Papierne Spezialeffekte, reißerisch inszeniert in flüchtiger Vertretung für Übernatürliches – wenn man mal mit Hongkongs Output des phantastischen Films in Kontakt geraten ist, dann hatte man vermutlich bereits mit Geistern und Magie das Vergnügen. Vor allem die „Chinese Ghost Story“-Trilogie hat den kreativen Umgang mit Blitzen, wallenden Stoffen und der Fleischwerdung des Transzendentalen salonfähig gemacht. Doch gibt es auch radikalere Werke, die es aufgrund ihrer drastischen Darstellungen nie zu einem vergleichbaren Bekanntheitsgrad geschafft haben. Eines von ihnen entstand im Jahr 1983 unter dem Siegel der Shaw Brothers und sollte ursprünglich die hauseigene „Black Magic“-Reihe zur Trilogie ausweiten, nahm dann aber doch seinen eigenen Weg: Richard Yeung Kwens „Seeding Of A Ghost“.
Sieht man davon ab, dass es gleich am Anfang zu einem reichlich obskuren Zusammenstoß der Hauptfigur mit einem schwarzen Magier kommt, verweilt die Handlung bemerkenswert lange in der städtischen Normalität und frönt völlig nüchtern dem Alltag der Charaktere, ohne dem Phantastischen Raum zur Entfaltung zu bieten. Szenenbilder werden von spießigen Esszimmertischen mit Mahjongg bestimmt, von Taxifahrten durch die Stadt und unverbindlichen Treffen in Hotels. Vereinzelte Nacktszenen bieten die einzigen Aufreger. Aber auch sie sind im Grunde so profan inszeniert, so voller Alltagsballast, dass man kaum etwas Erotisches an ihnen finden kann.
Mit der Vergewaltigung und (versehentlichen) Tötung Irenes, die später zur Wiederauferstehung von den Toten auserkoren ist, wird das moralische Fundament für das weitere Handeln der Beteiligten gelegt. Die Szene ist von zufälligen Kausalketten bestimmt, durch welche die Täter wie dumme Kinder dastehen, die selbst nicht genau wissen, wie ihnen geschieht, obgleich sich die unglücklichen Abläufe derart anhäufen, dass nicht nur bezüglich der Vergewaltigung, sondern auch der Tötung keinerlei Zweifel an der Schuldfrage besteht.
Nach diesem Schlüsselereignis ist es lediglich ein ominöser Funkspruch, eine wie vom Schicksal gelenkte Autopanne und ein sich selbstständig machender Ersatzreifen, der den Ehemann zur Leiche seiner Gattin führt. Doch selbst jetzt schwenkt „Seeding Of A Ghost“ noch einmal zum Großstadtrealismus, indem er Anteile des Polizei- und Kriminalfilms beimischt. Wenn junge Cops mit offenem Hemd lax an der Tür lehnen und ein Interview mit einem Verdächtigen erbitten, ist der übernatürliche Geisterfilm weiter entfernt als eine Hard-Boiled-Parodie, wobei die offensichtliche Nutzlosigkeit der Cops bereits andeutet, dass der Witwer eigene Maßnahmen ergreifen muss, um die Vergewaltiger seiner Frau (und wenn man schon mal dabei ist, gleich noch den Mann, mit dem sie eine Affäre hatte) angemessen zu bestrafen.
Um so heftiger bricht das Phantastische schließlich die Handlung auf und lässt sich nicht mehr abschütteln. Im Gegenteil: Mit jeder Minute wird es verkorkster, unglaublicher und nicht zuletzt blutiger. Weshalb die frisch beerdigte Irene nach ihrer zügigen Ausgrabung aussieht wie eine ägyptische Mumie, soll nicht weiter hinterfragt werden, fortan dient dieses knochig-lederne Resultat einer Pappmaché-Stunde mit beweglichem Kiefer, klimpernden Augenlidern und pulsierender Haut jedenfalls als Dreh- und Angelpunkt praktizierter schwarzer Magie. Unwirkliche Lichtquellen und Wirbelstürme gehören zum klassischen Repertoire der ersten Stufe (eine Nebenfigur beschwert sich noch darüber, dass man mit dem Hokuspokus ihre ganze Wohnung auf den Kopf gestellt hat), halluzinatorische Ekelszenen, bei denen Würmer gekotzt werden oder das Auslöffeln einer Kokosnuss plötzlich Gehirnmasse zum Vorschein bringt, können noch unter Sinnestäuschung verbucht werden; spätestens jedoch, als es zur tricktechnisch spektakulären Vereinigung der Leiche mit der Seele ihres Schänders kommt, drehen sich die Verhältnisse endgültig zugunsten des Übernatürlichen.
So abstrus wie der weitere Handlungsverlauf ist auch dessen visuelle Realisation. Giftgrüne Kontaktlinsen mit Schlangenpupillen rufen den Exorzismus auf den Plan, riesige Streichhölzer werden zur Waffe umfunktioniert und als sich das „Seeding“ aus dem Titel durchzusetzen beginnt, ist der Startpunkt eingeläutet für das Grande Finale, das John Carpenters „The Thing“ mit explodierenden Körpern, wirbelnden Tentakeln und tumorartigen Fleischmutationen samt entfernt menschlicher Restbestandteile alle Ehre macht. Denkt man an den gemäßigten Auftakt zurück, ist das schon eine ziemlich radikale Wandlung der Ereignisse, die konsequenterweise auch nicht mit einem abkühlenden Epilog abgeschlossen wird, sondern mit einem immer noch heißen und fettigen Freeze Frame mitten aus dem blutverschmierten Schlachtfeld, das sich irgendwie einfach so inmitten der kleinbürgerlichen Idylle ausbreiten konnte, bevor man sich versah.
Der eigentliche Hauptdarsteller wird indes immer weiter in die Passivität gedrängt, je länger sein unheilvoller Bekannter den Zauberstab schwingt – was auch insofern ironisch ist, da Fei Kao eigentlich eher ein Martial-Arts-Darsteller ist, der sich in der Rolle als Taxifahrer ohnehin schon eingeengt gefühlt haben dürfte, darf er doch nur in einer kurzen Szene seine Fäuste schwingen. Seine Untätigkeit steht auch symptomatisch für die Annäherung an schwarze Magie, die im Kino selten kontrolliert abläuft, sondern eher dem Öffnen von Pandoras Box gleicht und mit einer Ohnmacht des Auslösers gegenüber dem Entfesselten endet, nicht selten auch verbunden mit einem Ausdruck der Reue. Der hält sich in diesem Fall allerdings in Grenzen; man könnte meinen, der Taxifahrer genießt das Spektakel (zumindest aber nimmt er es billigend in Kauf) und zahlt dafür gerne jeden Preis (der in diesem Fall hauptsächlich aus einem sandartigen Ausschlag besteht, der sich während der Laufzeit kontinuierlich über seinen Körper ausbreitet).
All das macht „Seeding Of A Ghost“ zu einem herrlich nihilistischen Bastard aus Fantasy-Flick und Splatterorgie, der übernatürliche Präsenzen und deren ektoplasmische Gestaltwerdung erfrischend zerstörerisch darstellt. Mit welcher Konsequenz er die Munition zurückhält, damit er am Ende genug für einen saftigen Abgang übrig hat, ist schon bemerkenswert.