Joel Schumacher, der Batman-Killer, schafft es nach seinem Karriereknick mit relativ kleinen Filmen wieder in die obere Liga zu arbeiten. Nach dem Geheimtipp "Tigerland" ist die 15 Millionen Produktion "Phone Booth" ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.
Im Mittelpunkt des 80minütigen Films steht der Designanzug tragende Medienagent Stu Shepard den wir in den ersten 10 Minuten, die glatt als Werbespot für einen Handyanbieter durchgehen könnten, kennenlernen: Er ist ein scheinbar geborener Protoyp eines Arschlochs: Er setzt Menschen unter Druck, wenn sie nicht gleich spuren, bescheißt seine Frau, belügt seine Geliebte und behandelt selbst seinen Assistenten nicht mit gebührendem Respekt.
Doch alles dies ändert sich, als er an einer Telefonzelle auf den Anruf seiner Geliebten wartet und ein völlig andere Charakter am anderen Ende ist: Ein Mensch, mit einem Snipergewehr, der ihn bloßstellen will und irgendwo in den Häuserschluchten der Großstadt sitzt. Das Spiel hat begonnen...
Schrittweise versucht der geheimnisvolle Scharfschütze den Angeber zu läuten und wieder zu einem guten Menschen zu machen, was moralisch im Endeffekt ein Loch ohne Boden ist: Menschen töten um die verwerflichen Handlungen eines Einzelnen zu publizieren? Heißes Eisen, dass nicht jedermans Sache ist und für einen faden Beigeschmack sorgen dürfte, besonders dann wenn der Killer schlußendlich seine ach so humanen Ziele erläutert
Nichts desto trotz ist das Psychoduell zwischen der Stimme am Telefon (Kiefer Sutherland ist im O-Ton genial) und einem entfesselnd aufspielenden Colin Farrell durchweg spannend und hat immer wieder neue Einfälle zu bieten, die aber ab und an zu einem peinlichen Publikumslacher verkommen und nicht ins Schwarze treffen. Der Versuch beiden Frauen zu zeigen, was für ein Mensch Stu wirklich ist, soll dabei nur der Anfang der Beichte sein. Da Stu es untersagt ist, seine Situation der angerückten Polizei zu erläutern, wird er für einen Killer gehalten, der kaltblütig einen Zuhälter auf offener Straße erschoß. Dem anfangs frech aufgelegten Großmaul rutscht schnell das Herz in die Hose, so dass er schließlich zu einem seelischen Wrack wird. Der Killer weiss mehr über ihn, als ihm lieb ist: Seine Geheimnisse, seine Lügen und seine frevelhaften Taten.
Aber auf die Seite welches Charakters soll man oder kann man sich schlagen? Eigentlich gar keine, was schnell zu einem großen Problem wird, denn die Identifikation mit einer Figur ist in so einem Film wichtiger denn je. Der Sniper ist unnahbar, allein schon weil man nur seine Stimme hört und auf Stus kann man sich nicht schlagen, da er das geborene Arschloch ist, auch wenn er sich schrittweise wandelt. Der ähnlich angelegte "Liberty stands still" löste das auf Kosten der Identität des Killers wesentlich besser. Es kommt wie es kommen muss und man es leider erwartet....
Regietechnisch konnte Joel Schumacher eigentlich nicht viel verkehrt machen, überlädt den Film jedoch mit seinem überzogenen hippen Style. Der Einsatz von Splitscreen, Picture in Picture, grellen und bunten Neofarben, Bildcollagen und Tonveränderungen nerven über die volle Distanz. Was in einem Werbeclip noch klappt, langweilt in einem Film auf die Dauer, denn der Versuch den auf einen Raum beschränkten Film attraktiv darzustellen hinkt. Schumacher hätte sich statt dessen auf die Stärke der beiden Hauptprogatonisten verlassen sollen und einen altmodischen Stil wählen sollen, mit dem er zwar einen besseren Film abgeliefert, aber wohl weniger Zuschauer in die Kinos gelockt hätte.
Fazit:
Spannender Psychothriller mit einem guten Duo Farrell/Sutherland. Leider wird der Plot am Ende vorhersehbar und bleibt moralisch sehr fragwürdig. Auch der überfrachtete Werbestyle Schumachers trüben das Bild deutlich. Weniger, sprich ein paar ruhige Bilder, wären hier mehr gewesen. Lieber den ähnlichen, aber unbekannteren "Liberty stands still" gucken. Gefiel mir besser, obwohl nicht ganz so spannend. Oh, ich muss Schluss machen, mein Telefon klingelt.