Review

Es tut außerordentlich gut, James Wan zu sein.
Nicht erst seit 10 Jahren, obwohl man dem Mann konstatieren muß, damals mit einem obskuren kleinen Film namens "Saw" eine weltweit kassenträchtige Franchise aus der Taufe gehoben zu haben, bei der er als Produzent (alle Teile) fungierte, Regie führte (beim Originalfilm) und manchmal sogar an der Story weiterbastelte. Daß man ihm die Serie inzwischen aufgrund ihrer offensichtlichen Inhalte inzwischen auch vorwerfen kann, muß man wohl leidend in Kauf nehmen, genügend Fans gibts dennoch.

Wirklich gut ist Wan aber erst, seit er vom Torture Thrill weg ist und sich in den Bereich der Geisterfilme begeben hat, einem, wie man annehmen könnte, ziemlich abgelutschten Genre, mit dem man seit den güldenen 80ern nur noch bedingt so richtig Kohle scheffeln konnte, weil die eher guten Filme des Genres die leisen und unauffälligen waren und sich besser für den Heimkinomarkt als Direktverwertung anboten. Der erste Versuch, "Dead Silence" war dann auch ein Flop, genau genommen, schmiß aber mit ausreichend horriblen Ideen um sich und trat den Puppenterror breit, der schon in "Saw" zu spüren war. Danach kam eine kleine Selbstjustizkontroverse mit "Death Sentence" (ein reiner Thriller), ehe Wan plötzlich mit "Insidious" wieder da war: ein Spukhausfilm, der sich über die normalen Grenzen hinwegbewegte und Elemente dämonischer Besessenheit und jenseitiger Zwischenwelten einwob.

Für praktisch nichts produziert, spielte der Film allein in den Staaten über 50 Millionen Dollar ein, Grund genug für grünes Licht in Bezug auf die unvermeidliche Fortsetzung, aber auch eine Art Carte Blance für Wan, der sich einem anderen Lieblingsprojekt widmen durfte. Kostengünstig mußte es natürlich auch sein, aber selbst die schließlich in "The Conjuring" investierten 20 Millionen stellen im Blockbusterkinobereich so etwas wie ein Taschengeld dar.
"The Conjuring" war ein Liebhaberprojekt, zeitgeschichtlich interessant, weil das Skript die alte Masche von der bedrohten Familie, die von Geistern und Dämonen in ihrem Landhaus bedrängen (Amityville, Haus der Dämonen, usw.) in das Jahr 1971 verlagerte, wo eben nicht die moderne Technik verfügbar war und man noch mit altmodischem Tonband und Kameras arbeiten mußte. Eine Sequenz, in der die Charaktere Schwarzlicht verwenden, wirkt bei all dem altmodischen Look schon fast zu modern.

Wan hat diesmal die Story nicht selbst entworfen, die Zwillinge Chad und Carey Hayes nahmen sich der Spukgeschichte an, die so (oder ganz bestimmt total anders) tatsächlich stattgefunden haben soll. Die Hayes hatten bereits brauchbare Genreerfahrung mit dem weit unterschätzten "House of Wax" und dem im südlichen Okkultstil gedrehten "The Reaping" - hier konnten sie sich jetzt einem weiteren übernatürlichen Thema widmen.
Und dabei spulen sie nicht den Fall nach Schema F ab, sondern splitten den Plot auf: einmal darf man das Schicksal der Familie Perron verfolgen, die sich ihren Einzug in ein abgelegenen Landhaus in Rhode Island bestimmt viel entspannter vorgestellt hatte. Die siebenköpfige Familie, bestehend aus Mom, Dad und fünf Töchtern, sieht sich alsbald nächtlichem Terror ausgesetzt: Türen gehen auf und schließen sich, die eine Tochter schlafwandelt, eine andere wird am Fuß gezogen, die Mutter kriegt blaue Flecken ab, es stinkt nach Schwefel und der Familienhund geht ex. Als dann langsam Panik aufwallt (ein inzwischen entdeckter Keller scheint da eine finstere Rolle zu spielen), wendet man sich an die einzigen Leute, die nicht getauften, nicht in der Kirche verorteten Amis noch bleibt: dem Ehepaar Warren.
Ed und Lorraine Warren waren zu ihrer Zeit die typischen Erforscher des Paranormalen, halfen Leuten mit ihren knarren Dielen und heulenden Rohren, sollen aber (dank Eds Sachlichkeit und Lorraines Fähigkeiten als Medium) auch eine Menge Geister ausgetrieben haben.

Wenn es im Film soweit ist, hat man die Warrens, ihre familiäre Situation, ihre Profession, ihren Ruf und ihre Tätigkeiten (Universitätsvorträge neben den Einsätzen) bereits kennengelernt - und auch ein Medium kann unter ihren Einsätzen enorm leiden, wie Lorraines angeknackster Zustand anzeigt. Trotzdem vertieft man sich in den Fall und versucht streng wissenschaftlich, die Hintergründe aufzudecken, denn ohne Beweise kein Exorzismus und der kann eben nur von der katholischen Kirche vorgenommen werden.

