Sein harter Serienkillerfilm „Saw“ und der Rachethriller „Death Sentence“ bescherten James Wan bereits einen guten Ruf unter Horror- und Thrillerfans, mit „The Conjuring“ legt er nach „Dead Silence“ und „Insidious“ nun seinen dritten Geisterfilm in Folge hin.
Natürlich geht mal wieder nichts ohne die wahre Begebenheit, hier beruft man sich also auf die Aufzeichnungen der Geisterjäger Lorraine (Vera Farmiga) und Ed Warren (Patrick Wilson). Er ist der einzige Nichtpriester, der vom Vatikan autorisiert wurde Exorzismen durchzuführen, sie besitzt hellseherische Fähigkeiten. Wie viel Authentizität von dem Film, der nicht „based on at true story“, sondern ganz keck „based on the true story“ voranstellt, zu erwarten ist, das kann man sich schnell denken, denn hätte es tatsächlich dermaßen rumorende Geister wie hier im Film gegeben, dann wäre vermutlich viel mehr darüber bekannt.
Natürlich darf es sich bei den hier zu bekämpfenden Phänomenen nicht um irgendwelche dahergelaufenen Lumpen handeln, sondern es muss natürlich der schwerste Fall der Warrens sein. Im Jahre 1971 kaufen Carolyn (Lili Taylor) und Roger Perron (Ron Livingston) ein abgeschiedenes Haus für sich und ihre fünf Töchter, doch bald schon mehren sich die unerklärlichen Geschehnisse: Geistersichtungen, eigenwillige Geräusche, stets zur gleichen Zeit stehenbleibende Uhren und dergleichen. Anfangs sachte, ohne viel zu zeigen, später immer deutlicher, stärker und lauter, ganz nach der klassischen Horrordramaturgie, die erst wenig, dann immer mehr über ihr Monster enthüllt.
So ist es dann auch kaum ein Wunder, dass sich die Perrons, die all ihr Geld in das Haus gesteckt haben und daher nicht wirklich wegziehen können, sich an das Ehepaar Warren wenden. Die beiden merken schnell, dass hier geistertechnisch so Einiges im Argen liegt…
1970er statt Jetztzeit, mehr Fokus auf die Geisterjäger als auf die Opfer – das sind die kleinen Veränderungen, die Wan gegenüber seinem 2010er Hit „Insidious“ einbaut, doch ansonsten ändert er wenig an dem Erfolgsrezept. Sicher sind die Einblicke in das Werken der beiden Ermittler des Übernatürlichen reizvoll, natürlich macht es den Film tatsächlich brisanter, dass das Böse bald auch die Familie Warren ins Visier nimmt um sich selbst vor der Austreibung zu schützen, doch es sind dann doch eher kleine kosmetische Veränderungen. Auch nicht jeder Subplot funktioniert gleich gut: Die Geschichte um einen früheren Exorzismus, in dessen Verlauf das Übernatürliche Lorraine angriff, wird immer wieder erwähnt und soll dem Geschehen zusätzliche Fallhöhe verschaffen, wirkt aber nie brisant genug um die Spannung noch weiter zu steigern.
Das ist im Endeffekt aber auch nicht tragisch, denn Wan zieht inszenatorisch erneut alle Register um möglichst effektive Schockszenen einzubauen. Wieder und wieder baut er die Spannung geschickt auf, ehe er sie sich dann in gezielten jump scares wieder entladen lässt, er erwischt den Zuschauer mal unvorbereitet auf dem falschen Fuß, oft sind Schockmomente so gut in Szene gesetzt, dass man sich selbst dann erschreckt, wenn man weiß, was auf einen zukommt. Dabei gibt sich Wan wenig effekthascherisch, setzt auf kaum Blut und vereinzelte Geisterfratzen, sondern lotet lieber den Grusel jener Situation aus, wenn das Gewohnte fremd wird: Was, wenn sich eben noch durchschrittene Tür unerklärlicherweise nicht mehr öffnen ist? Was, wenn eine (an „Dead Silence“ erinnernde) Puppe nicht mehr da sitzt, wo sie sein sollte? Was, wenn urplötzlich Hände aus dem Dunkeln auftauchen und klatschen?
„The Conjuring“ ist dabei durch und durch klassischer Gruselstoff, der zwischen den Konfrontationen mit den Geistern immer wieder Ruhepausen lässt, damit man sich beim nächsten Schock umso mehr erschreckt, der seine Effekte und Schocks erst sparsam einsetzt und sich nach und nach zum großen Knall im Finale steigert. Doch das Konzept funktioniert hervorragend und ist von Wan sowie seinen Drehbuchautoren Chad und Carey Hayes mit den richtigen Verzierungen ausgestattet worden: Die Figuren sind gut genug ausgearbeitet, lenken aber nie zu sehr von der eigentlichen Geschichte ab, kleine Lacher und Irreführungen (Stichwort Toilette) sorgen für Auflockerung und die Hintergrundgeschichte der Heimsuchung ist nicht über die Maßen originell, aber phantasievoll gestaltet, da hier gleich mehrere Motive des Gruselfilms kombiniert werden und so für verschiedene gespenstische Gestalten gesorgt ist.
Außerdem profitiert von „The Conjuring“ enorm von seiner Besetzung: Die vielseitige Vera Farmiga als resolute Geisterjägerin mit Familiensinn sowie Patrick Wilson als ihr besorgter Ehemann geben ein überzeugendes, gleichberechtigtes Hauptdarstellerduo ab, dessen Chemie stimmt. Lili Taylor und Ron Livingston als verängstigte, aber zum Kampf gegen das Unheil bereite Opfereltern können da fast gänzlich mithalten, die Darstellerinnen der fünf Töchter ebenfalls, da ihr Spiel sich erfreulicherweise vom Klischee der schreienden, unfähigen Opfer entfernt.
Wie schon bei „Insidious“ erfindet James Wan auch mit „The Conjuring“ den Geisterfilm nicht neu, denn die Plotstruktur und das Rezept, nachdem sein neuer Gruseler funktioniert, sind altbekannt. Inszenatorisch und schaupielerisch ist das Ganze jedoch so kompetent gemacht, die Details so stimmig erdacht, dass dies kaum stört. Denn nach fast zwei Stunden feiner Genreunterhaltung ist klar: So effektiv wie Wan spielt derzeit kaum einer auf der Klaviatur des Schreckens.