Spätestens seit sie in den Credits von Jim Jarmuschs „Limits Of Control“ als „Nude Woman“ geführt wird, ist Paz de la Huerta wohl die Vorzeige-Nackte in Projekten aller Art und wird für ihre spezielle Art der Natürlichkeit ebenso geschätzt wie verachtet, wobei sich viele Kritiker darauf versteifen, ihr trändrüsiger Blick sei alles andere als erotisch. Den Einwurf mag man gelten lassen, sehr wohl aber ist es ihr mit der Zeit gelungen, der Nacktheit als beiläufiger und selbstverständlicher Zutat des Independent-Unterhaltungsfilms zum Comeback zu verhelfen, ohne dass man ihr zwangsläufig die Bürde des künstlerisch Notwendigen oder des schlicht Provokativen auferlegen müsste. Paz ist eben öfter mal nackt, das muss so sein und das ist auch gut so.
“Nurse“ macht diese Philosophie zum Prinzip und gewährt der Aktresse in ihrer ersten Hauptrolle das mittlerweile gewohnte Maß an Frischluft. Eine Femme Fatale nach der klassischen Vorlage einer Schwarzen Witwe darf sie spielen, modernisiert jedoch durch die heute übliche freizügigere Darstellung. Folgerichtig stackst de la Huerta in Fetisch-Kostümierung durch das Krankenhaus-Ambiente, durchaus den neuen Film-Feminismus bedienend, bei dem Männer in der Regel als schwach und hirnlos dargestellt werden. Und doch steht sie auch gerne mal unten ohne vor dem OP-Besteck und überlegt, welches Instrument wohl dazu geeignet wäre, dem Kerl auf dem Seziertisch die Eier zu stutzen.
De la Huerta macht genau das, was sie den Drehbuchangaben nach machen soll: Sie heuchelt Hilflosigkeit für die Männer und Mitgefühl für die Frauen, manipuliert ihr Umfeld nach Belieben und ihr Gesicht bleibt eine puppenhafte Maske der Emotionslosigkeit. Höchste Entsprechung dieser Darstellung bleibt ihr schwelender Gang, den sie geradezu zelebriert - das unwirkliche Gleiten über Asphalt und Linoleum ähnelt in seiner offensichtlichen Falschheit ganz erschreckend dem als Frau verkleideten Alien in Tim Burtons „Mars Attacks“. Es entlarvt letztlich, wie sehr der Mann seinen Trieben ausgeliefert ist, da er die Gefahr bei einer irrealen, fast schon karikaturistisch erotischen Gestalt wie derjenigen de la Huertas nicht nur wittert, sondern sie ihm geradewegs ins Gesicht springt – und er sie wider besseren Wissens in diesem Moment der Stimulation trotzdem geflissentlich ignoriert.
In der bis zum Äußersten ausbuchstabierten Maskerade besteht zunächst noch der besondere Reiz des Films, der in erster Instanz mit erstaunlich hohen Produktionswerten überrascht, die den Auftritten der Hauptdarstellerin eine angemessene Bühne liefern. In Katrina Bowden („30 Rock“, „Tucker & Dale vs. Evil“) findet sich auch ein geeignetes Objekt zum Subjekt: Ihre unbedarfte Blondchen-Erscheinung und ihr ahnungsloser Hundeblick scheinen ideal, um das kalte Eis im Antlitz der männermordenden Hauptattraktion ein wenig aufzubrechen, ist sie doch das Köderfleisch, anhand dessen sich das Monster möglicherweise kurz aus dem Tümpel wagt.
Was anfangs aufgeht, weicht später einem standardisierten, psychologisch oberflächlichen Handlungsbogen, als irrelevanterweise versucht wird, das Verhalten der Psychopathin durch Rückblenden in die Kindheit zu analysieren. Spät erst fällt auf, wie gewöhnlich „Nurse“ auf vielen Ebenen nicht nur wegen seiner 3D-Gimmickszenen ist. Plötzlich wiederholen sich Motive, ergeben sich Vorhersehbarkeiten, schälen sich die Stereotypen heraus. Mit Enttäuschung registriert man, wie sich der anfangs unorthodox erscheinende Ansatz seinem 08/15-Plot fast wehrlos ergibt. Nur der Score, der von Techno über Jazz bis Fahrstuhlmusik alle Register zieht, zieht sein Programm voll durch und sorgt immer wieder für frischen Wind.
Am Ende ist eben auch „Nurse 3D“ eine konventionelle Horror-Groteske, im Ablauf vorhersehbar und in der Psychologisierung der Figuren banal, immerhin aber mit Poster-Bildern für den Männerkühlschrank und einer erfrischend zynischen Note, die vor allem vom herrlich abwechslungsreichen Soundtrack ausgeht. Paz de la Huerta bleibt Geschmackssache und wird Kritiker nicht von sich überzeugen können, hat aber definitiv sämtliche Tricks im Repertoire, die man für eine solche Rolle haben muss.