So verzichtet der Film vordergründig auf irgendwelchen Mummenschanz und Supergeisterjäger, sondern präsentiert einfach ein ermittelndes Pärchen mit Empathie und Erfahrung, die noch einen Assistenten mit sich herumschleppen und einen Polizisten zur Absicherung abstellen lassen. Stattdessen kann man sich ganz auf die Schicksale konzentrieren und der menschliche Aspekt kommt besser zum Tragen als noch beim Vorgänger "Insidious", der schräger daher kam, aber die Charaktere dafür wesentlich fiktiver präsentierte.

Es folgt das bekannte Muster, langsam aber sicher deckt man die historischen Geschehnisse des Ortes auf und präsentiert nicht nur einen, sondern gleich eine Handvoll ungebetener Eindringliche bzw. Besucher, vom toten Kind über ein suizidales Hausmädchen bis zur machtvollen Hexengestalt aus dem amerikanischen Salem-Mythos.
So wirkt "The Conjuring" nach und nach dann doch etwas überladen, präsentiert Geistererscheinungen, Parapsychologisches, Hexenmächte und dämonische Präsenzen im großen Stil und führt nach und nach zu der erwartbaren großen Katastrophe, wenn nächstens die Hölle so richtig losbricht.

Dabei konzentriert sich das Skript auf die genretypischen "Jump Scares" - wenig bis kein Blut, dafür passend geschneiderte Schrecksekunden, die sich über den Film immer mehr steigern und die Anspannung im Publikum immer wieder mit überraschenden Aufschreien entladen. Buh-Faktor hoch drei kommt immer gut und die Quote ist beachtlich, wobei dem Einfallsreichtum soweit Rechnung getragen wird, daß nicht das Erwartbare passiert, sondern meistens eben dieses immer geschickt umfahren und ihm ausgewichen wird, bis es einen dann überraschend doch anspringt.
Dabei gelingen dem entspannt inszenierenden Wan immer wieder erinnerungswürdige Sequenzen, die man eben so noch nicht gesehen hat, auch wenn die Grundgeschichte eigentlich schon nur noch ein Haunted-House-Klischee darstellt.

Es ist fraglich, ob es geschickt war, so sehr auf die gefühlvoll-menschelnde Seite zu setzen, denn der Realismusbezug paßt nicht so recht zu dem Übermaß an Übernatürlichem, daß auf Figuren und Publikum einstürzt, aber damit wird der Film nicht nur einer Genrezuschauerschaft annehmbar. Allerdings hadert das fertige Produkt mit dem Problem, daß unterschwellig nie das Gefühl aufklingt, die Story könnte in irgendeiner Art und Weise wirklich schlecht ausgehen.
Da war "Insidious" der deutlich abstrusere und riskantere Film, der mehr auf schräge und unerwartete Ideen und Bilder setzte, um Bekanntes im neuen Gewand zu präsentieren (und das erfolgreich) - "The Conjuring" konjugiert die typischen Schrecken von Exorzismus- und Dämonenfilmen einfach solide noch einmal neu durch, läßt einen, abgesehen von der Achterbahnfahrt während des Films, aber dann eher mit einem wohlig-bekannten Gefühl im Bauch zurück.

Auffällig gut getroffen sind die Figuren, allen voran Lili Taylor (die ja schon mit das Beste am "Haunting"-Remake von 1999 war) als zunehmend mürbe werdendes Opfer dämonischer Besessenheit und der steiflippige Patrick Wilson, der langsam zur Dauereinrichtung in Wans Geisterfilmen wird. Aber auch Vera Farmiga kann die mediale Verletzlichkeit gut rüberbringen - daß ausnahmsweise bei fünf Kindern mal keines nervt, sollte auch lobend erwähnt werden.
Herausragend bleiben dann aber doch eher das gute halbe Dutzend effektiver Schrecksequenzen, die den Film zu einem durchschüttelnden Event machen, vom Suspense der vorbereitenden Sequenzen mal abgesehen. Man spürt die sichere Hand und die Nähe zum Vorgänger zwar in einigen Bildern, aber damit wird so ernsthaft an der Nachturangstschraube gedreht, daß man nicht von Abklatsch reden kann.

Letztendlich perfektioniert Wan damit aber nur sein Handwerk, daß er mit "Insidious 2" dann kreativ fortführen muß, um dann zu neuen Ufern aufzubrechen - "The Conjuring" gerät so zu einem runden, treffenden und hocheffektiven Film mit beachtlichem Erinnerungswert, aber ohne innovative Strahlkraft. (7,5/10)

Details
Ähnliche Filme