Bei einem kurzen Stop an der Tankstelle verschwindet Diane spurlos. Drei lange Jahre sucht Jeff verzweifelt nach seiner Freundin; er kann sie einfach nicht vergessen - auch nicht, als er mit der Kellnerin Rita einen Neuanfang wagen will. Doch just in dem Moment, in dem er die Vergangenheit bewältigt zu haben scheint, meldet sich bei ihm ein gewisser Barney, liebevoller Familienvater und Chemielehrer, der ihm offeriert zu wissen, wo Diane steckt...
1988 sorgte der niederländische Psychothriller „Spurlos verschwunden“ von George Sluizer völlig überraschend für Furore und mauserte sich zu einem kleinen Geheimtipp unter Cineasten. Auch in den USA machte der Film seine Runde, und weil er so erfolgreich war, konnte es sich Hollywood nicht nehmen lassen, ein Remake zu verwirklichen, Sluizer erklärte sich rund fünf Jahre später bereit, auch hierbei Regie zu führen. Dazu gesellten sich weit bekanntere Schauspieler, Kiefer Sutherland und Sandra Bullock (im Original Gene Bervoets und Johanna ter Steege, die für die beste Nebenrolle den Europäischen Filmpreis verliehen bekam) mimten das junge Pärchen, das jäh auseinander gerissen wird, Jeff Bridges durfte (einmal ungewohnt) die Rolle des Bösewichts Barney übernehmen. Da konnte eigentlich nicht viel schiefgehen!
In der Tat ist das Remake „Spurlos“ um eine Ecke spannender geraten und insgesamt flüssiger erzählt, die Protagonisten werden nicht nur erstklassig charakterisiert, sondern von besagten Protagonisten ebenso hervorragend gespielt. Nancy Travis in der Rita-Rolle darf an dieser Stelle nicht außer acht gelassen werden. Aber Hollywood wäre nicht Hollywood, wenn man das wirklich markerschütternde und abgründige Ende von „Spurlos verschwunden“, das den Zuschauer unbefriedigt und perplex zurückgelassen hat, auch in diesen Film übertragen hätte. Nein, die Amis spülen alles immer etwas weicher, und so ist hier der Schluss zwar immer noch recht böse, aber längst nicht so hoffnungslos ausgefallen. Als Ersatz musste dafür ein ungleich reißerischeres und reichlich übertriebenes Ende her - nach dem Motto „Der Bösewicht ist einfach nicht totzukriegen“ -, das dann leider eben doch einen Hauch zu konventionell ausgefallen ist, um länger in Erinnerung zu bleiben. Ich müsste das holländische Original mal wieder sehen (um beide Filme auch besser miteinander vergleichen zu können, als ich es jetzt getan habe), aber da war ich beim ersten Ansehen ordentlich geplättet und hatte daran noch ein bisschen zu knabbern, diesem Remake kommt diese Einprägsamkeit leider abhanden.
Dennoch ist das Drehbuch dieses Thrillers ebenfalls gekonnt und niemals langweilig werdend geschrieben, die Handlungsstränge der beiden Hauptfiguren Jeff und Barney finden sehr gut zusammen, wobei Barney die eindeutig interessantere und insbesondere skurrilere Persönlichkeit ist, die gleich in der Eröffnungsszene die Wirkung von Chloroform an sich selbst testet, während Jeff an der Ungewissheit zugrunde zu gehen scheint, welches Schicksal seine Diane ereilt hat. Obwohl Biedermann Barney schon bald als stiller Psychopath ausgemacht ist, schafft es der Zuschauer nicht, ihn gänzlich zu hassen, sondern sogar gewisse Sympathien für ihn - nur geringfügig weniger als für Jeff - entgegenzubringen, weil er nun mal so ein schräger Vogel ist. Zum Schluss wird es Rita sein, mit der man mitfiebert. Jetzt könnte man als Schwachpunkt anführen, dass Jeff einfach eine zu schwache Figur innerhalb des Plots übernimmt - seine neue Freundin Rita wirkt in jeder Hinsicht überlegener und stärker -, um unser Mitleid zu verdienen, aber Sutherland liefert eine sehr intensive Vorstellung ab - seine Verzweiflung ist hautnah spürbar -, das wiegt doch einiges wieder auf.
Fazit: Insgesamt ein solider Reißer mit einer bemerkenswerten Schauspielerriege, ausgesprochen spannend und fesselnd. Wem das Vorbild „Spurlos verschwunden“ zu ruhig, zu behäbig daherkam, der wird sicherlich mehr Gefallen am Remake finden. Doch ich ziehe das Original vor, weil es etwas hat, was das US-Remake nicht hat: Innovation! Dort war die Grundidee herausragend, der Ausgang unbequem und düster, „Spurlos“ dagegen ist „lediglich“ ein sehenswerter Abklatsch eines kleinen europäischen Juwels, den es nicht unbedingt hätte geben müssen (siehe auch das überflüssige US-Remake „Freeze - Alptraum Nachtwache“ des dänischen Kultfilms „Nightwatch“).
GESAMT: 6/10 (Unterhaltungswert: 6 - Handlung: 6 - Schauspielerische Leistungen: 9 - Kameraführung/Atmosphäre: 7 - Musik: 6)