die besondere Defloration
Nach einem schweren Motorradunfall wird die junge Rose einer experimentellen Hauttransplantation unterzogen, bei der ihr künstliche Partikel eingepflanzt werden. Sie wandelt sich nach ihrer Genesung zu einer Art Vampir. Durch eine Penis- artige Geschwulst in der Achselhöhle extrahiert sie Blut ihrer Opfer und verbreitet so eine Seuche, deren Überträger, blutgierige Irre, bald weite Teile des Landes erobern.
Handlung
Das junge Pärchen Rose (Marilyn Chambers) und Hart Read (Frank Moore) erleidet meher oder minder unverschuldet einen Motorradunfall. Während Hart mit dem Schrecken, einer gebrochenen Hand und einer ausgerenkten Schulter davon kommt, muß Rose ins Krankenhaus. Dort nimmt sich Dr. Dan Keloid (Howard Ryshpan), Plastischer Chirurg, ihrer an und entscheidet, daß es von Nöten sei, aufgrund schwerer Verbrennungen eine Hauttransplantation durchzuführen. Dabei wendet er eine neuartige Methode mit künstlichen Hautpartikeln und der „Neutralisierung“ von Hautgewebe an.
Einen Monat später erwacht Rose endlich aus ihrem komatösen, durch einen Schock hervorgerufenen Zustand.
Schmerzlich stellt sie fest, daß sie keine Nahrung mehr zu sich nehmen kann, da ihr Körper diese regelrecht abstößt. Die erste Person, die sie in ihrem Wachzustand besucht, ein Arzt bei der täglichen Visite, wird auch prompt Opfer dieser Veränderung, indem Rose den Mann fast tötet, als sie ihm mittels eines Stachel- artigen Gewächses in der Achselhöhle Blut abzapft. Dr. Keloid untersucht folgend die Wunde des Mannes, der sich an nichts erinnern kann
Rose fällt nach diesem Vorfall zurück in den komatösen Zustand, erwacht jedoch des Nachts wieder. Es geht ihr nun besser, denn das Blut des Arztes wirkte wie eine Droge. Blut ist nun allgemein ihr Nahrungsersatz.
Rose flieht aus dem Hospital und trifft unterwegs auf eine einsam gelegene Farm, wo sie sich sofort zum dortigen Kuhstall hingezogen fühlt. Es ist ihr Durst nach Blut, der sie dort hintreibt und eine Kuh muß auch sofort als Nährstoff- Lieferant hinhalten.
Der betrunkene Besitzer der Farm (Terence G.Ross) überrascht sie jedoch in dem Moment, als Rose sich übergeben muß. Anscheinend verträgt ihr Körper nur menschliches Blut, so daß der Mann ihr gerade richtig kommt. Jedoch stößt sie ihm nur den Stachel in seinen Körper und flieht dann eilig.
Rose versucht Hart anzurufen, doch überhört dieser das Telefon und der verletzte Arzt flüchtet unbemerkt aus dem Krankenhaus. Während Rose nochmals ihrem Blutdurst nachgibt, attackiert der Arzt plötzlich einen Taxifahrer.
Als Rose, die verwirrt ins Krankenhaus zurückgekehrt ist, Hart telefonisch endlich erreicht, fleht sie ihn an, ihr zu helfen und sie abzuholen.
Dr. Keloid kümmert sich wieder um Rose und entdeckt bei der Untersuchung unter ihrem linken Arm in der Achselhöhle die merkwürdige Geschwulst.
Hart ruft seinen Freund Murray Cypher (Joe Silver) an und bittet ihn um Rat. Murray erklärt sich bereit Hart abzuholen, um mit ihm nachzusehen, was hinter dem Anruf von Rose steckt.
Derweil scheinen alle, die mit Rose in Kontakt kamen und von ihrem „Stachel“ getroffen wurden, wie der Arzt, der unvermittelt den Taxifahrer angriff, von einer Art Tollwut befallen zu sein. Und tatsächlich hat Rose unwissend eine Art Seuche ausgelöst, die sich rasend schnell ausbreitet.
Als Murray und Hart das Hospital erreichen, hat sich Rose schon wieder abgesetzt und ist als Anhalterin nach Montréal unterwegs. In kurzer Zeit sind Tausende infiziert und laufen Amok.
Kritik
Der Inhalt, die Symbolik der Geschichte und damit dieser zweite bedeutende Film Kanadiers sind eine konsequente Weiterführung von „Parasiten- Mörder“, Cronenbergs Debut. Wie auch dort, ist es eine „Krankheit“, die den Körper von innen angreift und ihn zur triebgesteuerten Kreatur macht. („Körper- Horror“) Schon die Besetzung des Hauptcharakters mit der Hardcore- Porno- Darstellerin Chambers, die mit Sicherheit kein Zufall war, spricht eine klare Sprache und läßt das Geschehen als relevantes Metapher- Spiel zwischen sexueller Begierde, ihrer zerstörerischen Kraft und triebhafter Gewalt deutlich werden. (Eine „Sexuelle Revolution“ durch eine Porno- Darstellerin ?)
Nicht zu vergessen ist dahingehend die Szene, als Rose einem Porno- Kino einen Besuch abstattet, um dort nach potentiellen Opfern zu suchen.
Trotzdem handelt es sich um keine Fortsetzung oder gar um einen „Abklatsch“. Die folgenden Werke des Regisseurs zeigen, daß es einfach das Interesse am „neuen Fleisch“ ist, das ihn seine Filme gestalten läßt.
