Ansichtssache
Jede Familie hat ihre Geschichte. Das Leben schreibt die besten Geschichten. Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte. All das unterstreicht dieser Seelenstrip von Doku. Eine intime, beeindruckende Show, die Regisseurin Sarah Polley auf Anhieb in die Riege der Leute katapultiert, die nicht nur gute Ideen & einen hüschen Stil haben, sondern auch unverkennbares Talent & zum Glück die Mittel, diese Visionen umzusetzen. In der Doku geht es um die Geschichte ihrer Familie, am ehesten noch ihrer verstorbenen Mutter. Dabei führt sie Interviews mit ihren vielen Geschwistern, ihrem Vater, reichert das Geschehen aber auch mit HomeVideos an, die uns die lebensfroher Blondine näher bringen. Manche davon echt, manche nachgestellt. Und auf dieser Reise durch ihre Vergangenheit & das aufregende, nicht perfekte Leben ihrer Mutter, wird uns Zuschauern nicht nur klar, dass jeder Mensch seine eigene Perspektive & auf Grund von Emotionen verfälschte Erinnerungen hat, sondern auch wie klein wir alle sind, wie ähnlich wir uns sind, wie verletztlich & wie menschlich.
Diese Kombination aus emotionaler Familiengeschichte & Ode auf die Kommunikation, Liebe & das Leben, ist zutiefst beeindrukend & hinterlässt Spuren bei jedem, der in den Genuss dieses Films kommt. Ein Film nur mit Interviews & Homevideos? Ein ganz normales Familienleben? Kann das fesseln & groß sein? Ja, nichts könnte größer sein. Denn im Endeffekt geht es um uns alle. Hier zeichnet sich im Kleinen, der Familie, das Große, die Menschlichkeit ab. Das die Regisseurin sich kein bißchen versteckt & damit ihre gar nicht so leichte Familiengeschichte der Welt offenbart, zeugt von Stärke, Mut & Genialität. Nicht jeder würde darüber sprechen, dass die Mutter eine Affäre hatte & man selbst einen anderen Vater als gedacht. Nicht jeder würde das der Familie zumuten, nicht jedeFamilie würde da mitmachen. Also auch dort an alle Beteiligten meinen vollen Respekt. Das jeder seine Würde & Stolz behält, zeugt nur von umso mehr Fingerspitzengefühl.
Augen öffnend - manchmal lustig, manchmal tragisch - ist vor allem, wie deutlich wird, dass jede Situation im Leben, von Person zu Person anders gespeichert wird. So ist eine wahrhafte Wahrheit fast unmöglich zufinden. Jeder hat seine eigene Wahrheit. Über diese zu Sprechen hilft & ist äußerst interessant, kann aber auch für noch mehr Verwirrung sorgen. Die HomeVideos sind perfekt gemacht & man weiß auch hier nicht, was echt ist & was nicht. Im Endeffekt bleibt die Erkenntniss, dass Erinnerungen mehr wert sind, als die eigentliche Wahrheit & das jedes Leben spannender ist als Hollywood. Traurig, real, künstlerisch wertvoll, Mut machend, wenn man denn an Schicksal & den richtigen Weg glaubt. Nobody's perfect - "Stories We Tell" ist nah dran zu beweisen, dass dies für Dokus nicht gilt. Frau Polley ist mir mehr als sympathisch. Was sie hier geschaffen hat ist einzigartig & reich in Inhalt wie Kunst wie Gefühl. Eines der schönsten künstlerischen Denkmale, die jemand seiner Familie machen kann. Da ist mir auch egal, dass Vieles fast zu wendungsreich & perfekt erscheint für einen Film.
Fazit: Misch-Doku über eine Familie, fast wie jede andere - inklusive Geheimnissen, Streitereien & vielen Erinnerungen. Vielleicht gerade deswegen so nah an uns allen & teilweise magisch!