als simple, hypersaubere Moral, die weder besondere Finesse beweist, noch die Figur angenehmer macht, obwohl Farrell durch bloße Erscheinung Sympathiepunkte sammeln kann. So gehen denn alle Wirkungspunkte an den herrlich hämisch aufspielenden Sutherland (bzw. bei uns an seinen Synchronsprecher), der allerdings außer der „Bleib-sauber“-Warnung nichts Aufbauenderes beifühgen kann. Daß Stu bei der Leiche des Pizzaboten allerdings nicht stutzig wird, der nun wirklich eine andere Stimme als der Sniper hatte, ist wohl dem Endclou zuzuschreiben.
Schumacher ist handwerklich voll auf der Höhe, wenn auch die Bilder manchmal zu gewollt körnig-realistisch aussehen und der Splitscreeneinsatz manchmal etwas übertrieben wirkt.
Leider ist der Rahmen der Handlung schlichtweg überflüssig, eine unnötige Einleitung der Ereignisse rund um das Wunder des Telefons und insbesondere diese eine Zelle, die wir auch mit filmischen Mitteln hätten erzählt bekommen können. So ist sie nur hektisch, anbiedernd, gewollt modern, ebenso wie am Ende die Kamera uns auf den Telekommunikationssatelliten zurückführt, auf dem wir gestartet waren.
„Nicht auflegen“ funktioniert vorzüglich als kleiner, bloßer Thriller mit ungewöhnlicher Prämisse, bei dem psychologischen Unterbau hakts bereits und wirkliche Finessen hat das Skript nicht zu bieten, außer einem Mann, den man mit Gewalt dazu zwingen muß, daß er endlich ein besseres Leben führt. Ein nicht uninteressantes Erlebnis, daß seine Zuschauer aber nicht wirklich befriedigen kann.
(6/10)