Der in der Achselhöhle verborgene Auswuchs ist ein mehr als offensichtliches Symbol für das männliche Fortpflanzungsorgan, den Penis, und dessen anschließende Aktion entspricht einer Defloration, einer Entjungferung durch heterosexuellen Geschlechtsverkehr. (Auch wenn diverse Symbole auf den Anus hindeuten und die groteske Vorstellung einer Frau mit Penis dem „neuen Fleisch“ zugeordnet werden kann.)
So ist der vormals unschuldige Körper des vermeintlichen Opfers eben nach dieser „Infizierung“ seiner Reinheit beraubt und paßt sein Verhalten dementsprechend an.
Eine Kritik an der zunehmenden Pervertierung der Gesellschaft, die sich schon im indirekten Vorgängerfilm, dem genannten „Parasiten- Mörder“, findet, ist demnach auch hier implizierbar.
Sogar der „Pool“ findet sich hier in kleinerer Form wieder, wenn sich, in einer der atmosphärisch beeindruckendsten Sequenzen, Frau Chambers an ein potentielles Opfer heranmacht. Die latente Homosexualität der Szene ist nur ein weiterer Verweis auf Cronenbergs Debut und den angesprochenen Verweis auf den menschlichen Anus.
Kritiken an der modernen Wissenschaft sind hier ebenfalls zu finden. Waren es dort Experimente an Unschuldigen, Unvorbereiteten mit ihren Organen, so ist es hier die Haut (sicher auch ein Organ, betrachtet man die Eigenschaften, jedoch ein äußerliches), die das Forschungsobjekt bildet. Der Verweis auf die moderne Schönheitschirurgie ist ebenfalls offensichtlich.
Noch deutlicher als sein Vorgänger, scheint dieser Film sowohl motivisch als auch optisch als ein Pate für George A.Romeros knapp 2 Jahre später veröffentlichten „Dawn Of The Dead“/“Zombie“ gestanden zu haben.
So erinnert nicht nur das bläuliche Make- Up der „Untoten“ in Romeros Film doch deutlich an das der „Infizierten“ in diesem Film. (z.B. die Massenhinrichtungen durch die Militärs, die Romero aber schon in „The Crazies“, 1973 zum Thema machte)
Großartige Schockmomente findet man auch hier. Die Szene, als der „schäumende“ Dr. Keloid im Polizeiauto ans Fenster springt, um ins Freie zu gelangen, ist einer von ihnen, die Entdeckung einer gefrorenen Leiche oder aber die Szene in der U- Bahn, als plötzlich eine handfeste Panik ausbricht zählen ebenfalls dazu.
Auch in diesem Film bewies Cronenberg Sinn für sehr makaberen Humor, etwa als ein Weihnachtsmann vor einem Kaufhaus aus Versehen erschossen wird. Natürlich stehe gerade Kinder neben ihm.
Der konsequente, bittere Schluß beeindruckt sehr und erinnert in seiner finalen Tragik, wenn das Ende auch anders ist, an „Türkische Früchte“ (Regie: Paul Verhoeven, 1973), dessen letzte Einstellung mit dem Müllschlucker sich hier wiederfindet.
Chambers nahm während der Dreharbeiten ein Lied namens "Benihana" auf. Es handelt sich dabei um eine Disco- Musik, die auch Verwendung im Film zu hören ist.
Cronenberg wollte eigentlich Sissy Spacek für die Rolle der Rose. Spacek hatte aber weder Lust auf die freizügige Rolle, noch auf die Mitwirkung in einem derart billigen, schockierenden Film.
Die wohlproportionierte Frau Chambers ist mit ihrer unschuldigen Spielweise zwischen Traurigkeit und Verletzlichkeit aber besser, als der eine oder andere es einer Porno- Darstellerin zutrauen würde. Ob sie hoffte, durch den Film ins „seriöse Filmgeschäft“ zu gelangen, weiß ich nicht, doch wenn dem so war, gelang es ihr nicht. Die anderen Darsteller agierten angemessen und füllten ihre Rollen gut aus.
Die teilweise ziemlich reißerischen, insgesamt aber eher zurückhaltenden Effekte wurden erneut von Joe Blasco entworfen,, letztlich aber von Byrd Holland ausgeführt.
Für die geradezu lyrische, in einigen Momenten melancholische Musik, die auch etwas an die zu „Parasiten- Mörder“ erinnert, zeichnete sich erneut Ivan Reitman, diesmal Ausführender Produzent, verantwortlich.
Wurde „Parasiten- Mörder“ gefördert, so kostete dieser Film angeblich nur knapp 90.000 Dollar, also etwa die Hälfte. Trotzdem ist er technisch erstaunlich gut umgesetzt worden, atmosphärisch gelungen und läßt das virtuose Gespür Cronenbergs für Manipulation und Schock klar erkennen. Die Kamera führte René Verzier
Cronenberg ließ den Film angeblich auf die Endlänge herunterschneiden und entfernte so einige Szenen, welche die Entstehung der Krankheit und genauere Motivationen wiedergegeben hätten. Grund dafür war die atmosphärische Uneinigkeit, die Zerstörung der Kontinuität und das geringere Tempo. Abgesehen davon, daß das Ganze dann verständlicher geworden wäre, halte ich die vagen Andeutungen und oft unerklärten Einzelheiten für spannender und interessanter, lassen sie doch weitere Interpretationen zu.
Fazit
Ein straff erzählter, spannender und aufreibender Horrorfilm, der einige sehr beunruhigende Sequenzen enthält und Regisseur Cronenberg als großartigen Spezialisten im Genre etablierte.